Die Frauen bei den kantonalen Wahlen 2020–2021: Fortschritte, aber auch einige Rückschläge

Seit den eid­ge­nös­si­schen Wah­len vom Herbst 2019 fan­den in zwölf Kan­to­nen Par­la­ments­wah­len und in 13 Kan­to­nen Regie­rungs­wah­len statt. Somit ist die Zeit für eine Halb­zeit­bi­lanz in Bezug auf die Frau­en­ver­tre­tung in der kan­to­na­len Poli­tik gekommen. 

In den kan­to­na­len Par­la­men­ten stei­ger­ten die Frau­en ihre Ver­tre­tung um rund drei Pro­zent­punk­te auf 32 Pro­zent und in den Kan­tons­re­gie­run­gen um zwei Punk­te auf 27 Pro­zent. Das ent­spricht zwar in der Ten­denz den eid­ge­nös­si­schen Wah­len, im Aus­mass ist der Vor­marsch der Frau­en aber deut­lich gerin­ger. Zudem sind in eini­gen Kan­to­nen auch Rück­schrit­te zu verzeichnen.

Steigerung bei jeder zweiten Parlamentswahl

In drei kan­to­na­len Par­la­ments­wah­len war die Zunah­me des Frau­en­an­teils grös­ser als bei den eid­ge­nös­si­schen Wah­len von 2019: In Basel-Stadt stieg sie um elf Pro­zent­punk­te auf 42 Pro­zent, im Wal­lis um 15 Punk­te auf 35 Pro­zent und in Neu­en­burg gar um 24 Punk­te auf 58 Prozent.

Um je rund acht Pro­zent­punk­te zuge­legt haben die Frau­en bei den Par­la­ments­wah­len in St. Gal­len und im Thur­gau (auf 27% bzw. auf 34%). Bei den letz­ten kan­to­na­len Wah­len in Frei­burg stieg die Frau­en­ver­tre­tung um 4,5 Punk­te auf 34 Prozent.

Ledig­lich um einen bis drei Pro­zent­punk­te wuchs die Frau­en­ver­tre­tung in drei Kan­to­nen (SO, UR, SH); im Jura sta­gnier­te sie. In die­sen vier Kan­to­nen beträgt der Frau­en­an­teil zwi­schen 25 und dreis­sig Prozent.

Rück­schlä­ge gab es in den Kan­to­nen Aar­gau und Schwyz zu ver­zeich­nen: Die Frau­en­ver­tre­tung sank um je fünf Punk­te auf 31 Pro­zent bzw. neun Prozent.

Abbildung 1: Kantonale Parlamentswahlen 2020–2021: Gewählte Frauen in Prozent (Stand: jüngste Wahlen und Veränderung)
Datenbasis: BFS
Frauenanteil zwischen neun und 58 Prozent

Mit Blick auf alle Kan­tons­par­la­men­te, also auch auf jene, die vor den eid­ge­nös­si­schen Wah­len gewählt haben, ist die Frau­en­ver­tre­tung zur Zeit am schwächs­ten – mit weni­ger als 25 Pro­zent – in Appen­zell Inner­rho­den, Grau­bün­den, Gla­rus und in Nid­wal­den; am nied­rigs­ten liegt der Frau­en­an­teil in Schwyz bei skan­da­lö­sen neun Prozent.

Vier­zig Pro­zent und mehr beträgt die Frau­en­ver­tre­tung hin­ge­gen in den bei­den Basel, in Zürich und in Neu­en­burg. Das Neu­en­bur­ger Kan­tons­par­la­ment ist mit 58 Pro­zent Frau­en das bis­her ein­zi­ge kan­to­na­le Par­la­ment, in dem die Frau­en in der Mehr­heit sind.

Parität bei Rotgrün

Die Frau­en­ver­tre­tung stieg in den letz­ten bei­den Jah­ren in allen Par­tei­en an. Dabei akzen­tu­ier­te sich das par­tei­po­li­ti­sche Mus­ter, wel­ches sich seit Jahr­zehn­ten bei den Pro­porz­wah­len zeigt: Vie­le Frau­en schaf­fen die Wahl bei den rot­grü­nen Par­tei­en. Je wei­ter rechts sich aber eine Par­tei posi­tio­niert, des­to gerin­ger ihr Frauenanteil.

Am stärks­ten stieg die Frau­en­ver­tre­tung – in den Jah­ren 2020/2021 – bei den Grü­nen (+14 Pro­zent­punk­te), gefolgt von der SP, den Grün­li­be­ra­len und der «Mit­te» (je +6 Punk­te) sowie der FDP (+4 Punk­te) und der SVP (+3 Punkte).

