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Die Frauen bei den kantonalen Wahlen 2020–2021: Fortschritte, aber auch einige Rückschläge

Werner Seitz
16th Dezember 2021

Seit den eidgenössischen Wahlen vom Herbst 2019 fanden in zwölf Kantonen Parlamentswahlen und in 13 Kantonen Regierungswahlen statt. Somit ist die Zeit für eine Halbzeitbilanz in Bezug auf die Frauenvertretung in der kantonalen Politik gekommen.

In den kantonalen Parlamenten steigerten die Frauen ihre Vertretung um rund drei Prozentpunkte auf 32 Prozent und in den Kantonsregierungen um zwei Punkte auf 27 Prozent. Das entspricht zwar in der Tendenz den eidgenössischen Wahlen, im Ausmass ist der Vormarsch der Frauen aber deutlich geringer. Zudem sind in einigen Kantonen auch Rückschritte zu verzeichnen.

Steigerung bei jeder zweiten Parlamentswahl

In drei kantonalen Parlamentswahlen war die Zunahme des Frauenanteils grösser als bei den eidgenössischen Wahlen von 2019: In Basel-Stadt stieg sie um elf Prozentpunkte auf 42 Prozent, im Wallis um 15 Punkte auf 35 Prozent und in Neuenburg gar um 24 Punkte auf 58 Prozent.

Um je rund acht Prozentpunkte zugelegt haben die Frauen bei den Parlamentswahlen in St. Gallen und im Thurgau (auf 27% bzw. auf 34%). Bei den letzten kantonalen Wahlen in Freiburg stieg die Frauenvertretung um 4,5 Punkte auf 34 Prozent.

Lediglich um einen bis drei Prozentpunkte wuchs die Frauenvertretung in drei Kantonen (SO, UR, SH); im Jura stagnierte sie. In diesen vier Kantonen beträgt der Frauenanteil zwischen 25 und dreissig Prozent.

Rückschläge gab es in den Kantonen Aargau und Schwyz zu verzeichnen: Die Frauenvertretung sank um je fünf Punkte auf 31 Prozent bzw. neun Prozent.

Abbildung 1: Kantonale Parlamentswahlen 2020-2021: Gewählte Frauen in Prozent (Stand: jüngste Wahlen und Veränderung)
Datenbasis: BFS
Frauenanteil zwischen neun und 58 Prozent

Mit Blick auf alle Kantonsparlamente, also auch auf jene, die vor den eidgenössischen Wahlen gewählt haben, ist die Frauenvertretung zur Zeit am schwächsten – mit weniger als 25 Prozent – in Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Glarus und in Nidwalden; am niedrigsten liegt der Frauenanteil in Schwyz bei skandalösen neun Prozent.

Vierzig Prozent und mehr beträgt die Frauenvertretung hingegen in den beiden Basel, in Zürich und in Neuenburg. Das Neuenburger Kantonsparlament ist mit 58 Prozent Frauen das bisher einzige kantonale Parlament, in dem die Frauen in der Mehrheit sind.

Parität bei Rotgrün

Die Frauenvertretung stieg in den letzten beiden Jahren in allen Parteien an. Dabei akzentuierte sich das parteipolitische Muster, welches sich seit Jahrzehnten bei den Proporzwahlen zeigt: Viele Frauen schaffen die Wahl bei den rotgrünen Parteien. Je weiter rechts sich aber eine Partei positioniert, desto geringer ihr Frauenanteil.

Am stärksten stieg die Frauenvertretung – in den Jahren 2020/2021 – bei den Grünen (+14 Prozentpunkte), gefolgt von der SP, den Grünliberalen und der «Mitte» (je +6 Punkte) sowie der FDP (+4 Punkte) und der SVP (+3 Punkte).

