4‑Jahresbilanz der kantonalen Wahlen

Bei den 26 kan­to­na­len Par­la­ments­wah­len nach den Natio­nal­rats­wah­len 2019 kön­nen zwei Ten­den­zen fest­ge­stellt wer­den. In den ers­ten drei Jah­ren leg­ten die Grü­nen und die Grün­li­be­ra­len zu, wäh­rend die Bun­des­rats­par­tei­en schwä­cher wur­den. Im aktu­el­len Jahr gewan­nen die SVP und die Grün­li­be­ra­len, wäh­rend die Grü­nen und die FDP verloren.

Zwei Tendenzen

Län­ger als bei frü­he­ren kan­to­na­len Par­la­ments­wah­len hall­te dies­mal das par­tei­po­li­ti­sche Mus­ter der Natio­nal­rats­wah­len nach. Drei Jah­re lang leg­ten Grü­ne und Grün­li­be­ra­le in fast allen Kan­to­nen stark zu; ins­ge­samt stei­ger­ten sie sich um 49 bzw. 47 Man­da­te. Wer­den noch die Wah­len von Grau­bün­den berück­sich­tigt, wo erst­mals nach Pro­porz gewählt wur­de, beträgt die Stei­ge­rung gar je 51 Man­da­te. Die Bun­des­rats­par­tei­en stan­den in die­sen drei Jah­ren alle mehr­heit­lich auf der Ver­lie­rer­sei­te, am stärks­ten die SP (-46 Man­da­te; mit Berück­sich­ti­gung von Grau­bün­den: ‑39), gefolgt von der FDP (-27 bzw. ‑36), der «Mit­te» (-24 bzw. ‑43) und der SVP (-19 bzw. ‑3).

Bei den kan­to­na­len Par­la­ments­wah­len im aktu­el­len Jahr (ZH, BL, GE, LU, TI, AR – ohne AI, wo kei­ne par­tei­po­li­ti­sche Zuord­nung der Man­da­te mög­lich ist) änder­ten sich aller­dings die Ten­den­zen etwas. Die SVP leg­te bei fast allen Wah­len Man­da­te zu (+13 Man­da­te) und die Grü­nen ver­lo­ren Man­da­te (-9). Die SP und die «Mit­te» ver­moch­ten sich zu sta­bi­li­sie­ren (per Sal­do: kei­ne Ver­lus­te). Wei­ter­hin auf der Sie­ger­stras­se blieb dage­gen die GLP (+8), wäh­rend die FDP wei­ter Man­da­te ver­lor (-11).

Ins­ge­samt sieht die Gesamt­bi­lanz der kan­to­na­len Par­la­ments­wah­len (inklu­si­ve Grau­bün­den) seit den letz­ten Natio­nal­rats­wah­len von 2019 wie folgt aus: Die gröss­ten Man­dats­ver­lus­te erlit­ten die FDP (-47), die «Mit­te» (-43) und die SP (-39). Mehr Man­da­te als vor vier Jah­ren haben die SVP (+10), die Grü­nen (+42) sowie die Grün­li­be­ra­len (+59).

Trotz ihrer beträcht­li­chen Ver­lus­te behal­ten die Bun­des­rats­par­tei­en in den Kan­tons­par­la­men­ten ihre star­ken Posi­tio­nen: Die SVP ist die stärks­te Par­tei und ver­fügt über 554 Man­da­te, die FDP (inkl. Libe­ra­le-BS) kommt auf 521. Die SP hat noch 438 Man­da­te inne und «Die Mit­te» 424. Die gros­sen Wahl­ge­win­ne­rin­nen der letz­ten Jah­re, die Grü­nen und die Grün­li­be­ra­len, kom­men auf 258 bzw. 157 Mandate.

