Klima und Umweltfragen mobilisieren alle Generationen

Im Rah­men der Kli­ma­st­reiks gin­gen im Jahr 2019 Jugend­li­che auf die Stras­se, um ihre Ängs­te und For­de­run­gen für den Kli­ma­wan­del kund­zu­tun. Vie­le Erwach­se­ne und Senio­ren bekun­de­ten ihre Soli­da­ri­tät mit der Bewe­gung. Wäh­rend die Demons­tra­tio­nen in den Medi­en aber haupt­säch­lich als Jugend­be­we­gung beschrie­ben wur­den, bringt unse­re Ana­ly­se zu Tage, dass sich alle Genera­tio­nen enga­gie­ren, um die The­ma­tik auf dem poli­ti­schen Par­kett wei­ter­zu­brin­gen. Unse­re Stu­die zeigt zudem auch, dass die Bedeu­tung der Umwelt­the­ma­tik in meh­re­ren Genera­tio­nen gestie­gen ist und als wich­ti­ger ein­ge­stuft wird als die Wirtschaft. 

Der Klimastreik: Aufruf zum Handeln für Jugendliche und ältere Generationen

Ver­schie­de­ne Beob­ach­te­rin­nen und Beob­ach­ter auf der gan­zen Welt haben die Pro­test­wel­le im Jahr 2019 als Jugend­be­we­gung wahr­ge­nom­men. Tat­säch­lich betei­lig­ten sich vie­le Schü­le­rin­nen und Schü­ler sowie Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten an die­sen Aktio­nen. Doch zumin­dest in der Schweiz stamm­ten die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer aus allen Alters­grup­pen. Im Herbst 2019 ver­sam­mel­ten sich die Kli­ma­st­rei­ken­den in den Stras­sen von Bern zu einer der gröss­ten Demons­tra­ti­on der Schweiz der Nach­kriegs­zeit. Sie bil­de­ten eine inter­ge­nera­tio­nel­le Koali­ti­on bestehend aus Jugend­li­chen, aber auch aus Per­so­nen der Genera­ti­on ihrer Eltern und Gross­el­tern. Jun­ge Men­schen unter 28 Jah­ren mach­ten nur unge­fähr ein Drit­tel aller Demons­tran­tin­nen und Demons­tran­ten aus.

Daten­ba­sis
Unse­re Resul­ta­te basie­ren auf Daten, die wäh­rend den Kli­ma­de­mons­tra­tio­nen in der Schweiz zwi­schen März und Sep­tem­ber 2019 gesam­melt wur­den, sowie den Daten des Schwei­zer Haus­halt-Panels zwi­schen 1999 und 2017.

In unse­rer Unter­su­chung unter­schei­den wir zwi­schen drei Genera­tio­nen, die in ihrer Jugend (zwi­schen 16 und 28 Jah­re alt) eine star­ke Pro­test­wel­le, die sich für die Umwelt ein­setz­te, erlebt haben. Es han­delt sich dabei ers­tens um die Genera­ti­on Kai­ser­au­gst (Bau des Atom­kraft­werks Kai­ser­au­gst 1973), zwei­tens die Genera­ti­on Tscher­no­byl (Nukle­ar­ka­ta­stro­phe von Tscher­no­byl sowie die Ver­schmut­zung des Rheins nach dem Brand der Schwei­zer­hal­le 1986), sowie drit­tens die Genera­ti­on Kli­ma­st­reik (2019).

Zu Beginn des Jah­res 2019 wur­de die Bewe­gung noch mehr­heit­lich von jun­gen Men­schen getra­gen: Mehr als die Hälf­te der Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer gehör­ten der Genera­ti­on Kli­ma­st­reik an. Im Herbst des­sel­ben Jah­res haben dage­gen alle Genera­tio­nen zahl­reich teil­ge­nom­men: Zehn Pro­zent der Demons­tran­tin­nen und Demons­tran­ten kamen aus der Genera­ti­on Kai­ser­au­gst, 22 Pro­zent aus der Genera­ti­on Tscher­no­byl, 31 Pro­zent aus der Genera­ti­on X und Y und 35 Pro­zent aus der Genera­ti­on Klimastreik.

Die Kli­ma­de­mons­tra­tio­nen sind also weit mehr als eine Jugend­be­we­gung, denn sie ist sehr wohl im Stan­de, genera­tio­nen­über­grei­fend zu mobi­li­sie­ren. An den Kli­ma­st­reiks im Jahr 2019 haben denn auch alle drei die­ser „Umwelt-Genera­tio­nen” teil­ge­nom­men, wie unse­re Ana­ly­se zeigt.

