Ein spektakulärer Anstieg der hochqualifizierten Zuwanderung in die Schweiz

In den letz­ten Jah­ren hat die Schweiz eine star­ke Zunah­me der Migra­ti­ons­strö­me erlebt, die mit einer Ver­än­de­rung des Bil­dungs­ni­veaus der Ein­wan­dern­den ein­her­ging. In der Ver­gan­gen­heit waren die­se neu­en Rea­li­tä­ten auf­grund feh­len­der Daten schwer bezif­fer­bar. Vor­lie­gen­der Arti­kel beschreibt auf der Basis neu­er Daten die Ent­wick­lung der Zusam­men­set­zung der Migra­ti­ons­strö­me in die Schweiz unter dem Aspekt des Bil­dungs­ni­veaus und unter­sucht die Rol­le des Arbeits­mark­tes im Kon­text die­ser Migration.

Die Arbeits­märk­te der west­eu­ro­päi­schen Län­der waren in den letz­ten Jah­ren von tief­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen geprägt: Einer­seits haben vie­le Volks­wirt­schaf­ten eine Ter­tia­ri­sie­rung ihrer Akti­vi­tä­ten und eine zuneh­men­de Spe­zia­li­sie­rung erfah­ren (cf. zum Bei­spiel Eljim 2013), die zu einer höhe­ren Nach­fra­ge nach hoch­qua­li­fi­zier­ten Fach­kräf­ten und einem ent­spre­chen­den Rück­gang des Bedarfs an Arbeits­kräf­ten mit mitt­le­rer und nied­ri­ger Qua­li­fi­ka­ti­on führ­ten. Ande­rer­seits haben die Glo­ba­li­sie­rung der Wirt­schafts­tä­tig­keit und die damit ver­bun­de­ne Aus­la­ge­rung bestimm­ter Sek­to­ren mit gerin­ger Wert­schöp­fung dazu bei­getra­gen, dass sich der Per­so­nal­be­darf in der Indus­trie ver­rin­gert hat. Zudem haben sich in den dyna­mischs­ten Regio­nen und Agglo­me­ra­tio­nen Kom­pe­tenz­zen­tren ent­wi­ckelt, was eben­falls zu ein­schnei­den­den Ver­än­de­run­gen am Arbeits­markt führ­te. In die­sem all­ge­mei­nen Umfeld trug die Poli­tik der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit (in Euro­pa im Rah­men des Ver­trags von Rom, in Nord­ame­ri­ka im Rah­men des NAFTA) zur Ent­ste­hung eines glo­ba­len Arbeits­mark­tes bei, eine Ent­wick­lung, die durch die zuneh­men­de Ver­brei­tung von Stel­len­an­ge­bo­ten im Inter­net begüns­tigt wurde.

Zunehmende Spezialisierung der Schweiz

Die Schweiz ist von die­sen Ver­än­de­run­gen in der Wirt­schaft und am Arbeits­markt in beson­de­rem Mas­se betrof­fen. Das Land hat sich zuneh­mend spe­zia­li­siert – mit der Ent­wick­lung zahl­rei­cher Kom­pe­tenz­zen­tren wie der Phar­ma­in­dus­trie in der Regi­on Basel, dem Ban­ken- oder Infor­ma­tik­sek­tor in Zürich oder den Finanz­dienst­leis­tern, Roh­stoff­han­dels­un­ter­neh­men und inter­na­tio­na­len Organi­sationen in Genf (Stei­ner et Wan­ner 2011). Güns­ti­ge Rah­men­be­din­gun­gen (Sicher­heit, attrak­ti­ver Lebens­raum, Steu­ern usw.) haben zum wirt­schaft­li­chen Auf­schwung in die­sen Regio­nen eben­so bei­getra­gen wie die Ansied­lung von mul­ti­na­tio­na­len Unter­neh­men, inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen und Fach­kräf­ten. Die Ent­wick­lung der Migra­ti­ons­strö­me hängt natür­lich auch mit dem poli­ti­schen Umfeld in unse­rem Land (ins­be­son­de­re mit der Rati­fi­zie­rung der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit zwi­schen der Schweiz und der Euro­päi­schen Uni­on) sowie mit dem Gefäl­le bei der Wirt­schafts­leis­tung zwi­schen der Schweiz und den Her­kunfts­län­dern der Zuge­wan­der­ten zusammen.