Abbildung 1. Kantonale Parlamentswahlen 2020/2023 Parteistärken (±Veränderungen) in %

Quelle: Bundesamt für Statistik
Verluste von FDP, «Mitte» und SP

Prä­zi­ser als die Zahl der Man­da­te zeigt der kan­to­na­le Stim­men­an­teil bzw. die Par­tei­stär­ke die Ver­än­de­rung der Par­tei­en­land­schaft auf. Beim fol­gen­den Blick auf die ein­zel­nen Par­tei­en sol­len daher die Par­tei­stär­ken beleuch­tet wer­den, wobei die Kan­to­ne Appen­zell Inner­rho­den und Grau­bün­den nicht berück­sich­tigt werden.

In den ver­gan­ge­nen vier Jah­ren wur­de die FDP in 18 Kan­to­nen schwä­cher. Bei den zwölf kan­to­na­len Wah­len der Jah­re 2020 und 2021 stand sie gar elf­mal auf der Ver­lie­rer­sei­te. Bei den Wah­len von 2022 und 2023 wech­sel­ten sich Ver­lus­te und Gewin­ne ab, wobei die meis­ten Ver­lus­te und Gewin­ne klei­ner als zwei Pro­zent­punk­te waren. Am gröss­ten fie­len die Stim­men­ver­lus­te der FDP in den letz­ten vier Jah­ren in Neu­en­burg und Appen­zell Aus­ser­rho­den (rund ‑3,5 Pro­zent­punk­te), in Uri (-5,7) und in Genf (-6,2) aus. In Genf hat­te der FDP ihr frü­he­res Aus­hän­ge­schild, Pierre Mau­det, mit einer eige­nen Wahl­lis­te Kon­kur­renz gemacht. Den gröss­ten Zuwachs erfuhr die FDP 2021 in Frei­burg (+1,6 Punkte).

Die «Mit­te», also jene Par­tei, wel­che aus einem Zusam­men­schluss von CVP und BDP her­vor­ge­gan­gen ist, büss­te in 21 Kan­to­nen an Par­tei­stär­ke ein, in fünf Kan­to­nen sogar mehr als drei Pro­zent­punk­te (SZ, GE, SO, VS, GL). Nur gera­de in Zürich, St. Gal­len und Neu­en­burg leg­te sie leicht zu (zwi­schen 0,2 und 1,3 Pro­zent­punk­ten). Im aktu­el­len Jahr stan­den einem klei­nen Zuwachs in Zürich (+0,2 Punk­te) fünf Ver­lus­te gegen­über, wobei jener in Genf mit ‑3,4 Pro­zent­punk­te am stärks­ten ausfiel.

Ähn­lich erging es der SP: Sie büss­te 18-mal mehr oder weni­ger aus­ge­prägt an Par­tei­stär­ke ein, am meis­ten in Schaff­hau­sen (-3,1 Punk­te), in der Waadt (-3,3), in Bern (-3,4), Neu­en­burg (-3,9) und in Frei­burg (-5,4). In den Jah­ren 2021 und 2022 ver­lor sie bei sämt­li­chen Wah­len an Par­tei­stär­ke. Ins­ge­samt konn­te sich die SP in den vier Jah­ren fünf­mal leicht stei­gern: drei­mal bei den Wah­len von 2020 und zwei­mal 2023. Der gröss­te Zuge­winn betrug dabei 1,3 Pro­zent­punk­te (SZ). Im aktu­el­len Jahr leg­te die SP in Luzern 0,1 Punk­te zu, in Zürich sta­gnier­te sie und in drei Kan­to­nen wur­de sie um 0,6 bis zwei Punk­te schwä­cher (GE, BLTI).

