Wahlen im Kanton St. Gallen: Frauen besser vertreten als bisher

Die kan­to­na­len Wah­len in St. Gal­len waren die ers­ten nach den eid­ge­nös­si­schen Wah­len vom Herbst 2019. Und es zeigt sich: eini­ge Trends hal­ten an. Die Grü­nen und die Grün­li­be­ra­len leg­ten deut­lich zu, die SVP, aber auch die FDP und SP ver­lo­ren. Und die Frau­en sind in der Legis­la­ti­ve von St. Gal­len künf­tig bes­ser ver­tre­ten als bisher. 

Im neu gewähl­ten St. Gal­ler Kan­tons­rat wer­den mit 32 so vie­le Frau­en Platz neh­men wie noch nie. Der Frau­en­an­teil beträgt in der kom­men­den Legis­la­tur­pe­ri­ode rund 27 Pro­zent, was zwar hin­ter dem gesamt­schwei­ze­ri­schen Mit­tel liegt, aber für den Kan­ton St. Gal­len eine deut­li­che Stei­ge­rung zur vor­an­ge­hen­den Legis­la­tur bedeu­tet (Abbil­dung 1).

Abbildung 1: Frauenanteil in den kantonalen Legislativen — Vergleich St. Gallen und Schweiz, 1972–2020

Der Anteil der Kan­di­da­tin­nen auf den Lis­ten für die St. Gal­ler Kan­tons­rats­wah­len vom 8. März 2020 lag deut­lich höher als in den bei­den vor­an­ge­hen­den Wahl­gän­gen. 2020 war jede drit­te Kan­di­da­tur für den Kan­tons­rat die einer Poli­ti­ke­rin. Aller­dings waren die Kan­di­da­tin­nen nicht gleich­mäs­sig über alle Par­tei­en ver­teilt, wie Abbil­dung 2 zu ent­neh­men ist.

Abbildung 2: Frauenanteil auf den Listen der zur Wahl angetretenen Parteien, 2012–2020

Die Grü­nen stell­ten als ein­zi­ge Par­tei mehr Frau­en als Män­ner auf, der Frau­en­an­teil auf den Lis­ten betrug 55 Pro­zent. Bei der EDU kan­di­dier­ten genau gleich vie­le Frau­en wie Män­ner, bei der SP und der EVP etwas mehr Män­ner als Frau­en, der Frau­en­an­teil auf den Lis­ten lag aber deut­lich über 40 Pro­zent. Unter den Par­tei­lo­sen waren eben­falls fast 40 Pro­zent Frauen.

Bei der GLP  und der CVP betrug der Frau­en­an­teil unge­fähr dreis­sig Pro­zent, bei der FDP war jede vier­te Kan­di­da­tur die einer Frau. Auf den Lis­ten der SVP hin­ge­gen waren 14 Pro­zent Kan­di­da­tin­nen, einen noch tie­fe­ren Frau­en­an­teil wie­sen nur die BDP und die SD auf, näm­lich null. Die SVP konn­te ihren Frau­en­an­teil gegen­über den Wah­len vor vier Jah­ren aller­dings etwas stei­gern, wäh­rend der BDP und der SD in den letz­ten vier resp. acht Jah­ren die Kan­di­da­tin­nen offen­bar ganz abhan­den gekom­men sind.

Hoher Frauenanteil unter den Gewählten bei GLP und SP

Die Frak­ti­on der GLP besteht neu aus drei Kan­tons­rä­tin­nen und zwei Kan­tons­rä­ten, der Frau­en­an­teil beträgt somit sech­zig Pro­zent und liegt damit so hoch wie in kei­ner ande­ren Frak­ti­on in der St. Gal­ler Legis­la­ti­ve. In der SP beträgt der Anteil an Kan­tons­rä­tin­nen etwas über vier­zig Pro­zent, bei den Grü­nen sind ein Drit­tel der Gewähl­ten Frau­en (Abbil­dung 3).

Abbildung 3: Der Frauenanteil in den Fraktionen im St. Galler Kantonsrat (Wahltag 8. März 2020)

Die CVP und FDP-Frak­ti­on wei­sen einen Frau­en­an­teil von je etwas unter dreis­sig Pro­zent auf, am tiefs­ten liegt der Anteil an Kan­tons­rä­tin­nen bei der SVP mit nur gut zehn Prozent.