So ver­zeich­ne­te die Schweiz seit Beginn des 21. Jahr­hun­derts einen star­ken Anstieg des Wanderungs­saldos, der sich sowohl durch die höhe­re Zahl der Ein­wan­dern­den in die Schweiz (in der Spit­ze +180 000 Per­so­nen im Jahr 2008, danach eine Sta­bi­li­sie­rung bei rund 160 000) als auch durch die Sta­bi­li­sie­rung der Zahl der Aus­wan­dern­den bei 80 000 bis 100 000 Per­so­nen pro Jahr erklärt. Der dar­aus resul­tie­ren­de Wan­de­rungs­sal­do, der 2008 nahe­zu 100 000 Per­so­nen und zwi­schen 2013 und 2016 fast 80 000 Per­so­nen erreich­te, lag damit prak­tisch auf dem Niveau von Mit­te der 1960er-Jah­re. Die Migra­ti­ons­strö­me zwi­schen der Schweiz und dem Aus­land sind jedoch nicht nur gestie­gen, son­dern haben sich auch in ihrer Zusam­men­set­zung ver­än­dert (Wan­ner 2014). Das Gol­de­ne Zeit­al­ter der Zuwan­de­rung nach dem Ende des Zwei­ten Welt­kriegs war durch die Ankunft von eher gering qua­li­fi­zier­ten Arbeits­kräf­ten gekenn­zeich­net, die haupt­säch­lich im Bau­sek­tor (spe­zi­ell bei den gros­sen Stras­sen­bau- und Infra­struk­tur­pro­jek­ten wie Stau­mau­ern, Tun­nel­bau­ten usw.), in der Land­wirt­schaft, in der Indus­trie und in der Tou­ris­mus­bran­che eine Anstel­lung fan­den. Dage­gen beob­ach­te­te man in jüngs­ter Zeit eine star­ke Ent­wick­lung bei der hoch­qua­li­fi­zier­ten Zuwan­de­rung in Tätig­keits­fel­dern mit einer hohen Wertschöpfung.

Vor die­sem Hin­ter­grund ana­ly­siert die­ser Arti­kel die Ent­wick­lung der Zusam­men­set­zung der Migra­ti­ons­strö­me in die Schweiz in den letz­ten 25 Jah­ren unter dem Aspekt des Bil­dungs­ni­veaus. Dar­über hin­aus beschreibt er eini­ge Merk­ma­le hoch­qua­li­fi­zier­ter Migran­tin­nen und Migran­ten und zeigt auf, wel­che Rol­le der Arbeits­markt bei die­ser Zuwan­de­rung spielt. Die Ana­ly­sen stüt­zen sich auf Ori­gi­nal­da­ten, die im Rah­men eines natio­na­len For­schungs­pro­jekts zu Migra­ti­on, des NCCR On the Move, erho­ben wurden.

Neue Daten zu den Qualifikationen der Zugewanderten

Für unse­re Ana­ly­se wur­den zwei Arten von neue­ren Daten ver­wen­det. Die Struk­tur­er­he­bun­gen (SE) in Kom­bi­na­ti­on mit der Sta­tis­tik der Bevöl­ke­rung (STATPOP): Seit 2010 wer­den im Rah­men der SE jedes Jahr über 200 000 Per­so­nen nach dem Zufalls­prin­zip aus­ge­wählt und zu ihrem sozio­öko­no­mi­schen Sta­tus befragt (Bil­dungs­ni­veau, Erwerbs­sta­tus, Beruf usw.). In Ver­bin­dung mit den umfas­sen­den Daten der STATPOP (erstellt im Rah­men des NCCR On the Move, cf. Stei­ner und Wan­ner 2015), die Auf­schluss über den Migra­ti­ons­sta­tus (Datum der Ein­rei­se in die Schweiz) geben, lie­fern die Struk­tur­er­he­bun­gen die Ver­tei­lung des Bil­dungs­ni­veaus der Zuge­wan­der­ten nach dem Ein­wan­de­rungs­jahr. Das Bil­dungs­ni­veau wird in drei Kate­go­rien unter­teilt: Sekun­dar­stu­fe I (obli­ga­to­ri­sche Schu­le oder all­ge­mein­bil­den­de Schu­le); Sekun­dar­stu­fe II (beruf­li­che Grund­aus­bil­dung, gym­na­sia­le Matu­ri­tät, Fach­ma­tu­ra); Ter­tiär­aus­bil­dung (Berufs­hoch­schu­le, Universität).