SVP kommt auf die Gewinnerseite

Gehör­te die SVP 2020 noch bei sechs der acht Wah­len zu den Ver­lie­re­rin­nen, stand sie 2023 bei fünf Wah­len auf der Gewin­ner­sei­te, nur gera­de in Appen­zell Aus­ser­rho­den wur­de sie schwä­cher. In den vier Jah­ren nach den Natio­nal­rats­wah­len leg­te sie ins­ge­samt elf­mal zu und 13-mal ver­lor sie. Die gröss­ten Ver­lus­te erlitt sie in Basel-Stadt (-3,3 Pro­zent­punk­te) und Neu­en­burg (-3,4). Bis 2023 waren die Gewin­ne der SVP – abge­se­hen von Gla­rus (+5,0) – klei­ner als 1,3 Punk­te. Im aktu­el­len Jahr dage­gen leg­te die SVP bei den meis­ten Wah­len zu, vor allem in Genf (+3,4), Luzern (+3,5) und im Tes­sin (+4,2).

Grüne erstmals geschwächt

Von 2017 bis Ende 2022 befan­den sich die Grü­nen fast durch­wegs auf der Sie­ger­sei­te – sie gewan­nen in die­sen sechs Jah­ren rund acht­zig Man­da­te hin­zu. In den ers­ten drei Jah­ren nach den Natio­nal­rats­wah­len 2019 stei­ger­ten die Grü­nen ihre Par­tei­stär­ke in 16 von 18 Wah­len. Nur in Nid­wal­den wur­de sie schwä­cher (-2,2 Punk­te). Am meis­ten leg­ten die Grü­nen in Basel-Stadt (+3,2), in Neu­en­burg (+3,4) und im Jura (+3,8) zu sowie in Schaff­hau­sen (+5,0) und in Frei­burg (+6,8). Im aktu­el­len Jahr jedoch ver­lo­ren die Grü­nen bei fünf Wah­len an Par­tei­stär­ke: in Genf (-0,2) und im Tes­sin (-0,8 Punk­te), in Zürich und Luzern (je ‑1,5) sowie in Basel-Land­schaft (-2,6).

In den Jah­ren 2020 und 2021 ver­moch­ten die Gewin­ne der Grü­nen die Ver­lus­te der SP mehr als wett­zu­ma­chen (Aus­nah­me: Neu­en­burg), sodass Rot­grün ins­ge­samt stär­ker wur­de. In den fol­gen­den bei­den Jah­ren aber, als die Gewin­ne der Grü­nen etwas klei­ner wur­den und bald Ver­lus­ten Platz mach­ten, ver­moch­te die SP dies nicht auf­zu­fan­gen. Rot­grün wur­de in der Fol­ge um 0,9 (GE) bis 3,5 Pro­zent­punk­te (BL) schwächer.

Grünliberale gewinnen weiter

Die Grün­li­be­ra­len, deren Sie­ges­se­rie 2018 ein­setz­te – vor­erst weni­ger aus­ge­prägt als bei den Grü­nen – leg­ten nach den Natio­nal­rats­wah­len 2019 bei fast allen kan­to­na­len Par­la­ments­wah­len zu (Aus­nah­me Zürich), mit Zuwachs­wer­ten zwi­schen 0,5 (TI) und acht Pro­zent­punk­ten (NW). In elf Kan­to­nen betrug die Stei­ge­rung mehr als drei Pro­zent­punk­te. Bei den Wah­len im aktu­el­len Jahr wur­de die Par­tei­stär­ke in Zürich leicht schwä­cher (-0,2 Punk­te). In Basel-Land­schaft und in Genf stei­ger­ten sich die Grün­li­be­ra­len um 3,3 bzw. 5,0 Pro­zent­punk­te, in Appen­zell Aus­ser­rho­den um 5,7 Prozent.


Hin­wei­se:

  • Die­ser Bei­trag er erschien erst­mals am 17. April 2023 auf Journal21. Er wur­de leicht modi­fi­ziert und um die vom BFS berei­nig­ten Par­tei­stär­ken (inkl. Zuord­nung der sog. Misch­lis­ten zu den Par­tei­en) ergänzt.
  • Eine ähn­li­che 4‑Jahresbilanz erschien 2019 auf DeFac­to.

Bild: flickr.com

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