Die­se Ver­än­de­run­gen der Frau­en­an­tei­le in den Jah­ren 2020/2021 basie­ren auf fol­gen­den Ver­än­de­run­gen in abso­lu­ten Zah­len: Bei den Grü­nen leg­ten die Frau­en um 33 Man­da­te zu, die Män­ner um sie­ben, bei den Grün­li­be­ra­len stei­ger­ten sich die Frau­en um 14 Man­da­te und die Män­ner um 16. Bei der «Mit­te» (ehem. CVP/BDP) stieg die Zahl der gewähl­ten Frau­en um acht, bei FDP/LP um vier und bei der SVP um sie­ben. Dage­gen sank bei die­sen Par­tei­en die Män­ner­ver­tre­tung mar­kant («Mit­te»: ‑27, FDP/LP: ‑33, SVP: ‑23). Ähn­lich war das Ver­än­de­rungs­mus­ter bei der SP: Sie büss­te in den zwölf Kan­tons­par­la­men­ten einen Frau­en­sitz und dreis­sig Män­ner­sit­ze ein.

Mit Blick auf sämt­li­che kan­to­na­le Par­la­men­te weist die Frau­en­ver­tre­tung nun bei den Grü­nen und bei der SP Pari­tät auf (51% bzw. 50%). Bei den Grün­li­be­ra­len beträgt der Frau­en­an­teil neu vier­zig Pro­zent, bei der «Mit­te» 29 Pro­zent, bei der FDP 25 Pro­zent und bei der SVP 16 Prozent.

Zahl der Regierungsrätinnen leicht gestiegen

In allen Kan­to­nen, in denen 2020/2021 Par­la­ments­wah­len statt­fan­den, wur­den auch Regie­rungs­wah­len durch­ge­führt. Zusätz­lich wur­de, wie jedes Jahr, die Regie­rung in Appen­zell Inner­rho­den gewählt (und in Genf fand eine Ersatz­wahl statt, bei der ein FDP-Mann durch eine Frau der Grü­nen ersetzt wur­de). In zwei Kan­to­nen sank die Zahl der Regie­rungs­rä­tin­nen, in sechs Kan­to­nen stieg sie. Per sal­do wur­den so in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren drei Frau­en mehr in die Regie­run­gen gewählt, sodass in den Kan­to­nen nun ins­ge­samt 41 Frau­en und 113 Män­ner regie­ren (Frau­en­an­teil: 27%).

Viele rotgrüne Regierungsrätinnen

Mit Blick auf die Ver­tei­lung sämt­li­cher Regie­rungs­sit­ze nach Geschlecht und Par­tei sind 19 der 41 Frau­en­man­da­te in rot­grü­ner Hand. Dabei sind die Frau­en bei den Grü­nen in der Mehr­heit (5 Frau­en, 3 Män­ner), bei der SP machen die Frau­en 45 Pro­zent aus (14 F, 17 M). Das ein­zi­ge Regie­rungs­man­dat der Grün­li­be­ra­len hat in Basel-Stadt eine Frau inne. Dage­gen wird bei FDP/LP, der «Mit­te» und der SVP nur gera­de rund jedes fünf­te Regie­rungs­amt von einer Frau aus­ge­übt (Frau­en­an­teil bei der «Mit­te»: 22%, FDP/LP: 20,5% und SVP 18,5%).

Vier Kantone mit Frauenmehrheit

2020/2021 wur­de in sechs Kan­to­nen je eine Frau zusätz­lich in die Regie­rung gewählt (SO, BS, SG, NE, JU sowie GE). In Solo­thurn erreich­ten damit die Frau­en die Mehr­heit. Neben Solo­thurn gibt es noch in drei wei­te­ren Kan­to­nen eine Frau­en­mehr­heit (ZH, TG, VD). 2014 war der Kan­ton Waadt noch der einzige.

Abbildung 2: Kantonale Regierungswahlen: Gewählte Frauen in Prozent (Vergleich 2021 und 2014)

Datenbasis: BFS
Sieben Kantonsregierungen ohne Frauen

Der Ten­denz zu Frau­en­mehr­hei­ten steht seit 2014 eine Ten­denz zu Regie­run­gen ohne Frau­en gegen­über. In den Jah­ren 2020/2021 sank die Zahl der Frau­en in den Regie­run­gen in zwei Kan­to­nen (UR: ‑2, VS: ‑1), womit die­se bei­den Kan­tons­re­gie­run­gen zu rei­nen Män­ner­gre­mi­en wur­den. Sie sind nicht die ein­zi­gen: Es gibt noch fünf wei­te­re Kan­to­ne, die sich den Ana­chro­nis­mus leis­ten, ohne Frau­en zu regie­ren (LU, AR, GR, AG, TI). Das ist umso ernüch­tern­der, als es 2014 kei­nen ein­zi­gen Kan­ton ohne Frau­en­ver­tre­tung gab.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag wur­de am 29. Novem­ber 2021 im Jour­nal 21 erstpubliziert.

Bild: Regie­rungs­rat Kan­ton Solothurn

image_pdfimage_print