Auf­grund der Grös­se der Stich­pro­be und der Ver­füg­bar­keit der Daten haben wir nur die Ein­ge­wan­der­ten berück­sich­tigt, die zwi­schen 1991 und 2013 in die Schweiz ein­ge­reist sind. Dem­ge­gen­über umfas­sen die Daten der SE die Per­so­nen, die sich in der Schweiz auf­hal­ten, nicht aber jene Migran­tin­nen und Migran­ten, die zwi­schen 1991 und 2009 in die Schweiz ein­ge­wan­dert sind und das Land vor 2010 wie­der ver­las­sen haben. Die Rück­kehr­mi­gra­ti­on ist jedoch selek­tiv. Mit ande­ren Wor­ten: Die Rück­wan­de­rungs­quo­te vari­iert in Abhän­gig­keit vom Bil­dungs­ni­veau, wobei hoch­qua­li­fi­zier­te Per­so­nen die Schweiz schnel­ler wie­der ver­las­sen als gering qua­li­fi­zier­te Migran­ten. Aus die­sem Grund wur­de für die 2010 in die Schweiz ein­ge­wan­der­ten und nach ihrem Bil­dungs­stand klas­si­fi­zier­ten Migran­tin­nen und Migran­ten eine sta­tis­ti­sche Kor­rek­tur anhand eines Fak­tors vor­ge­nom­men, wel­cher der Wahr­schein­lich­keit, in der Schweiz zu blei­ben, Jahr für Jahr Rech­nung trägt[1].

Die Migra­ti­on-Mobi­li­ty Umfra­ge des NCCR On the Move[2]: Die­se im Herbst 2016 mit 6 000 Migran­ten durch­ge­führ­te Umfra­ge befrag­te Per­so­nen, die zwi­schen 2006 und 2016 im Erwach­se­nen­al­ter (18 Jah­re oder mehr) in die Schweiz ein­wan­der­ten und zum Zeit­punkt der Umfra­ge im erwerbs­fä­hi­gen Alter waren (24 bis 64 Jah­re). Elf natio­na­le Her­kunfts­grup­pen wur­den nach Kri­te­ri­en wie dem zwi­schen 2006 und 2016 beob­ach­te­ten Volu­men der Migra­ti­ons­strö­me, der Beherr­schung einer Befra­gungs­spra­che und den spe­zi­fi­schen Merk­ma­len der Migra­ti­ons­strö­me aus­ge­wählt: Deutsch­land, Öster­reich, Frank­reich, Ita­li­en, Spa­ni­en, Por­tu­gal, Ver­ei­nig­tes König­reich, Indi­en, Nord­ame­ri­ka, Süd­ame­ri­ka, West­afri­ka. Für jede Grup­pe wur­de eine Stich­pro­be von min­des­tens 400 Per­so­nen ent­we­der online oder tele­fo­nisch befragt. Die­se Umfra­ge gibt nicht nur Auf­schluss über die Häu­fig­keit der hochquali­fizierten Zuwan­de­rung, son­dern auch über bestimm­te Merk­ma­le der Zuge­wan­der­ten, ins­be­son­de­re über die Migrationsgründe.

Unterschiedliche Migrationstrends je nach Bildungsniveau

Im All­ge­mei­nen folgt der bei der Zuwan­de­rung der 20- bis 64-Jäh­ri­gen beob­ach­te­te Trend jenem der gesam­ten aus­län­di­schen Bevöl­ke­rung, mit einem deut­li­chen Rück­gang Mit­te der 1990er-Jah­re und einem star­ken Anstieg ab 2008. Die Gra­fik 1 zeigt die Zahl der Migran­tin­nen und Migran­ten im erwerbs­fä­hi­gen Alter (20–64 Jah­re), auf­ge­schlüs­selt nach dem Bil­dungs­ni­veau. Von 40 000 Ein­rei­sen im Jahr 1991 (d.h. 44 Pro­zent aller Ein­rei­sen) hal­bier­te sich die Zahl der Zuge­wan­der­ten mit einem Bil­dungs­ni­veau der Sekun­dar­stu­fe I und erreich­te zwi­schen 1997 und 2000 mit 20 000 Per­so­nen einen Tiefst­stand. Zu die­sem Zeit­punkt litt die Schweiz unter den Fol­gen der Wirt­schafts­kri­se im Bausektor.

