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Ein spektakulärer Anstieg der hochqualifizierten Zuwanderung in die Schweiz

Ilka Steiner, Philippe Wanner
20th November 2018

In den letzten Jahren hat die Schweiz eine starke Zunahme der Migrationsströme erlebt, die mit einer Veränderung des Bildungsniveaus der Einwandernden einherging. In der Vergangenheit waren diese neuen Realitäten aufgrund fehlender Daten schwer bezifferbar. Vorliegender Artikel beschreibt auf der Basis neuer Daten die Entwicklung der Zusammensetzung der Migrationsströme in die Schweiz unter dem Aspekt des Bildungsniveaus und untersucht die Rolle des Arbeitsmarktes im Kontext dieser Migration.

Die Arbeitsmärkte der westeuropäischen Länder waren in den letzten Jahren von tiefgreifenden Veränderungen geprägt: Einerseits haben viele Volkswirtschaften eine Tertiarisierung ihrer Aktivitäten und eine zunehmende Spezialisierung erfahren (cf. zum Beispiel Eljim 2013), die zu einer höheren Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften und einem entsprechenden Rückgang des Bedarfs an Arbeitskräften mit mittlerer und niedriger Qualifikation führten. Andererseits haben die Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit und die damit verbundene Auslagerung bestimmter Sektoren mit geringer Wertschöpfung dazu beigetragen, dass sich der Personalbedarf in der Industrie verringert hat. Zudem haben sich in den dynamischsten Regionen und Agglomerationen Kompetenzzentren entwickelt, was ebenfalls zu einschneidenden Veränderungen am Arbeitsmarkt führte. In diesem allgemeinen Umfeld trug die Politik der Personenfreizügigkeit (in Europa im Rahmen des Vertrags von Rom, in Nordamerika im Rahmen des NAFTA) zur Entstehung eines globalen Arbeitsmarktes bei, eine Entwicklung, die durch die zunehmende Verbreitung von Stellenangeboten im Internet begünstigt wurde.

Zunehmende Spezialisierung der Schweiz

Die Schweiz ist von diesen Veränderungen in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt in besonderem Masse betroffen. Das Land hat sich zunehmend spezialisiert – mit der Entwicklung zahlreicher Kompetenzzentren wie der Pharmaindustrie in der Region Basel, dem Banken- oder Informatiksektor in Zürich oder den Finanzdienstleistern, Rohstoffhandelsunternehmen und internationalen Organi­sationen in Genf (Steiner et Wanner 2011). Günstige Rahmenbedingungen (Sicherheit, attraktiver Lebensraum, Steuern usw.) haben zum wirtschaftlichen Aufschwung in diesen Regionen ebenso beigetragen wie die Ansiedlung von multinationalen Unternehmen, internationalen Organisationen und Fachkräften. Die Entwicklung der Migrationsströme hängt natürlich auch mit dem politischen Umfeld in unserem Land (insbesondere mit der Ratifizierung der Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union) sowie mit dem Gefälle bei der Wirtschaftsleistung zwischen der Schweiz und den Herkunftsländern der Zugewanderten zusammen.

So verzeichnete die Schweiz seit Beginn des 21. Jahrhunderts einen starken Anstieg des Wanderungs­saldos, der sich sowohl durch die höhere Zahl der Einwandernden in die Schweiz (in der Spitze +180 000 Personen im Jahr 2008, danach eine Stabilisierung bei rund 160 000) als auch durch die Stabilisierung der Zahl der Auswandernden bei 80 000 bis 100 000 Personen pro Jahr erklärt. Der daraus resultierende Wanderungssaldo, der 2008 nahezu 100 000 Personen und zwischen 2013 und 2016 fast 80 000 Personen erreichte, lag damit praktisch auf dem Niveau von Mitte der 1960er-Jahre. Die Migrationsströme zwischen der Schweiz und dem Ausland sind jedoch nicht nur gestiegen, sondern haben sich auch in ihrer Zusammensetzung verändert (Wanner 2014). Das Goldene Zeitalter der Zuwanderung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war durch die Ankunft von eher gering qualifizierten Arbeitskräften gekennzeichnet, die hauptsächlich im Bausektor (speziell bei den grossen Strassenbau- und Infrastrukturprojekten wie Staumauern, Tunnelbauten usw.), in der Landwirtschaft, in der Industrie und in der Tourismusbranche eine Anstellung fanden. Dagegen beobachtete man in jüngster Zeit eine starke Entwicklung bei der hochqualifizierten Zuwanderung in Tätigkeitsfeldern mit einer hohen Wertschöpfung.

