Big Data und die öffentliche Verwaltung: Warum die Zustimmung der Beschäftigten wichtig ist

In den letz­ten Jah­ren hat der Begriff “Big Data” in den Medi­en und in der öffent­li­chen Debat­te über die Digi­ta­li­sie­rung der Arbeit viel Beach­tung erfah­ren. Im öffent­li­chen Dienst wird Big Data jedoch oft als “Black Box” begrif­fen: Man kon­zen­triert sich eif­rig auf recht­li­che Fra­gen (im Zusam­men­hang mit dem Zugang zu Daten­mas­sen) oder tech­ni­sche Aspek­te; wenig bekannt sind jedoch die orga­ni­sa­to­ri­schen Her­aus­for­de­run­gen, die sich aus der Ein­füh­rung die­ser Tech­no­lo­gie in öffent­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen ergeben.

Die Zustimmung der Beschäftigten: ein Schlüsselelement, um Big Data und Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbinden

Der For­schungs­be­reich Infor­ma­ti­ons­ma­nage­ment betreibt daher ange­wand­te For­schung, um zu ver­ste­hen, wie die Beschäf­tig­ten der öffent­li­chen Ver­wal­tung in der Schweiz auf die Ein­füh­rung von Big-Data-Tech­no­lo­gien reagie­ren, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Gesund­heit am Arbeits­platz. Im Ein­zel­nen befasst sich die For­schungs­ein­heit mit den Her­aus­for­de­run­gen (1) der Moti­va­ti­on der Ange­stell­ten zur Nut­zung von Sys­te­men, die Gesund­heits­da­ten erfas­sen, und (2) der lang­fris­ti­gen Nut­zung die­ser Sys­te­me. Dies ist von ent­schei­den­der Bedeu­tung, da die erfolg­rei­che Imple­men­tie­rung die­ser Sys­te­me haupt­säch­lich von der frei­wil­li­gen und regel­mäs­si­gen Nut­zung abhängt. Die Per­spek­ti­ve der Beschäf­tig­ten in den Vor­der­grund zu stel­len, ermög­licht es, die Legi­ti­mi­tät und die Bedeu­tung einer sol­chen Tech­no­lo­gie für die Gesund­heit am Arbeits­platz zu gewähr­leis­ten. Die Bedeu­tung die­ser Per­spek­ti­ve wur­de durch die COVID-19-Pan­de­mie noch ver­stärkt, die zu einer Zunah­me des digi­ta­len Trackings von Bürger:innen und ihrer Gesund­heit geführt hat.

Eine Fallstudie

Zur Durch­füh­rung die­ses Pro­jekts haben wir 2018 unter ande­rem eine Fall­stu­die in einer öffent­li­chen Ver­wal­tung in einer Schwei­zer Stadt mit 10.000 Einwohner:innen durch­ge­führt. Im Rah­men einer Initia­ti­ve zur Gesund­heits­för­de­rung inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on boten wir an, sechs Wochen lang “Physiolytics“-Geräte an Frei­wil­li­ge zu ver­tei­len. Nach einer Ein­füh­rungs­ver­an­stal­tung bestä­tig­te etwas mehr als die Hälf­te der ange­spro­che­nen Ange­stell­ten ihre Teil­nah­me (19 von 32 Per­so­nen in den vier Part­ner­ab­tei­lun­gen unse­res Pro­jekts: Finanz­amt, Bau­amt, Sozi­al­amt und Stadtkanzlei).

Bei der Daten­er­he­bung wur­de ein Mixed-Methods-Ansatz (qualitativ/quantitativ) gewählt. Im qua­li­ta­ti­ven Teil der Stu­die wur­den zusam­men mit den Teilnehmer:innen die wahr­ge­nom­me­nen Chan­cen und Risi­ken die­ser Tech­no­lo­gie mit­tels Grup­pen­dis­kus­sio­nen the­ma­ti­siert. Um die­se Per­spek­ti­ve zu ver­voll­stän­di­gen, wur­den im zwei­ten Teil der Stu­die quan­ti­ta­ti­ve Daten, wie bei­spiels­wei­se die tat­säch­li­che Nut­zungs­zeit der Gerä­te, erfasst und mit den erhal­te­nen Ant­wor­ten ver­gli­chen. Auf die­se Wei­se wur­den nicht nur die Deter­mi­nan­ten der Zustim­mung der Beschäf­tig­ten bewer­tet, son­dern auch der zeit­li­che Ver­lauf der Zustimmung/Ablehnung analysiert.