Ab dem Jahr 2000 stieg die Zahl der Zuge­wan­der­ten mit einem Bil­dungs­ni­veau der Sekun­dar­stu­fe I leicht an und erreich­te einen ers­ten Höhe­punkt zur Zeit der Finanz­kri­se im Jahr 2008, die man­che Migran­tin­nen und Migran­ten aus den betrof­fe­nen Län­dern dazu bewog, in der Schweiz Arbeit zu suchen. Ein zwei­ter Höhe­punkt wur­de gegen 2012 regis­triert, hier ver­mut­lich auf­grund der guten Wirt­schafts­la­ge in der Schweiz und – wie wir spä­ter noch sehen wer­den – auf­grund der Schwie­rig­keit, auf dem loka­len Markt genü­gend Per­so­nal für Bran­chen zu fin­den, die nur sehr gerin­ge Qua­li­fi­ka­tio­nen erfor­dern. 2014 ver­füg­ten 20 Pro­zent der neu in die Schweiz ein­ge­reis­ten Per­so­nen über ein Bil­dungs­ni­veau der Sekun­dar­stu­fe I.

Grafik 1: Entwicklung der zuwandernden Bevölkerung im Alter von 20–64 Jahren in der Schweiz zwischen 1991–2014, nach Bildungsniveau

Quel­le: Eige­ne Schät­zung auf der Grund­la­ge der Daten der Struk­tur­er­he­bung und der STATPOP.

Die Zuwan­de­rung von Per­so­nen mit einem Bil­dungs­ni­veau der Sekun­dar­stu­fe II folg­te dem glei­chen Trend – mit einem Rück­gang (von etwas mehr als 20 000 Migran­ten oder 22 Pro­zent der Ein­rei­sen auf rund 10 000 Per­so­nen) am Ende des 20. Jahr­hun­derts, gefolgt von einem kon­ti­nu­ier­li­chen Anstieg mit einem Höhe­punkt im Jahr 2008. Die­se Zuwan­de­rung war in der Schweiz schon immer rela­tiv gering, da das Land dank der Berufs­leh­re über ein umfang­rei­ches loka­les Arbeits­kräf­te­an­ge­bot in den betref­fen­den Beru­fen verfügt.

Der zwi­schen 2000 und 2014 beob­ach­te­te Anstieg erklärt sich ver­mut­lich durch das Zusam­men­wir­ken ver­schie­de­ner Fak­to­ren, näm­lich: einer­seits dem Ein­tritt in den Ruhe­stand der Gebur­ten­jahr­gän­ge der 1940er-Jah­re, in denen eine Mehr­heit über eine Aus­bil­dung auf Sekun­dar­stu­fe II ver­füg­te und die es nun abzu­lö­sen galt; ande­rer­seits der all­ge­mei­nen Ver­bes­se­rung des Bil­dungs­ni­veaus in den Her­kunfts­län­dern (ins­be­son­de­re auf der Ibe­ri­schen Halb­in­sel, in Frank­reich und Deutsch­land), die zu einer Erhö­hung der Qua­li­fi­ka­tio­nen unter den zuge­wan­der­ten Arbeits­kräf­ten führ­te – und dies selbst für Stel­len, die grund­sätz­lich kei­ne hohen beruf­li­chen Kom­pe­ten­zen erfor­dern. Die Fol­ge war eine Dequa­li­fi­zie­rung der Migran­tin­nen und Migran­ten, indem die­se ein­fa­che Tätig­kei­ten über­nah­men (als Hand­lan­ger, Hilfs­kräf­te in der Land­wirt­schaft, Rei­ni­gungs­kräf­te usw.), für die sie über­qua­li­fi­ziert waren und für die ihnen ihre abge­schlos­se­ne Berufs­aus­bil­dung nicht von Nut­zen war (cf. zum Bei­spiel Peco­r­a­ro 2011). Rund 26 Pro­zent der 2014 regis­trier­ten Ein­rei­sen bezie­hen sich auf Per­so­nen mit einem Bil­dungs­ni­veau der Sekun­dar­stu­fe II.

