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Big Data und die öffentliche Verwaltung: Warum die Zustimmung der Beschäftigten wichtig ist

Stefan Stepanovic, Tobias Mettler
25th April 2023

In den letzten Jahren hat der Begriff “Big Data” in den Medien und in der öffentlichen Debatte über die Digitalisierung der Arbeit viel Beachtung erfahren. Im öffentlichen Dienst wird Big Data jedoch oft als “Black Box” begriffen: Man konzentriert sich eifrig auf rechtliche Fragen (im Zusammenhang mit dem Zugang zu Datenmassen) oder technische Aspekte; wenig bekannt sind jedoch die organisatorischen Herausforderungen, die sich aus der Einführung dieser Technologie in öffentlichen Organisationen ergeben.

Die Zustimmung der Beschäftigten: ein Schlüsselelement, um Big Data und Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbinden

Der Forschungsbereich Informationsmanagement betreibt daher angewandte Forschung, um zu verstehen, wie die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz auf die Einführung von Big-Data-Technologien reagieren, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheit am Arbeitsplatz. Im Einzelnen befasst sich die Forschungseinheit mit den Herausforderungen (1) der Motivation der Angestellten zur Nutzung von Systemen, die Gesundheitsdaten erfassen, und (2) der langfristigen Nutzung dieser Systeme. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da die erfolgreiche Implementierung dieser Systeme hauptsächlich von der freiwilligen und regelmässigen Nutzung abhängt. Die Perspektive der Beschäftigten in den Vordergrund zu stellen, ermöglicht es, die Legitimität und die Bedeutung einer solchen Technologie für die Gesundheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Die Bedeutung dieser Perspektive wurde durch die COVID-19-Pandemie noch verstärkt, die zu einer Zunahme des digitalen Trackings von Bürger:innen und ihrer Gesundheit geführt hat.

Eine Fallstudie

Zur Durchführung dieses Projekts haben wir 2018 unter anderem eine Fallstudie in einer öffentlichen Verwaltung in einer Schweizer Stadt mit 10.000 Einwohner:innen durchgeführt. Im Rahmen einer Initiative zur Gesundheitsförderung innerhalb der Organisation boten wir an, sechs Wochen lang “Physiolytics“-Geräte an Freiwillige zu verteilen. Nach einer Einführungsveranstaltung bestätigte etwas mehr als die Hälfte der angesprochenen Angestellten ihre Teilnahme (19 von 32 Personen in den vier Partnerabteilungen unseres Projekts: Finanzamt, Bauamt, Sozialamt und Stadtkanzlei).

Bei der Datenerhebung wurde ein Mixed-Methods-Ansatz (qualitativ/quantitativ) gewählt. Im qualitativen Teil der Studie wurden zusammen mit den Teilnehmer:innen die wahrgenommenen Chancen und Risiken dieser Technologie mittels Gruppendiskussionen thematisiert. Um diese Perspektive zu vervollständigen, wurden im zweiten Teil der Studie quantitative Daten, wie beispielsweise die tatsächliche Nutzungszeit der Geräte, erfasst und mit den erhaltenen Antworten verglichen. Auf diese Weise wurden nicht nur die Determinanten der Zustimmung der Beschäftigten bewertet, sondern auch der zeitliche Verlauf der Zustimmung/Ablehnung analysiert.

Abbildung 1 | Die im Projekt verwendeten Physiolytics-Geräte und Visualisierung des Stressgrades

Bei den als “Physiolytics” (Wilson 2013) bezeichneten Geräten handelt es sich um tragbare Geräte mit Sensoren (Armbänder, Smartwatches usw.), die physiologischen Parameter (Puls, Schweiss, Atmung usw.) und Verhaltensparameter (körperliche Aktivität, Kalorienzufuhr usw.) messen und analysieren. Sie dienen dazu, Menschen mithilfe von Algorithmen über ihren Gesundheitszustand (z. B. ihr Stresslevel) zu informieren.

Ergebnisse, Diskussionen und Auswirkungen

Neue Informationen über sich selbst zu erhalten, Spass zu haben und eine neue Routine innerhalb der Organisation zu schaffen, sind die Aspekte, die Mitarbeiter:innen dazu motivieren, an einer digitalen Initiative zur Gesundheitsförderung teilzunehmen (Ergebnisse unserer qualitativen Forschung). Auf der anderen Seite wirken sich neben der Befürchtung, durch die Organisation überwacht zu werden (was das Haupthindernis für die Teilnahme darstellt), die Erwartung einer Diskrepanz zwischen Teilnehmer:innen und Nicht-Teilnehmer:innen, die Zunahme des Wettbewerbs innerhalb der Organisation (Gesundheitsdaten schaffen Vergleichsmöglichkeiten zwischen Individuen und neue Standards für körperliche Aktivität) und das Ende einer anfänglichen “Phase der Neugier” (das Gerät wird eher als Spielerei denn als Instrument zur Gesundheitsförderung wahrgenommen) negativ auf die Teilnahme aus. Das Gewicht der letztgenannten Elemente spiegelt sich insbesondere in der Dynamik der Nutzung der Geräte wider (siehe Abbildung 2), wobei die Zahl der aktiven Teilnehmer:innen deutlich und kontinuierlich sinkt.1 Es zeigt sich also, dass eine Big-Data-Technologie allein nicht ausreicht, um ein Programm für die Gesundheit am Arbeitsplatz langfristig zu tragen.

Abbildung 2 | Dynamik der Nutzung der Physiolytics-Geräte

In jedem Fall wäre eine Längsschnittbeobachtung wünschenswert, um die Ergebnisse dieser Fallstudie zu ergänzen. Dies gilt umso mehr, als dass die Covid-19-Pandemie möglicherweise die individuelle Wahrnehmung von Gesundheitsfragen am Arbeitsplatz stark verändert hat.

1 Ein:e Teilnehmer:in gilt als aktiv, wenn das Physiolytics-Gerät an einem Tag mindestens fünf Stunden lang getragen wurde.


Bemerkung: Dieser Artikel wurde im Rahmen des IDHEAP Policy Brief No. 1 veröffentlicht.

Referenz:

  • Wilson, H. J. (2013) Wearables in the Workplace, Harvard Business Review (91:11), pp. 23-27.

Bild: Im Projekt verwendete physiologische Geräte und Visualisierung des Stressgrades