Vor diesem Hintergrund analysiert dieser Artikel die Entwicklung der Zusammensetzung der Migrationsströme in die Schweiz in den letzten 25 Jahren unter dem Aspekt des Bildungsniveaus. Darüber hinaus beschreibt er einige Merkmale hochqualifizierter Migrantinnen und Migranten und zeigt auf, welche Rolle der Arbeitsmarkt bei dieser Zuwanderung spielt. Die Analysen stützen sich auf Originaldaten, die im Rahmen eines nationalen Forschungsprojekts zu Migration, des NCCR On the Move, erhoben wurden.

Neue Daten zu den Qualifikationen der Zugewanderten

Für unsere Analyse wurden zwei Arten von neueren Daten verwendet. Die Strukturerhebungen (SE) in Kombination mit der Statistik der Bevölkerung (STATPOP): Seit 2010 werden im Rahmen der SE jedes Jahr über 200 000 Personen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und zu ihrem sozioökonomischen Status befragt (Bildungsniveau, Erwerbsstatus, Beruf usw.). In Verbindung mit den umfassenden Daten der STATPOP (erstellt im Rahmen des NCCR On the Move, cf. Steiner und Wanner 2015), die Aufschluss über den Migrationsstatus (Datum der Einreise in die Schweiz) geben, liefern die Strukturerhebungen die Verteilung des Bildungsniveaus der Zugewanderten nach dem Einwanderungsjahr. Das Bildungsniveau wird in drei Kategorien unterteilt: Sekundarstufe I (obligatorische Schule oder allgemeinbildende Schule); Sekundarstufe II (berufliche Grundausbildung, gymnasiale Maturität, Fachmatura); Tertiärausbildung (Berufshochschule, Universität).

Aufgrund der Grösse der Stichprobe und der Verfügbarkeit der Daten haben wir nur die Eingewanderten berücksichtigt, die zwischen 1991 und 2013 in die Schweiz eingereist sind. Demgegenüber umfassen die Daten der SE die Personen, die sich in der Schweiz aufhalten, nicht aber jene Migrantinnen und Migranten, die zwischen 1991 und 2009 in die Schweiz eingewandert sind und das Land vor 2010 wieder verlassen haben. Die Rückkehrmigration ist jedoch selektiv. Mit anderen Worten: Die Rückwanderungsquote variiert in Abhängigkeit vom Bildungsniveau, wobei hochqualifizierte Personen die Schweiz schneller wieder verlassen als gering qualifizierte Migranten. Aus diesem Grund wurde für die 2010 in die Schweiz eingewanderten und nach ihrem Bildungsstand klassifizierten Migrantinnen und Migranten eine statistische Korrektur anhand eines Faktors vorgenommen, welcher der Wahrscheinlichkeit, in der Schweiz zu bleiben, Jahr für Jahr Rechnung trägt[1].

Die Migration-Mobility Umfrage des NCCR On the Move[2]: Diese im Herbst 2016 mit 6 000 Migranten durchgeführte Umfrage befragte Personen, die zwischen 2006 und 2016 im Erwachsenenalter (18 Jahre oder mehr) in die Schweiz einwanderten und zum Zeitpunkt der Umfrage im erwerbsfähigen Alter waren (24 bis 64 Jahre). Elf nationale Herkunftsgruppen wurden nach Kriterien wie dem zwischen 2006 und 2016 beobachteten Volumen der Migrationsströme, der Beherrschung einer Befragungssprache und den spezifischen Merkmalen der Migrationsströme ausgewählt: Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Vereinigtes Königreich, Indien, Nordamerika, Südamerika, Westafrika. Für jede Gruppe wurde eine Stichprobe von mindestens 400 Personen entweder online oder telefonisch befragt. Diese Umfrage gibt nicht nur Aufschluss über die Häufigkeit der hochquali­fizierten Zuwanderung, sondern auch über bestimmte Merkmale der Zugewanderten, insbesondere über die Migrationsgründe.