Wie Gra­fik 1 zeigt, betraf die spek­ta­ku­lärs­te Ent­wick­lung im letz­ten Vier­tel­jahr­hun­dert den Anstieg der Zahl der Zuge­wan­der­ten mit einer Ter­tiär­bil­dung. Zwar ging ihre Zahl Mit­te der 1990er-Jah­re zunächst zurück, aller­dings weni­ger stark als bei den gerin­ger qua­li­fi­zier­ten Migran­tin­nen und Migran­ten, erhöh­te sich danach aber rasch von 30 000 im Jahr 1991 (33 Pro­zent aller Ein­rei­sen) auf 40 000 im Jahr 2000 und auf 70 000 im Jahr 2008. Danach pen­del­te sie sich zwi­schen 60 000 und 70 000 Per­so­nen pro Jahr ein, was 50 bis 54 Pro­zent der jähr­li­chen Ein­rei­sen entspricht.

Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte aus den Nachbarländern und aus Nicht-EU-Staaten

Die Zuwan­de­rung hoch­qua­li­fi­zier­ter Arbeits­kräf­te wird nicht für alle Her­kunfts­län­der und Regio­nen der Welt mit der glei­chen Inten­si­tät beob­ach­tet. Die Migra­ti­on-Mobi­li­ty Umfra­ge lie­fert dies­be­züg­lich eine inter­es­san­te Beschrei­bung der Migra­ti­ons­strö­me der jüngs­ten Zeit und zeigt, dass der Anteil der Per­so­nen mit einem Ter­tiär­ab­schluss zwi­schen den natio­na­len Her­kunfts­grup­pen erheb­lich vari­ie­ren kann (Gra­fik 2). So liegt der Anteil der hoch­qua­li­fi­zier­ten Migran­tin­nen und Migran­ten in der von der Umfra­ge erfass­ten Stich­pro­be bei den Zuge­wan­der­ten aus dem Ver­ei­nig­ten König­reich, Nord­ame­ri­ka und Indi­en bei über 90 Pro­zent. Dem­ge­gen­über beträgt ihr Anteil bei den Zuge­wan­der­ten aus Süd­ame­ri­ka 52 Pro­zent, bei Per­so­nen aus West­afri­ka 44 Pro­zent und bei jenen aus Por­tu­gal ledig­lich 24 Prozent.

Grafik 2: Verteilung des Bildungsniveaus der zwischen 2006 und 2016 in die Schweiz eingewanderten Personen

Quel­le: Migra­ti­on-Mobi­li­ty Sur­vey, NCCR On the Move 2016. Gewich­te­te Daten.

Die­se anhand einer Umfra­ge ermit­tel­ten Antei­le kön­nen auf­grund der Tat­sa­che, dass sich hoch­qua­li­fi­zier­te Per­so­nen im All­ge­mei­nen eher an einer Befra­gung betei­li­gen als gering Qua­li­fi­zier­te, eine leich­te Fehl­ge­wich­tung auf­wei­sen. Die­se Fehl­ge­wich­tung wird in unse­rem Fall jedoch als gering­fü­gig beur­teilt, haupt­säch­lich auf­grund der Befra­gungs­me­tho­de, wel­che dar­auf aus­ge­legt war, eine mög­lichst hohe Abde­ckung zu errei­chen (Über­set­zung in sechs Spra­chen; Mög­lich­keit, tele­fo­nisch oder online zu ant­wor­ten)[3].