Abbildung 1 | Die im Projekt verwendeten Physiolytics-Geräte und Visualisierung des Stressgrades

Bei den als “Phy­sio­ly­tics” (Wil­son 2013) bezeich­ne­ten Gerä­ten han­delt es sich um trag­ba­re Gerä­te mit Sen­so­ren (Arm­bän­der, Smart­wat­ches usw.), die phy­sio­lo­gi­schen Para­me­ter (Puls, Schweiss, Atmung usw.) und Ver­hal­tens­pa­ra­me­ter (kör­per­li­che Akti­vi­tät, Kalo­rien­zu­fuhr usw.) mes­sen und ana­ly­sie­ren. Sie die­nen dazu, Men­schen mit­hil­fe von Algo­rith­men über ihren Gesund­heits­zu­stand (z. B. ihr Stress­le­vel) zu informieren.

Ergebnisse, Diskussionen und Auswirkungen

Neue Infor­ma­tio­nen über sich selbst zu erhal­ten, Spass zu haben und eine neue Rou­ti­ne inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on zu schaf­fen, sind die Aspek­te, die Mitarbeiter:innen dazu moti­vie­ren, an einer digi­ta­len Initia­ti­ve zur Gesund­heits­för­de­rung teil­zu­neh­men (Ergeb­nis­se unse­rer qua­li­ta­ti­ven For­schung). Auf der ande­ren Sei­te wir­ken sich neben der Befürch­tung, durch die Orga­ni­sa­ti­on über­wacht zu wer­den (was das Haupt­hin­der­nis für die Teil­nah­me dar­stellt), die Erwar­tung einer Dis­kre­panz zwi­schen Teilnehmer:innen und Nicht-Teilnehmer:innen, die Zunah­me des Wett­be­werbs inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on (Gesund­heits­da­ten schaf­fen Ver­gleichs­mög­lich­kei­ten zwi­schen Indi­vi­du­en und neue Stan­dards für kör­per­li­che Akti­vi­tät) und das Ende einer anfäng­li­chen “Pha­se der Neu­gier” (das Gerät wird eher als Spie­le­rei denn als Instru­ment zur Gesund­heits­för­de­rung wahr­ge­nom­men) nega­tiv auf die Teil­nah­me aus. Das Gewicht der letzt­ge­nann­ten Ele­men­te spie­gelt sich ins­be­son­de­re in der Dyna­mik der Nut­zung der Gerä­te wider (sie­he Abbil­dung 2), wobei die Zahl der akti­ven Teilnehmer:innen deut­lich und kon­ti­nu­ier­lich sinkt.1 Es zeigt sich also, dass eine Big-Data-Tech­no­lo­gie allein nicht aus­reicht, um ein Pro­gramm für die Gesund­heit am Arbeits­platz lang­fris­tig zu tragen.

Abbildung 2 | Dynamik der Nutzung der Physiolytics-Geräte

In jedem Fall wäre eine Längs­schnitt­be­ob­ach­tung wün­schens­wert, um die Ergeb­nis­se die­ser Fall­stu­die zu ergän­zen. Dies gilt umso mehr, als dass die Covid-19-Pan­de­mie mög­li­cher­wei­se die indi­vi­du­el­le Wahr­neh­mung von Gesund­heits­fra­gen am Arbeits­platz stark ver­än­dert hat.

1 Ein:e Teilnehmer:in gilt als aktiv, wenn das Phy­sio­ly­tics-Gerät an einem Tag min­des­tens fünf Stun­den lang getra­gen wurde.


Bemer­kung: Die­ser Arti­kel wur­de im Rah­men des IDHEAP Poli­cy Brief No. 1 veröffentlicht.

Refe­renz:

  • Wil­son, H. J. (2013) Weara­bles in the Work­place, Har­vard Busi­ness Review (91:11), pp. 23–27.

Bild: Im Pro­jekt ver­wen­de­te phy­sio­lo­gi­sche Gerä­te und Visua­li­sie­rung des Stressgrades

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