Gesundheit von Arbeitnehmer:innen und erzwungene Telearbeit aufgrund der COVID-19-Krise

Die Gesund­heit am Arbeits­platz rückt nach der Ver­brei­tung der Tele­ar­beit im Zusam­men­hang mit der Covid-19-Gesund­heits­kri­se wie­der in den Vor­der­grund der Auf­merk­sam­keit von Per­so­nal­fach­leu­ten. Die­se beson­de­re Arbeits­form, die an sich nicht neu ist und bereits in den 1980er Jah­ren dis­ku­tiert wur­de, wur­de den Ange­stell­ten öffent­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen in gros­sem Umfang ange­bo­ten, um die vom Bund erlas­se­nen Bestim­mun­gen zur Bekämp­fung der Aus­brei­tung des Virus zu erfüllen. 

Telearbeit und Gesundheit der Arbeitnehmer:innen: eine entscheidende Aufgabe für das Management

Dar­aus erge­ben sich neue und inter­es­san­te Manage­ment­fra­gen: Wie wur­de die Tele­ar­beit von den­je­ni­gen erlebt, die dazu gezwun­gen wur­den? Hat die erzwun­ge­ne Arbeit im Home Office zu einer Ver­bes­se­rung des Wohl­be­fin­dens der Ange­stell­ten geführt oder ist sie im Gegen­teil für einen Anstieg des Stress­le­vels ver­ant­wort­lich? Die­se Fra­gen sind inso­fern von Bedeu­tung, als die Tele­ar­beit, sofern die Pan­de­mie unter Kon­trol­le gebracht wer­den kann, in Zukunft höchst­wahr­schein­lich einen grös­se­ren Stel­len­wert in den Orga­ni­sa­tio­nen, auch in der öffent­li­chen Ver­wal­tung, ein­neh­men wird. Die Beant­wor­tung die­ser Fra­gen ist daher eine ent­schei­den­de Her­aus­for­de­rung für das Management.

Eine Umfrage mittels Fragebogen

Um ers­te empi­ri­sche Ant­wor­ten auf die­se neu­en Fra­gen zu erhal­ten, führ­te das Team des For­schungs­be­rei­ches Per­so­nal­ma­nage­ment des IDHEAP meh­re­re Fra­ge­bo­gen­erhe­bun­gen durch. So wur­den wäh­rend des ers­ten Lock­downs (März bis Mai 2020) meh­re­re Kan­to­ne in der West­schweiz kon­tak­tiert und zu einer Umfra­ge zur Wahr­neh­mung der Akteu­re in Bezug auf Tele­ar­beit ein­ge­la­den. Meh­re­re von ihnen zeig­ten Inter­es­se, doch letzt­lich erklär­te sich nur einer bereit, einen Fra­ge­bo­gen an sei­ne Mitarbeiter:innen zu ver­tei­len. Auf der Grund­la­ge einer Stich­pro­be von über 1300 Ant­wor­ten hat­ten wir die Mög­lich­keit, uns den Wahr­neh­mun­gen unse­rer Befrag­ten in Bezug auf meh­re­re Dimen­sio­nen ihrer Arbeit bes­ser anzu­nä­hern (Merk­ma­le ihrer Arbeit; sozia­le Bezie­hun­gen zu Füh­rungs­kräf­ten und Kolleg:innen; Arbeits­kli­ma; Wohl­be­fin­den; Enga­ge­ment; Zufrie­den­heit; Ermü­dungs­grad; Work-Life-Balan­ce usw.), und zwar in Abhän­gig­keit von zwei Zeit­räu­men: vor und wäh­rend der erzwun­ge­nen Tele­ar­beit. Mit ande­ren Wor­ten: Unse­re Umfrageteilnehmer:innen äus­ser­ten sich zu den ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen, die in einem ein­zi­gen Fra­ge­bo­gen auf­ge­führt waren, indem sie ihre Gefüh­le und Erfah­run­gen in zwei ver­schie­de­nen Zeit­räu­men zum Aus­druck brachten.