Bei den Migran­ten aus der süd­li­chen Hemi­sphä­re mögen die Antei­le mit Blick auf die Tat­sa­che, dass die Migra­ti­ons­po­li­tik bei der Zuwan­de­rung aus Nicht-EU-Staa­ten hoch­qua­li­fi­zier­te Fach­kräf­te klar bevor­zugt, gering erschei­nen. Sie las­sen sich durch den Umstand erklä­ren, dass die Zuwan­de­rung im Rah­men des Fami­li­en­nach­zugs, wel­che kei­nen direk­ten Bezug zum Bil­dungs­ni­veau hat, in die­sen Gemein­schaf­ten oft eine wesent­li­che Rol­le spielt. Dem­ge­gen­über han­delt es sich bei den aus Nord­ame­ri­ka in die Schweiz ein­ge­wan­der­ten Per­so­nen in der Regel um Fach­kräf­te mit hohen Qua­li­fi­ka­tio­nen, was auf eine selek­ti­ve Zuwan­de­rung schlies­sen lässt, die Per­so­nen mit einem hohen Bil­dungs­ni­veau bes­se­re Mög­lich­kei­ten bietet.

Im Fall von Por­tu­gal erfolgt die Selek­ti­on jedoch in die umge­kehr­te Rich­tung, da Per­so­nen mit einem Bil­dungs­ni­veau auf Sekun­dar­stu­fe unter den Zuge­wan­der­ten in die Schweiz im Ver­gleich zu den im Her­kunfts­land ver­blie­be­nen Per­so­nen über­ver­tre­ten sind. Der Grund für die­se Beson­der­heit gegen­über ande­ren Her­kunfts­grup­pen, bei denen der Anteil der Migran­tin­nen und Migran­ten mit Ter­tiär­bil­dung höher ist als in der Bevöl­ke­rung der jewei­li­gen Her­kunfts­län­der, ist in der nach wie vor gros­sen Nach­fra­ge nach Arbeits­kräf­ten mit mitt­le­rer oder gerin­ger Qua­li­fi­ka­ti­on in bestimm­ten Bran­chen der Schwei­zer Wirt­schaft zu suchen.

Wich­tig ist zudem die Fest­stel­lung, dass bei der Zusam­men­set­zung der Migra­ti­ons­strö­me aus bestimm­ten Län­dern in den letz­ten Jah­ren tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen zu beob­ach­ten waren. Dies trifft ins­be­son­de­re auf die Ein­ge­wan­der­ten aus Spa­ni­en und Ita­li­en zu, von denen heu­te über 50 Pro­zent hoch­qua­li­fi­ziert sind, wäh­rend die­se Migra­ti­ons­strö­me in der Ver­gan­gen­heit aus eher gering qua­li­fi­zier­ten Per­so­nen bestanden.

Der Arbeitsmarkt als wichtigster Treiber der hochqualifizierten Zuwanderung

Haupt­grund für die star­ke Zuwan­de­rung hoch­qua­li­fi­zier­ter Arbeits­kräf­te ist die Nach­fra­ge auf dem Schwei­zer Arbeits­markt. Ein Fokus auf die in jüngs­ter Zeit in die­sem Bereich zu beob­ach­ten­den Ver­än­de­run­gen bestä­tigt die­se Fest­stel­lung (sie­he Tabel­le 1). Im Zeit­raum von 2010 bis 2013 ver­zeich­ne­te der Schwei­zer Arbeits­markt einen Rück­gang der erwerbs­tä­ti­gen Per­so­nen mit einem Bil­dungs­ni­veau der Sekun­dar­stu­fe I (-15 000 oder ‑2,5 Pro­zent) und der Sekun­dar­stu­fe II (-50 000 oder ‑2,5 Pro­zent). Im glei­chen Zeit­raum erhöh­te sich die Zahl der Arbeits­plät­ze, die von Per­so­nen mit einer Ter­tiär­bil­dung besetzt waren, um über 160 000 (+13 Pro­zent). Die­ser rasche Anstieg der Ter­tiär­kom­pe­ten­zen konn­te mit den in der Schweiz aus­ge­bil­de­ten neu­en Genera­tio­nen nicht gedeckt wer­den, da die Zahl der in den Arbeits­markt ein­tre­ten­den ein­hei­mi­schen Hoch­schul­ab­sol­ven­ten um ledig­lich 115 000 Per­so­nen höher war als die Zahl der aus Alters­grün­den aus dem Markt aus­schei­den­den Hoch­schul­ab­sol­ven­ten (Wan­ner et al. (2016), sie­he auch Stei­ner und Fib­bi (2016)). Der Rück­griff auf zuge­wan­der­te aus­län­di­sche Fach­kräf­te war daher ein logi­scher Schritt, um die Nach­fra­ge am Arbeits­markt zu befriedigen.

