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Klima und Umweltfragen mobilisieren alle Generationen

Jasmine Lorenzini, Gian-Andrea Monsch, Jan Rosset
7th Februar 2022

Im Rahmen der Klimastreiks gingen im Jahr 2019 Jugendliche auf die Strasse, um ihre Ängste und Forderungen für den Klimawandel kundzutun. Viele Erwachsene und Senioren bekundeten ihre Solidarität mit der Bewegung. Während die Demonstrationen in den Medien aber hauptsächlich als Jugendbewegung beschrieben wurden, bringt unsere Analyse zu Tage, dass sich alle Generationen engagieren, um die Thematik auf dem politischen Parkett weiterzubringen. Unsere Studie zeigt zudem auch, dass die Bedeutung der Umweltthematik in mehreren Generationen gestiegen ist und als wichtiger eingestuft wird als die Wirtschaft.

Der Klimastreik: Aufruf zum Handeln für Jugendliche und ältere Generationen

Verschiedene Beobachterinnen und Beobachter auf der ganzen Welt haben die Protestwelle im Jahr 2019 als Jugendbewegung wahrgenommen. Tatsächlich beteiligten sich viele Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten an diesen Aktionen. Doch zumindest in der Schweiz stammten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Altersgruppen. Im Herbst 2019 versammelten sich die Klimastreikenden in den Strassen von Bern zu einer der grössten Demonstration der Schweiz der Nachkriegszeit. Sie bildeten eine intergenerationelle Koalition bestehend aus Jugendlichen, aber auch aus Personen der Generation ihrer Eltern und Grosseltern. Junge Menschen unter 28 Jahren machten nur ungefähr ein Drittel aller Demonstrantinnen und Demonstranten aus.

Datenbasis
Unsere Resultate basieren auf Daten, die während den Klimademonstrationen in der Schweiz zwischen März und September 2019 gesammelt wurden, sowie den Daten des Schweizer Haushalt-Panels zwischen 1999 und 2017.

In unserer Untersuchung unterscheiden wir zwischen drei Generationen, die in ihrer Jugend (zwischen 16 und 28 Jahre alt) eine starke Protestwelle, die sich für die Umwelt einsetzte, erlebt haben. Es handelt sich dabei erstens um die Generation Kaiseraugst (Bau des Atomkraftwerks Kaiseraugst 1973), zweitens die Generation Tschernobyl (Nuklearkatastrophe von Tschernobyl sowie die Verschmutzung des Rheins nach dem Brand der Schweizerhalle 1986), sowie drittens die Generation Klimastreik (2019).

Zu Beginn des Jahres 2019 wurde die Bewegung noch mehrheitlich von jungen Menschen getragen: Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehörten der Generation Klimastreik an. Im Herbst desselben Jahres haben dagegen alle Generationen zahlreich teilgenommen: Zehn Prozent der Demonstrantinnen und Demonstranten kamen aus der Generation Kaiseraugst, 22 Prozent aus der Generation Tschernobyl, 31 Prozent aus der Generation X und Y und 35 Prozent aus der Generation Klimastreik.

Die Klimademonstrationen sind also weit mehr als eine Jugendbewegung, denn sie ist sehr wohl im Stande, generationenübergreifend zu mobilisieren. An den Klimastreiks im Jahr 2019 haben denn auch alle drei dieser „Umwelt-Generationen" teilgenommen, wie unsere Analyse zeigt.

Zunahme des Umweltbewusstseins in der Schweizer Bevölkerung

Wie sieht es nun mit den Meinungen in den verschiedenen Altersgruppen der Bevölkerung aus? Gibt es starke Unterschiede zwischen den Generationen und wie entwickeln sich diese über die Zeit?

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Schweizer Haushalt-Panels, die bei der Frage, ob die Wirtschaft oder die Umwelt wichtiger sei, sich für die Umwelt entschieden haben (1999 - 2017). Zudem haben wir die Bevölkerung wiederum in die fünf Generationen unterteilt. Wir erkennen darin zwei Tendenzen:

Erstens zeigt die Abbildung, dass die Generation Klimastreik (Climate Strike, grün in Abb. 1) im Durchschnitt eher dazu neigt, die Umwelt der Wirtschaft vorzuziehen als die anderen Generationen. Dies gilt auch für die vorgängigen Generationen X und Y. Grundsätzlich kann man aber beobachten, dass sich aufeinander folgende Generationen nicht stark voneinander unterscheiden. Die Haltung von altersmässig weiter auseinander liegenden Generationen unterscheiden sich dagegen stärker.

Zweitens scheint sich diese Haltung für alle Generationen über die Zeit hinweg in die gleiche Richtung zu bewegen, was zusammengenommen in einen Anstieg der Sorgen um die Umwelt führt. Dies bestätigt die grundsätzliche Annahme, dass die gesamte Gesellschaft über die Zeit umweltfreundlicher wird. In allen Generationen nahm die umweltfreundlichere Haltung zu, vor allem in den Jahren zwischen 2003 und 2007 sowie zwischen 2009 und 2019. Diese Resultate zeigen, dass Umweltsorgen in einem grösseren politischen Zusammenhang stehen und über die Zeit in allen Generationen an Bedeutung gewonnen haben.

Abbildung 1: Anteil der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer, die denken, dass die Umwelt wichtiger als die Wirtschaft ist. Aufgeteilt in verschiedene Generationen und von 1999 bis 2017 (Mittelwerte mit 84% Konfidenzintervallen.)

Die jüngste Generation verfügt über mehr Wissen über den Klimawandel als alle anderen Generationen vor ihr. Sie hat daher auch ein besseres Verständnis für diese Problematik als frühere Generationen. Zudem ist sich die aktuelle Generation auch mehrheitlich bewusst, dass sie in weit grösserem Ausmass vom Klimawandel betroffen sein wird als frühere Generationen.

Der aktuelle Stand der Wissenschaft zeigt klar auf, dass die heutige Jugend in einer Welt leben wird, die stark vom Klimawandel geprägt sein wird. Dies war weniger der Fall für alle vorangehenden Generationen. Dennoch vermag dieses Wissen auch ältere Generationen zu beunruhigen. Und wenn sie sich keine Sorgen um sich selbst machen, so sorgen sie sich vielleicht um ihre Kinder, ihre Enkelkinder oder um die Menschheit im Allgemeinen. Zudem kann keine noch lebende Generation hoffen, dass sie vom Klimawandel verschont bleibt, da die Folgen des Klimawandels bereits sichtbar sind. Es ist daher zu erwarten, dass im Laufe der Zeit Einstellungen hinsichtlich der Umweltproblematik zwischen den Generationen immer kleiner werden.


Referenz:

Bild: Unsplash.com