Nützliche Ergebnisse für die Vorbereitung künftiger Homeoffice-Regelungen

Die Ver­ar­bei­tung und Ana­ly­se unse­rer sta­tis­ti­schen Daten führt zu inter­es­san­ten und ver­wert­ba­ren Ergeb­nis­sen. Zunächst ein­mal schätz­ten unse­re Befrag­ten mehr­heit­lich die Tele­ar­beit auf­grund der Vor­tei­le, die die­se Arbeits­form für sie hat, ange­fan­gen bei einer bes­se­ren Ver­ein­bar­keit von Pri­vat- und Berufs­le­ben (76 % gaben an, dass sie Pri­vat- und Berufs­le­ben wäh­rend des Lock­downs leicht mit­ein­an­der ver­ein­ba­ren konn­ten). Eben­so schätz­ten sie die Frei­heit, die ihnen wäh­rend der erzwun­ge­nen Tele­ar­beit bei der Orga­ni­sa­ti­on ihrer Arbeit (73 % sag­ten, sie hät­ten dies tun kön­nen) und der Wahl ihres Arbeits­or­tes (68 % sag­ten, sie hät­ten die Mög­lich­keit dazu gehabt) gebo­ten wur­de. Die sozia­len Bezie­hun­gen – zu Kolleg:innen und Vor­ge­setz­ten – lit­ten jedoch beson­ders stark, da ein signi­fi­kan­ter Rück­gang der Zusam­men­ar­beit mit Kolleg:innen und Vor­ge­setz­ten erkenn­bar ist, wenn man die Mit­tel­wer­te der Ant­wor­ten vor und wäh­rend der erzwun­ge­nen Tele­ar­beit vergleicht.

Die­ses Ergeb­nis deu­tet dar­auf hin, dass auch sozio­de­mo­gra­fi­sche Merk­ma­le die Ant­wor­ten der Befrag­ten beein­flus­sen können.

Tabelle 1: Gesundheit am Arbeitsplatz

Gesund­heit am Arbeits­platz der BefragtenVor/Während der erzwun­ge­nen Tele­ar­beit wegen COVID-19Mit­tel­wertStan­dard-abwei­chungStim­me nicht zuStim­me weder zu noch nicht zuStim­me zu
Ich füh­le mich wegen mei­ner Arbeit emo­tio­nal “aus­ge­höhlt”Vor2.611.250%24%26%
Wäh­rend2.371.258%23%19%
Ich füh­le mich von mei­ner Arbeit ausgelaugtVor 2.611.251%24%26%
Wäh­rend2.331.260%22%18%
Ich muss mich kör­per­lich anstren­gen, damit mein Arbeits­tag gut läuftVor 2.311.159%24%17%
Wäh­rend2.141.164%23%13%

Aber natür­lich han­delt es sich hier um Teil­ergeb­nis­se und die­se stel­len eine Moment­auf­nah­me von Ein­zel­erfah­run­gen zu einem bestimm­ten Zeit­punkt dar. Wäh­rend unse­re Stu­die also ten­den­zi­ell zeigt, dass Tele­ar­beit die Gesund­heit am Arbeits­platz beein­träch­tigt hat, kann die­se Aus­wir­kung poten­zi­ell durch ande­re Fak­to­ren erklärt wer­den, die wir nicht gemes­sen haben. Wei­te­re Erhe­bun­gen, die in regel­mäs­si­gen Abstän­den über län­ge­re Zeit­räu­me wie­der­holt wer­den, sind daher not­wen­dig, um die Aus­wir­kun­gen der Tele­ar­beit auf die Gesund­heit der Beschäf­tig­ten im öffent­li­chen Dienst kla­rer zu iden­ti­fi­zie­ren. Die­se empi­ri­schen Daten sind wich­tig und kön­nen es poli­ti­schen Entscheidungsträger:innen und Per­so­nal­fach­leu­ten ermög­li­chen, ihre Tele­ar­beits­re­ge­lun­gen in Zukunft anzu­pas­sen und die Ange­stell­ten zu beglei­ten, um mög­li­cher­wei­se schäd­li­che Aus­wir­kun­gen der Tele­ar­beit auf die Gesund­heit und das Wohl­be­fin­den zu vermeiden.


Bemer­kung: Die­ser Arti­kel wur­de im Rah­men des IDHEAP Poli­cy Brief No. 1 veröffentlicht.

Bild: unsplash.com

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