Die Gra­fik 3 zeigt denn auch, dass mit Aus­nah­me der Migran­tin­nen und Migran­ten aus West­afri­ka und Süd­ame­ri­ka über die Hälf­te der in jüngs­ter Zeit zuge­wan­der­ten Per­so­nen mit einem Ter­tiär­ab­schluss bereits vor ihrer Ein­rei­se einen Arbeits­ver­trag oder ein Arbeits­an­ge­bot besas­sen. In allen Herkunfts­gruppen ist der Anteil der Män­ner höher, was auf eine fami­li­en­ori­en­tier­te Migra­ti­ons­stra­te­gie hin­deu­tet, in der die Frau­en ihrem Ehemann/Partner in die Schweiz fol­gen, ohne schon vor der Ein­rei­se eine Arbeits­stel­le zu suchen.

Grafik 3: Anteil der Zuwandernden mit einer Tertiärbildung, die mit einem Arbeitsvertrag in die Schweiz einreisten, nach Geschlecht und Herkunftsland

Quel­le: Migra­ti­on-Mobi­li­ty Sur­vey, NCCR On the Move 2016. Gewich­te­te Daten.

Ange­sichts der hohen Mobi­li­tät der hoch­qua­li­fi­zier­ten Arbeits­kräf­te, die oft dazu nei­gen, die Schweiz nach eini­gen Mona­ten oder Jah­ren wie­der zu verlassen(Steiner 2018), hat die Zuwan­de­rung aus dem Aus­land bei der Befrie­di­gung der Arbeits­markt­nach­fra­ge indes eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le gespielt, da sie zwi­schen 2010 und 2013 weni­ger als 30 Pro­zent der Nach­fra­ge nach Fach­kräf­ten mit Ter­tiär­aus­bil­dung zu decken ver­moch­te. Neue Genera­tio­nen von jun­gen ein­hei­mi­schen Arbeits­kräf­ten, die bes­ser qua­li­fi­ziert sind als frü­he­re Genera­tio­nen, haben dies­be­züg­lich den gröss­ten Bei­trag geleistet.

Fer­ner ist anzu­mer­ken, dass infol­ge der Zuwan­de­rung auch die Ero­si­on des Arbeits­kräf­te­pools mit einem Bil­dungs­ni­veau der Sekun­dar­stu­fe I und II ver­rin­gert wur­de, da auf die­se Wei­se die Abgän­ge der in den Ruhe­stand tre­ten­den Genera­tio­nen von loka­len Arbeit­neh­men­den mit mitt­le­rer und gerin­ger Qua­li­fi­ka­ti­on teil­wei­se kom­pen­siert wur­den (Tabel­le 1). Hier erge­ben sich denn auch Mög­lich­kei­ten für die Zuwan­de­rung von Arbeits­kräf­ten mit mitt­le­rer oder gerin­ger Qua­li­fi­ka­ti­on, da die­se Tätig­kei­ten über­neh­men, die von Schwei­zer Frau­en und Män­nern gemie­den wer­den. Die­se Mög­lich­kei­ten wer­den teil­wei­se von Migran­ten aus Por­tu­gal, all­ge­mei­ner aber auch von man­chen Zuwan­de­rern aus Süd­ame­ri­ka, West­afri­ka sowie den Nach­bar­län­dern genutzt.

Schlussfolgerung

Die hoch­qua­li­fi­zier­te Zuwan­de­rung zeigt eine spek­ta­ku­lä­re Ent­wick­lung und hat sich zwi­schen 1991 und 2014 mehr als ver­dop­pelt. Ins­be­son­de­re Ein­wan­dern­de aus dem Ver­ei­nig­ten König­reich, Nord­ame­ri­ka und Indi­en ver­fü­gen im Gegen­satz zu Migran­tin­nen und Migran­ten aus Por­tu­gal, West­afri­ka oder Süd­ame­ri­ka über eine Ter­tiär­aus­bil­dung. Die­se Zuwan­de­rung erklärt sich haupt­säch­lich durch die Arbeits­kräf­te­nach­fra­ge, die durch die neu­en Genera­tio­nen der ins Erwerbs­le­ben ein­tre­ten­den ein­hei­mi­schen Arbeits­kräf­te nicht befrie­digt wer­den konnte.