Diese Veränderungen der Frauenanteile in den Jahren 2020/2021 basieren auf folgenden Veränderungen in absoluten Zahlen: Bei den Grünen legten die Frauen um 33 Mandate zu, die Männer um sieben, bei den Grünliberalen steigerten sich die Frauen um 14 Mandate und die Männer um 16. Bei der «Mitte» (ehem. CVP/BDP) stieg die Zahl der gewählten Frauen um acht, bei FDP/LP um vier und bei der SVP um sieben. Dagegen sank bei diesen Parteien die Männervertretung markant («Mitte»: -27, FDP/LP: -33, SVP: -23). Ähnlich war das Veränderungsmuster bei der SP: Sie büsste in den zwölf Kantonsparlamenten einen Frauensitz und dreissig Männersitze ein.

Mit Blick auf sämtliche kantonale Parlamente weist die Frauenvertretung nun bei den Grünen und bei der SP Parität auf (51% bzw. 50%). Bei den Grünliberalen beträgt der Frauenanteil neu vierzig Prozent, bei der «Mitte» 29 Prozent, bei der FDP 25 Prozent und bei der SVP 16 Prozent.

Zahl der Regierungsrätinnen leicht gestiegen

In allen Kantonen, in denen 2020/2021 Parlamentswahlen stattfanden, wurden auch Regierungswahlen durchgeführt. Zusätzlich wurde, wie jedes Jahr, die Regierung in Appenzell Innerrhoden gewählt (und in Genf fand eine Ersatzwahl statt, bei der ein FDP-Mann durch eine Frau der Grünen ersetzt wurde). In zwei Kantonen sank die Zahl der Regierungsrätinnen, in sechs Kantonen stieg sie. Per saldo wurden so in den vergangenen zwei Jahren drei Frauen mehr in die Regierungen gewählt, sodass in den Kantonen nun insgesamt 41 Frauen und 113 Männer regieren (Frauenanteil: 27%).

Viele rotgrüne Regierungsrätinnen

Mit Blick auf die Verteilung sämtlicher Regierungssitze nach Geschlecht und Partei sind 19 der 41 Frauenmandate in rotgrüner Hand. Dabei sind die Frauen bei den Grünen in der Mehrheit (5 Frauen, 3 Männer), bei der SP machen die Frauen 45 Prozent aus (14 F, 17 M). Das einzige Regierungsmandat der Grünliberalen hat in Basel-Stadt eine Frau inne. Dagegen wird bei FDP/LP, der «Mitte» und der SVP nur gerade rund jedes fünfte Regierungsamt von einer Frau ausgeübt (Frauenanteil bei der «Mitte»: 22%, FDP/LP: 20,5% und SVP 18,5%).

Vier Kantone mit Frauenmehrheit

2020/2021 wurde in sechs Kantonen je eine Frau zusätzlich in die Regierung gewählt (SO, BS, SG, NE, JU sowie GE). In Solothurn erreichten damit die Frauen die Mehrheit. Neben Solothurn gibt es noch in drei weiteren Kantonen eine Frauenmehrheit (ZH, TG, VD). 2014 war der Kanton Waadt noch der einzige.

Abbildung 2: Kantonale Regierungswahlen: Gewählte Frauen in Prozent (Vergleich 2021 und 2014)

Datenbasis: BFS
Sieben Kantonsregierungen ohne Frauen

Der Tendenz zu Frauenmehrheiten steht seit 2014 eine Tendenz zu Regierungen ohne Frauen gegenüber. In den Jahren 2020/2021 sank die Zahl der Frauen in den Regierungen in zwei Kantonen (UR: -2, VS: -1), womit diese beiden Kantonsregierungen zu reinen Männergremien wurden. Sie sind nicht die einzigen: Es gibt noch fünf weitere Kantone, die sich den Anachronismus leisten, ohne Frauen zu regieren (LU, AR, GR, AG, TI). Das ist umso ernüchternder, als es 2014 keinen einzigen Kanton ohne Frauenvertretung gab.


Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 29. November 2021 im Journal 21 erstpubliziert.

Bild: Regierungsrat Kanton Solothurn