Unterschiedliche Migrationstrends je nach Bildungsniveau

Im Allgemeinen folgt der bei der Zuwanderung der 20- bis 64-Jährigen beobachtete Trend jenem der gesamten ausländischen Bevölkerung, mit einem deutlichen Rückgang Mitte der 1990er-Jahre und einem starken Anstieg ab 2008. Die Grafik 1 zeigt die Zahl der Migrantinnen und Migranten im erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre), aufgeschlüsselt nach dem Bildungsniveau. Von 40 000 Einreisen im Jahr 1991 (d.h. 44 Prozent aller Einreisen) halbierte sich die Zahl der Zugewanderten mit einem Bildungsniveau der Sekundarstufe I und erreichte zwischen 1997 und 2000 mit 20 000 Personen einen Tiefststand. Zu diesem Zeitpunkt litt die Schweiz unter den Folgen der Wirtschaftskrise im Bausektor.

Ab dem Jahr 2000 stieg die Zahl der Zugewanderten mit einem Bildungsniveau der Sekundarstufe I leicht an und erreichte einen ersten Höhepunkt zur Zeit der Finanzkrise im Jahr 2008, die manche Migrantinnen und Migranten aus den betroffenen Ländern dazu bewog, in der Schweiz Arbeit zu suchen. Ein zweiter Höhepunkt wurde gegen 2012 registriert, hier vermutlich aufgrund der guten Wirtschaftslage in der Schweiz und – wie wir später noch sehen werden – aufgrund der Schwierigkeit, auf dem lokalen Markt genügend Personal für Branchen zu finden, die nur sehr geringe Qualifikationen erfordern. 2014 verfügten 20 Prozent der neu in die Schweiz eingereisten Personen über ein Bildungsniveau der Sekundarstufe I.

Grafik 1: Entwicklung der zuwandernden Bevölkerung im Alter von 20-64 Jahren in der Schweiz zwischen 1991-2014, nach Bildungsniveau

Quelle: Eigene Schätzung auf der Grundlage der Daten der Strukturerhebung und der STATPOP.

Die Zuwanderung von Personen mit einem Bildungsniveau der Sekundarstufe II folgte dem gleichen Trend – mit einem Rückgang (von etwas mehr als 20 000 Migranten oder 22 Prozent der Einreisen auf rund 10 000 Personen) am Ende des 20. Jahrhunderts, gefolgt von einem kontinuierlichen Anstieg mit einem Höhepunkt im Jahr 2008. Diese Zuwanderung war in der Schweiz schon immer relativ gering, da das Land dank der Berufslehre über ein umfangreiches lokales Arbeitskräfteangebot in den betreffenden Berufen verfügt.

Der zwischen 2000 und 2014 beobachtete Anstieg erklärt sich vermutlich durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren, nämlich: einerseits dem Eintritt in den Ruhestand der Geburtenjahrgänge der 1940er-Jahre, in denen eine Mehrheit über eine Ausbildung auf Sekundarstufe II verfügte und die es nun abzulösen galt; andererseits der allgemeinen Verbesserung des Bildungsniveaus in den Herkunftsländern (insbesondere auf der Iberischen Halbinsel, in Frankreich und Deutschland), die zu einer Erhöhung der Qualifikationen unter den zugewanderten Arbeitskräften führte – und dies selbst für Stellen, die grundsätzlich keine hohen beruflichen Kompetenzen erfordern. Die Folge war eine Dequalifizierung der Migrantinnen und Migranten, indem diese einfache Tätigkeiten übernahmen (als Handlanger, Hilfskräfte in der Landwirtschaft, Reinigungskräfte usw.), für die sie überqualifiziert waren und für die ihnen ihre abgeschlossene Berufsausbildung nicht von Nutzen war (cf. zum Beispiel Pecoraro 2011). Rund 26 Prozent der 2014 registrierten Einreisen beziehen sich auf Personen mit einem Bildungsniveau der Sekundarstufe II.

Wie Grafik 1 zeigt, betraf die spektakulärste Entwicklung im letzten Vierteljahrhundert den Anstieg der Zahl der Zugewanderten mit einer Tertiärbildung. Zwar ging ihre Zahl Mitte der 1990er-Jahre zunächst zurück, allerdings weniger stark als bei den geringer qualifizierten Migrantinnen und Migranten, erhöhte sich danach aber rasch von 30 000 im Jahr 1991 (33 Prozent aller Einreisen) auf 40 000 im Jahr 2000 und auf 70 000 im Jahr 2008. Danach pendelte sie sich zwischen 60 000 und 70 000 Personen pro Jahr ein, was 50 bis 54 Prozent der jährlichen Einreisen entspricht.

Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte aus den Nachbarländern und aus Nicht-EU-Staaten

Die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte wird nicht für alle Herkunftsländer und Regionen der Welt mit der gleichen Intensität beobachtet. Die Migration-Mobility Umfrage liefert diesbezüglich eine interessante Beschreibung der Migrationsströme der jüngsten Zeit und zeigt, dass der Anteil der Personen mit einem Tertiärabschluss zwischen den nationalen Herkunftsgruppen erheblich variieren kann (Grafik 2). So liegt der Anteil der hochqualifizierten Migrantinnen und Migranten in der von der Umfrage erfassten Stichprobe bei den Zugewanderten aus dem Vereinigten Königreich, Nordamerika und Indien bei über 90 Prozent. Demgegenüber beträgt ihr Anteil bei den Zugewanderten aus Südamerika 52 Prozent, bei Personen aus Westafrika 44 Prozent und bei jenen aus Portugal lediglich 24 Prozent.

Grafik 2: Verteilung des Bildungsniveaus der zwischen 2006 und 2016 in die Schweiz eingewanderten Personen

Quelle: Migration-Mobility Survey, NCCR On the Move 2016. Gewichtete Daten.

Diese anhand einer Umfrage ermittelten Anteile können aufgrund der Tatsache, dass sich hochqualifizierte Personen im Allgemeinen eher an einer Befragung beteiligen als gering Qualifizierte, eine leichte Fehlgewichtung aufweisen. Diese Fehlgewichtung wird in unserem Fall jedoch als geringfügig beurteilt, hauptsächlich aufgrund der Befragungsmethode, welche darauf ausgelegt war, eine möglichst hohe Abdeckung zu erreichen (Übersetzung in sechs Sprachen; Möglichkeit, telefonisch oder online zu antworten)[3].

Bei den Migranten aus der südlichen Hemisphäre mögen die Anteile mit Blick auf die Tatsache, dass die Migrationspolitik bei der Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten hochqualifizierte Fachkräfte klar bevorzugt, gering erscheinen. Sie lassen sich durch den Umstand erklären, dass die Zuwanderung im Rahmen des Familiennachzugs, welche keinen direkten Bezug zum Bildungsniveau hat, in diesen Gemeinschaften oft eine wesentliche Rolle spielt. Demgegenüber handelt es sich bei den aus Nordamerika in die Schweiz eingewanderten Personen in der Regel um Fachkräfte mit hohen Qualifikationen, was auf eine selektive Zuwanderung schliessen lässt, die Personen mit einem hohen Bildungsniveau bessere Möglichkeiten bietet.

Im Fall von Portugal erfolgt die Selektion jedoch in die umgekehrte Richtung, da Personen mit einem Bildungsniveau auf Sekundarstufe unter den Zugewanderten in die Schweiz im Vergleich zu den im Herkunftsland verbliebenen Personen übervertreten sind. Der Grund für diese Besonderheit gegenüber anderen Herkunftsgruppen, bei denen der Anteil der Migrantinnen und Migranten mit Tertiärbildung höher ist als in der Bevölkerung der jeweiligen Herkunftsländer, ist in der nach wie vor grossen Nachfrage nach Arbeitskräften mit mittlerer oder geringer Qualifikation in bestimmten Branchen der Schweizer Wirtschaft zu suchen.

Wichtig ist zudem die Feststellung, dass bei der Zusammensetzung der Migrationsströme aus bestimmten Ländern in den letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen zu beobachten waren. Dies trifft insbesondere auf die Eingewanderten aus Spanien und Italien zu, von denen heute über 50 Prozent hochqualifiziert sind, während diese Migrationsströme in der Vergangenheit aus eher gering qualifizierten Personen bestanden.