Öko­nom­in­nen und Öko­no­men wei­sen nahe­zu ein­hel­lig auf die Wich­tig­keit einer qua­li­fi­zier­ten Zuwan­de­rung für die Stei­ge­rung der Wert­schöp­fung hin. Gemäss Nathan (2014) wur­de in meh­re­ren Stu­di­en nach­ge­wie­sen, dass hoch­qua­li­fi­zier­te Zuwan­dern­de auf­grund ihres Inno­va­ti­ons­geis­tes und ihrer unter­neh­me­ri­schen Hal­tung in Wis­sen­schaft und Tech­no­lo­gie einen signi­fi­kan­ten Bei­trag leis­ten. Wadhwa et al. (2008) bestä­ti­gen die­se Rol­le der hoch­qua­li­fi­zier­ten Zuwan­dern­den als trei­ben­de Kraft bei Inno­va­tio­nen wie auch bei Fir­men­grün­dun­gen in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Mit ande­ren Wor­ten: Die Anwe­sen­heit die­ser Zuge­wan­der­ten kann zum Wirt­schafts­wachs­tum und zur Inno­va­ti­ons­kraft des Lan­des bei­tra­gen. Selbst wenn es schwie­rig ist, die Aus­wir­kun­gen der Zuwan­de­rung auf die Wirt­schaft genau zu bezif­fern, tra­gen die hoch­qua­li­fi­zier­ten Migra­ti­ons­strö­me der letz­ten Jah­re zwei­fel­los zum wirt­schaft­li­chen Auf­schwung bei, der in der Schweiz zu Beginn des 21. Jahr­hun­derts zu beob­ach­ten war.


Refe­renz:

 


[1] Zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen zu die­sem Ansatz sind bei den Autoren ver­füg­bar. In die­sem Zusam­men­hang sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das Staats­se­kre­ta­ri­at für Wirt­schaft (SECO) in einer kürz­lich vor­ge­leg­ten Stu­die den glei­chen Ansatz ver­wen­det hat, um die Zuwan­dern­den nach dem Bil­dungs­ni­veau auf­zu­schlüs­seln, hier aller­dings auf der Grund­la­ge der Schwei­ze­ri­schen Arbeits­kräf­teer­he­bung (SAKE). Das SECO hat sich dabei auf die jüngs­te Ver­gan­gen­heit beschränkt und die­sen Selek­ti­ons­ef­fekt daher nicht berücksichtigt.

(Quel­le, kon­sul­tiert am 04. Juli 2018). Da wir die Trends über einen Zeit­raum von 25 Jah­ren auf­zei­gen möch­ten, hal­ten wir eine sta­tis­ti­sche Kor­rek­tur für unerlässlich.

[2]Migra­ti­on-Mobi­li­ty Sur­vey, NCCR On the Move, kon­sul­tiert am 04. Juli 2018.

[3] Die­se Zah­len decken sich mit den Ergeb­nis­sen, die das Obser­va­to­ri­um zum Frei­zü­gig­keits­ab­kom­men Schweiz – EU ver­öf­fent­licht hat (2018). Letz­te­re basie­ren auf der Schwei­ze­ri­schen Arbeits­kräf­teer­he­bung und zei­gen, dass „von den Erwerbs­tä­ti­gen, die im Rah­men des Frei­zü­gig­keits­ab­kom­mens ein­ge­wan­dert sind, 54 Pro­zent über eine Hoch­schul­bil­dung ver­fü­gen; der ent­spre­chen­de Anteil liegt für Zuwan­de­rer aus Frank­reich bei 70 Pro­zent, für Deutsch­land bei 63 Pro­zent, für Ita­li­en bei 50 Pro­zent und für Por­tu­gal bei 13 Pro­zent.“ Sie­he Quel­le, kon­sul­tiert am 04. Juli 2018.


Biblio­gra­phie:

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Bild: rawpixel.com

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