Zunahme des Umweltbewusstseins in der Schweizer Bevölkerung

Wie sieht es nun mit den Mei­nun­gen in den ver­schie­de­nen Alters­grup­pen der Bevöl­ke­rung aus? Gibt es star­ke Unter­schie­de zwi­schen den Genera­tio­nen und wie ent­wi­ckeln sich die­se über die Zeit?

Abbil­dung 1 zeigt die Ent­wick­lung aller Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer des Schwei­zer Haus­halt-Panels, die bei der Fra­ge, ob die Wirt­schaft oder die Umwelt wich­ti­ger sei, sich für die Umwelt ent­schie­den haben (1999 — 2017). Zudem haben wir die Bevöl­ke­rung wie­der­um in die fünf Genera­tio­nen unter­teilt. Wir erken­nen dar­in zwei Tendenzen:

Ers­tens zeigt die Abbil­dung, dass die Genera­ti­on Kli­ma­st­reik (Cli­ma­te Strike, grün in Abb. 1) im Durch­schnitt eher dazu neigt, die Umwelt der Wirt­schaft vor­zu­zie­hen als die ande­ren Genera­tio­nen. Dies gilt auch für die vor­gän­gi­gen Genera­tio­nen X und Y. Grund­sätz­lich kann man aber beob­ach­ten, dass sich auf­ein­an­der fol­gen­de Genera­tio­nen nicht stark von­ein­an­der unter­schei­den. Die Hal­tung von alters­mäs­sig wei­ter aus­ein­an­der lie­gen­den Genera­tio­nen unter­schei­den sich dage­gen stärker.

Zwei­tens scheint sich die­se Hal­tung für alle Genera­tio­nen über die Zeit hin­weg in die glei­che Rich­tung zu bewe­gen, was zusam­men­ge­nom­men in einen Anstieg der Sor­gen um die Umwelt führt. Dies bestä­tigt die grund­sätz­li­che Annah­me, dass die gesam­te Gesell­schaft über die Zeit umwelt­freund­li­cher wird. In allen Genera­tio­nen nahm die umwelt­freund­li­che­re Hal­tung zu, vor allem in den Jah­ren zwi­schen 2003 und 2007 sowie zwi­schen 2009 und 2019. Die­se Resul­ta­te zei­gen, dass Umwelt­sor­gen in einem grös­se­ren poli­ti­schen Zusam­men­hang ste­hen und über die Zeit in allen Genera­tio­nen an Bedeu­tung gewon­nen haben.

Abbildung 1: Anteil der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer, die denken, dass die Umwelt wichtiger als die Wirtschaft ist. Aufgeteilt in verschiedene Generationen und von 1999 bis 2017 (Mittelwerte mit 84% Konfidenzintervallen.)

Die jüngs­te Genera­ti­on ver­fügt über mehr Wis­sen über den Kli­ma­wan­del als alle ande­ren Genera­tio­nen vor ihr. Sie hat daher auch ein bes­se­res Ver­ständ­nis für die­se Pro­ble­ma­tik als frü­he­re Genera­tio­nen. Zudem ist sich die aktu­el­le Genera­ti­on auch mehr­heit­lich bewusst, dass sie in weit grös­se­rem Aus­mass vom Kli­ma­wan­del betrof­fen sein wird als frü­he­re Generationen.

Der aktu­el­le Stand der Wis­sen­schaft zeigt klar auf, dass die heu­ti­ge Jugend in einer Welt leben wird, die stark vom Kli­ma­wan­del geprägt sein wird. Dies war weni­ger der Fall für alle vor­an­ge­hen­den Genera­tio­nen. Den­noch ver­mag die­ses Wis­sen auch älte­re Genera­tio­nen zu beun­ru­hi­gen. Und wenn sie sich kei­ne Sor­gen um sich selbst machen, so sor­gen sie sich viel­leicht um ihre Kin­der, ihre Enkel­kin­der oder um die Mensch­heit im All­ge­mei­nen. Zudem kann kei­ne noch leben­de Genera­ti­on hof­fen, dass sie vom Kli­ma­wan­del ver­schont bleibt, da die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels bereits sicht­bar sind. Es ist daher zu erwar­ten, dass im Lau­fe der Zeit Ein­stel­lun­gen hin­sicht­lich der Umwelt­pro­ble­ma­tik zwi­schen den Genera­tio­nen immer klei­ner werden.


Refe­renz:

Bild: Unsplash.com

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