Vorschläge zur Stärkung des Parlaments in ausserordentlichen Lagen

Die Bun­des­ver­samm­lung hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in ver­schie­de­nen Berei­chen ihre Macht aus­ge­baut. Die Vor­gän­ge im Zusam­men­hang mit der Coro­na-Pan­de­mie stel­len die­se Bestre­bun­gen des Par­la­ments wie­der infra­ge. Bereits auf­grund des Ver­fah­rens­rechts war das Par­la­ment für meh­re­re Wochen gelähmt. In der Sache hat es dem Bun­des­rat wäh­rend gerau­mer Zeit still­schwei­gend die Gesetz­ge­bungs­ho­heit über­las­sen. Die Autorin und der Autor der am Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) ent­stan­de­nen Stu­die zei­gen auf, wie die Hand­lungs­fä­hig­keit des Par­la­ments in mate­ri­el­ler und ver­fah­rens­recht­li­cher Hin­sicht gesi­chert wer­den könn­te, sodass künf­ti­ge Kri­sen das ste­ti­ge Rin­gen des Par­la­ments um mehr Macht nicht zur Maku­la­tur wer­den lassen.

In einer Schwach­stel­len­ana­ly­se kom­men ZDA-Direk­tor Prof. Dr. Andre­as Gla­ser und Kat­ja Gfel­ler zum Schluss, dass die Bun­des­ver­samm­lung struk­tu­rell schwach auf­ge­stellt war — und immer noch ist. Ers­tens ver­la­gern die Räte in Kri­sen­si­tua­tio­nen einen gros­sen Teil der Ver­ant­wor­tung auf ihre unge­nü­gend legi­ti­mier­ten Rats­bü­ros. Zwei­tens fehlt eine expli­zi­te Pflicht, in Not­si­tua­tio­nen Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men — obschon die Bun­des­ver­samm­lung obers­te Gewalt im Bund ist. Drit­tens sind die Ver­fah­ren und die Arbeits­wei­se der Räte unge­eig­net, in beson­de­ren Lagen eine kon­struk­ti­ve und den Bun­des­rat kon­trol­lie­ren­de Rol­le zu übernehmen. 

Der Autor und die Autorin schla­gen meh­re­re Refor­men vor, um das Par­la­ment in Kri­sen­si­tua­tio­nen zu stärken:

  • Not­ver­ord­nun­gen des Bun­des­rats sol­len dem Par­la­ment innert einer Woche zur Geneh­mi­gung vor­ge­legt wer­den, und nicht wie heu­te erst nach sechs Mona­ten. Gleich­zei­tig ist sicher­zu­stel­len, dass die Exe­ku­ti­ve nicht aus­weicht und Not­ver­ord­nun­gen auf einer ande­ren Rechts­grund­la­ge erlässt (Art. 184 Abs. 3 BV statt Art. 185 Abs. 3 BV).
  • Die Rats­bü­ros müs­sen — ana­log zur Auf­bie­tung von Trup­pen der Armee — ver­pflich­tet wer­den, in aus­ser­or­dent­li­chen Situa­tio­nen unver­züg­lich Sit­zun­gen anzuberaumen.
  • Für den Fall, dass phy­si­sche Sit­zun­gen nicht mög­lich sind, sol­len die Räte imstan­de sein, Ver­samm­lun­gen auf elek­tro­ni­schem Weg durchzuführen.

Die Stu­die
Andre­as Gla­ser / Kat­ja Gfel­ler, Das Rin­gen des Par­la­ments um mehr Macht, in: Jus­let­ter 5. Okto­ber 2020

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