Wie man ein Referendum gewinnt

Seit Beginn des neuen Jahrtausends kam es in der Schweiz bereits zu 52 Abstimmungen über fakultative Referenden. In elf Fällen waren die Referendumsführer erfolgreich und gewannen die Abstimmung. In allen anderen Fällen waren die Referendumsführer aber nicht erfolgreich und die ausgearbeitete Gesetzesvorlage von Regierung und Parlament überzeugte auch das Stimmvolk. In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, was bei einer Referendumskampagne der Schlüssel zum Erfolg ausmacht.
 
Der schweizerische Gesetzgebungsprozess ist lange und auf Konsens ausgelegt. In der Regel wird dabei versucht, einen Kompromiss zu schmieden, mit dem alle – auch in Anbetracht der politischen Realitäten – leben können. Das Ziel ist dabei auch, Referenden zu verhindern oder zumindest deren Chancen auf Erfolg zu minimieren.
 

Referenden kommen häufig von links

Häufig ist es die politische Linke, die am Ende eines Gesetzgebungsprozesses das Referendum trotzdem ergreift. Dies tut sie vor allem dann, wenn sie sich im Parlament übergangen fühlt. Nicht selten ist es auch so, dass es kleinere Organisationen aus linken Kreisen sind, die ein Referendum ergreifen und die etablierten linken Parteien (also vor allem SP und Grüne) dazu bringen, dieses zu unterstützen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Referendum gegen die Sozialhilfedetektive. Die parlamentarische Linke war mit dem Gesetz zwar nicht zufrieden, ergriff aber kein Referendum, um keine Diskussion über Sozialhilfemissbrauch anzuheizen. Das Referendum wurde dann durch eine Gruppe von Einzelpersonen ergriffen, die einen sehr engagierten Abstimmungskampf betrieben. Doch am Abstimmungssonntag wurde die Regierungsvorlage vom Stimmvolk mit 65 Ja-Stimmenanteil deutlich angenommen.
 
Das war kein Einzelfall, denn linke Referenden sind an der Urne häufig erfolglos.So konnte die Linke mehrere Asylgesetzrevisionen oder auch die zweite Gotthardröhre nicht verhindern. Auch zahlreiche sozialpolitische Vorlagen wurden trotz Referendum von links angenommen: Das Arbeitsgesetz (Tankstellenshops), die Revision der Arbeitslosenversicherung, die Unternehmenssteuerreform II, die 5. IV-Revision, das Arbeitsgesetz (Sonntagsarbeit) und das Arbeitslosenversicherungsgesetz.
 

Auch rechtsbürgerliche und religiöse Kreise erleiden an der Urne häufig Schiffbruch

Gelegentlich ergreifen auch rechtsbürgerliche Kreise das Referendum. Meistens bleiben jedoch auch sie ohne Erfolg. So scheiterten bis jetzt alle Referenden gegen Vorlagen, die direkt oder am Rande die bilateralen Verträge tangierten: Die neue EU-Waffenrichtlinie, die Einführung des biometrischen Passes, die Weiterführung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien, die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas, die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit, Schengen/Dublin – und notabene noch kurz vor Beginn des neuen Jahrtausends die bilateralen Verträge I selbst.
 
Auch rechts-religiöse Kreise ergreifen gegen gesellschaftspolitische Vorlagen bisweilen das Referendum, haben es aber ebenfalls schwer: Das Verbot der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, die Fortpflanzungsmedizin, das Betäubungsmittelgesetz, die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare, die Stammzellenforschung, der Erwerbsersatz bei Mutterschaft, die Fristenregelung – alle diese Referendumgsvorlagen erlitten an der Urne Schiffbruch.

Wer gewinnt Referendumskämpfe – und wie?

Bei sieben erfolgreichen Referenden war es die Linke, die das Referendum ergriffen hatte. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei wie folgt: Die Linke gewinnt dann Referendumskämpfe, wenn es ihr gelingt, die Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass der breite Mittelstand bei einer Vorlage etwas zu verlieren hat oder dass für etwas, das der Mittelstand gar nicht will, hohe Kosten auf ihn zukommen. Dies war bei den folgenden erfolgreichen Referenden der Fall:
 

  • Elektrizitätsmarktgesetz (2002)
  • Steuerpacket (2004)
  • Änderung Mietrecht (2004)
  • 11. AHV-Revision (2004)
  • Umwandlungssatz (2010)
  • Gripen-Kampfflugzeuge (2014)
  • Unternehmenssteuerreform III (2017)

 
Auch das Referendum gegen Managed Care war 2012 erfolgreich. Es kann nicht als klassisch linkes Referendum bezeichnet werden, passt vom Schema her aber zu den oben erwähnten Fällen. Ich will übrigens nicht sagen, dass Herr und Frau Schweizer nur gemäss des unmittelbaren Eigennutzens abstimmen. Ich beobachte in Fokusgruppen immer wieder, dass sie durchaus für eine Argumentation im Sinne des Gemeinwohls empfänglich sind. Die Wörter „gelingen“ und „überzeugen“ aus dem oben formulierten Schlüssel sind folglich entscheidend.
 
Die ideologische Spiegelung dieser linken Abstimmungserfolge ist das Referendum gegen die Erhöhung der Autobahn-Vignette. Es wurde von autofreundlichen Kreisen (Auto Schweiz, TCS) lanciert und wurde vor allem deshalb gewonnen, weil der Preis der Autobahnvignette hätte erhöht werden sollen.
 
Ein Sonderfall unter den erfolgreichen Referenden ist dasjenige gegen die Altersvorsorge 2020. Der Bruch ging quer durch die bürgerlichen Mitteparteien hindurch: die CVP kämpfte mit der moderaten Linken für ein JA, die FDP und die SVP mit Linksaussen für ein Nein. Ein zweiter Sonderfall ist schliesslich auch die Buchpreisbindung, welche 2012 abgelehnt wurde. Dabei ist es den Referendumsführern gelungen, Aufmerksamkeit für ein Anliegen zu erzeugen, über das sonst nicht jede Woche in der Arena diskutiert wird.


Bild: https://www.eu-logos.org

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