Der Arbeitsmarkt als wichtigster Treiber der hochqualifizierten Zuwanderung

Hauptgrund für die starke Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte ist die Nachfrage auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Ein Fokus auf die in jüngster Zeit in diesem Bereich zu beobachtenden Veränderungen bestätigt diese Feststellung (siehe Tabelle 1). Im Zeitraum von 2010 bis 2013 verzeichnete der Schweizer Arbeitsmarkt einen Rückgang der erwerbstätigen Personen mit einem Bildungsniveau der Sekundarstufe I (-15 000 oder -2,5 Prozent) und der Sekundarstufe II (-50 000 oder -2,5 Prozent). Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Arbeitsplätze, die von Personen mit einer Tertiärbildung besetzt waren, um über 160 000 (+13 Prozent). Dieser rasche Anstieg der Tertiärkompetenzen konnte mit den in der Schweiz ausgebildeten neuen Generationen nicht gedeckt werden, da die Zahl der in den Arbeitsmarkt eintretenden einheimischen Hochschulabsolventen um lediglich 115 000 Personen höher war als die Zahl der aus Altersgründen aus dem Markt ausscheidenden Hochschulabsolventen (Wanner et al. (2016), siehe auch Steiner und Fibbi (2016)). Der Rückgriff auf zugewanderte ausländische Fachkräfte war daher ein logischer Schritt, um die Nachfrage am Arbeitsmarkt zu befriedigen.

Die Grafik 3 zeigt denn auch, dass mit Ausnahme der Migrantinnen und Migranten aus Westafrika und Südamerika über die Hälfte der in jüngster Zeit zugewanderten Personen mit einem Tertiärabschluss bereits vor ihrer Einreise einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsangebot besassen. In allen Herkunfts­gruppen ist der Anteil der Männer höher, was auf eine familienorientierte Migrationsstrategie hindeutet, in der die Frauen ihrem Ehemann/Partner in die Schweiz folgen, ohne schon vor der Einreise eine Arbeitsstelle zu suchen.

Grafik 3: Anteil der Zuwandernden mit einer Tertiärbildung, die mit einem Arbeitsvertrag in die Schweiz einreisten, nach Geschlecht und Herkunftsland

Quelle: Migration-Mobility Survey, NCCR On the Move 2016. Gewichtete Daten.

Angesichts der hohen Mobilität der hochqualifizierten Arbeitskräfte, die oft dazu neigen, die Schweiz nach einigen Monaten oder Jahren wieder zu verlassen(Steiner 2018), hat die Zuwanderung aus dem Ausland bei der Befriedigung der Arbeitsmarktnachfrage indes eine untergeordnete Rolle gespielt, da sie zwischen 2010 und 2013 weniger als 30 Prozent der Nachfrage nach Fachkräften mit Tertiärausbildung zu decken vermochte. Neue Generationen von jungen einheimischen Arbeitskräften, die besser qualifiziert sind als frühere Generationen, haben diesbezüglich den grössten Beitrag geleistet.

Ferner ist anzumerken, dass infolge der Zuwanderung auch die Erosion des Arbeitskräftepools mit einem Bildungsniveau der Sekundarstufe I und II verringert wurde, da auf diese Weise die Abgänge der in den Ruhestand tretenden Generationen von lokalen Arbeitnehmenden mit mittlerer und geringer Qualifikation teilweise kompensiert wurden (Tabelle 1). Hier ergeben sich denn auch Möglichkeiten für die Zuwanderung von Arbeitskräften mit mittlerer oder geringer Qualifikation, da diese Tätigkeiten übernehmen, die von Schweizer Frauen und Männern gemieden werden. Diese Möglichkeiten werden teilweise von Migranten aus Portugal, allgemeiner aber auch von manchen Zuwanderern aus Südamerika, Westafrika sowie den Nachbarländern genutzt.

Schlussfolgerung

Die hochqualifizierte Zuwanderung zeigt eine spektakuläre Entwicklung und hat sich zwischen 1991 und 2014 mehr als verdoppelt. Insbesondere Einwandernde aus dem Vereinigten Königreich, Nordamerika und Indien verfügen im Gegensatz zu Migrantinnen und Migranten aus Portugal, Westafrika oder Südamerika über eine Tertiärausbildung. Diese Zuwanderung erklärt sich hauptsächlich durch die Arbeitskräftenachfrage, die durch die neuen Generationen der ins Erwerbsleben eintretenden einheimischen Arbeitskräfte nicht befriedigt werden konnte.

Ökonominnen und Ökonomen weisen nahezu einhellig auf die Wichtigkeit einer qualifizierten Zuwanderung für die Steigerung der Wertschöpfung hin. Gemäss Nathan (2014) wurde in mehreren Studien nachgewiesen, dass hochqualifizierte Zuwandernde aufgrund ihres Innovationsgeistes und ihrer unternehmerischen Haltung in Wissenschaft und Technologie einen signifikanten Beitrag leisten. Wadhwa et al. (2008) bestätigen diese Rolle der hochqualifizierten Zuwandernden als treibende Kraft bei Innovationen wie auch bei Firmengründungen in den Vereinigten Staaten. Mit anderen Worten: Die Anwesenheit dieser Zugewanderten kann zum Wirtschaftswachstum und zur Innovationskraft des Landes beitragen. Selbst wenn es schwierig ist, die Auswirkungen der Zuwanderung auf die Wirtschaft genau zu beziffern, tragen die hochqualifizierten Migrationsströme der letzten Jahre zweifellos zum wirtschaftlichen Aufschwung bei, der in der Schweiz zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu beobachten war.


Referenz:

 


[1] Zusätzliche Informationen zu diesem Ansatz sind bei den Autoren verfügbar. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in einer kürzlich vorgelegten Studie den gleichen Ansatz verwendet hat, um die Zuwandernden nach dem Bildungsniveau aufzuschlüsseln, hier allerdings auf der Grundlage der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE). Das SECO hat sich dabei auf die jüngste Vergangenheit beschränkt und diesen Selektionseffekt daher nicht berücksichtigt.

(Quelle, konsultiert am 04. Juli 2018). Da wir die Trends über einen Zeitraum von 25 Jahren aufzeigen möchten, halten wir eine statistische Korrektur für unerlässlich.

[2]Migration-Mobility Survey, NCCR On the Move, konsultiert am 04. Juli 2018.

[3] Diese Zahlen decken sich mit den Ergebnissen, die das Observatorium zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz – EU veröffentlicht hat (2018). Letztere basieren auf der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung und zeigen, dass „von den Erwerbstätigen, die im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens eingewandert sind, 54 Prozent über eine Hochschulbildung verfügen; der entsprechende Anteil liegt für Zuwanderer aus Frankreich bei 70 Prozent, für Deutschland bei 63 Prozent, für Italien bei 50 Prozent und für Portugal bei 13 Prozent.“ Siehe Quelle, konsultiert am 04. Juli 2018.


Bibliographie:

  • Eljim, K. (2013). Activité et emploi en Europe: bilan et perspectives. Espace populations sociétés. Space populations societies, (2013/3), 19–38.
  • Nathan, M. (2014). The wider economic impacts of high-skilled migrants: a survey of the literature for receiving countries. IZA Journal of Migration3(1), 4.
  • Pecoraro, M. (2011). Gender, brain waste and job-education mismatch among migrant workers in Switzerland. International migration paper No. 111. http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2294436
  • Steiner, I. (2018). Settlement or Mobility? Immigrants’ Re-migration Decision-Making Process in a High-Income Country Setting. Journal of International Migration and IntegrationArticle first online. doi:10.1007/s12134-018-0602-0
  • Steiner, I., & Fibbi, R. (2016). Démographie, formation tertiaire et migration qualifiée en Suisse. In M. Behrens & A. Bourgoz Froidevaux (Éd.), Réflexions sur l’avenir de l’éducation. Quelques jalons et perspectives (p. 53‑78). Neuchâtel: Institut de recherche et de documentation pédagogique – IRDP.
  • Steiner, I., & Wanner, P. (2011). Dimensions démographiques des flux migratoires récents en direction de la Suisse. La Vie économique20112, 8‑11.
  • Wadhwa, V., Saxenian, A., Rissing, B., & Gereffi, G. (2008). Skilled immigration and economic growth. Applied Research in Economic Development5(1), 6‑14.
  • Wanner, P. (2014). Une Suisse à dix millions d’habitants: enjeux et débats. Lausanne: Presses polytechniques universitaires romandes.
  • Wanner, P., Zufferey, J., & Fioretta, J. (2016). The impact of migratory flows on the Swiss labour market. A comparison between in-and outflows. Migration Letters13(3), 411–426.

 

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