Wahlchancen der Kandidatinnen und Kandidaten gleich

Die Wahl­chan­cen der Kan­di­da­tin­nen bei den Kan­tons­rats­wah­len in St. Gal­len unter­schie­den sich hin­ge­gen nicht signi­fi­kant von den­je­ni­gen der Kan­di­da­ten.[1]

Betrach­tet man aber die erhal­te­nen Stim­men pro Par­tei und Kan­di­da­tin resp. Kan­di­dat, so zeigt sich, dass die Kan­di­da­tin­nen auf den Lis­ten der SP und der FDP im Durch­schnitt mehr Stim­men erhal­ten haben als ihre Par­tei­kol­le­gen (Abbil­dung 4).

Abbildung 4: In der SP und der FDP erhielten Frauen mehr Stimmen als Männer (unter Berücksichtigung von Bisherigenstatus, Listenplatz, Wahlkreis und Alter)

Keine Listenplatzunterschiede der Geschlechter
Die Par­tei­en in der Schweiz sind grund­sätz­lich frei, ihre Lis­ten­plät­ze nach eige­nem Gut­dün­ken zu ver­ge­ben. In eini­gen (kan­to­na­len) Par­tei­en gibt es dies­be­züg­lich fest­ge­leg­te Regeln, in ande­ren Par­tei­en wird dies von der Par­tei­lei­tung ent­schie­den oder hängt von ande­ren Fak­to­ren ab. Bis­he­ri­ge ste­hen meis­tens auf den obe­ren Listenplätzen.

Grund­sätz­lich gilt: Je wei­ter oben ein Name auf einer Wahl­lis­te, des­to bes­ser sind die Wahl­chan­cen. Wie eine ent­spre­chen­de Aus­wer­tung zeigt, waren bei den Kan­tons­rats­wah­len in St. Gal­len Frau­en und Män­ner sämt­li­cher Par­tei­en auf gleich guten Lis­ten­plät­zen zu fin­den (Abbil­dung 5).

Abbildung 5: Listenplatzpositionierung der Frauen (unter Berücksichtigung von Bisherigenstatus, Wahlkreis und Alter)

Bessere Wahlquoten für Frauen der GLP, FDP und CVP

Betrach­tet man die Wahl­quo­ten der neu gewähl­ten Kan­tons­rä­tin­nen und ‑räte, so wei­sen die GLP-Frau­en höhe­re Wer­te aus als die GLP-Män­ner (Abbil­dung 6). Wie bereits vor vier resp. acht Jah­ren wur­den bei der GLP die Frau­en bes­ser gewählt als ihre Parteikollegen.

Auch bei der FDP und der CVP schnit­ten die Kan­di­da­tin­nen bei den Wah­len 2020 bes­ser ab als ihre par­tei­in­ter­nen Kon­kur­ren­ten. Vor allem die FDP-Frau­en hol­ten somit gegen­über den Wah­len 2012 und 2016 deut­lich auf.

Abbildung 6: Wahlquoten für Frauen und Männer pro Partei,  2020

Bei allen ande­ren Par­tei­en schnit­ten die Kan­di­da­ten bes­ser ab als die Kan­di­da­tin­nen. Vor allem bei den Grü­nen liegt die Wahl­quo­te der Kan­di­da­tin­nen deut­lich unter derer der Kan­di­da­ten, was aber eine Fol­ge davon ist, dass auf den Lis­ten der Grü­nen die Frau­en in der Mehr­heit sind.

Abbildung 7: Wahlquoten der Frauen, Vergleich Kantonsratswahlen 2012, 2016 und 2020

 

Abschlies­send kann gesagt wer­den, dass die Kan­tons­rats­wah­len in St. Gal­len bestä­ti­gen, was seit eini­ger Zeit in der Schweiz zu beob­ach­ten ist: Der Frau­en­an­teil in einem Par­la­ment steigt an, wenn die Par­tei­en dar­um bemüht sind, einen hohen Frau­en­an­teil auf ihren Lis­ten zu haben und den Kan­di­da­tin­nen genau­so gute Lis­ten­plät­ze zukom­men las­sen wie den Kandidaten.

 

[1] Bei den Natio­nal­rats­wah­len 2019 und bei den Par­la­ments­wah­len im Früh­jahr 2019 im Kan­ton Zürich lagen die abso­lu­ten Wahl­chan­cen der Kan­di­da­tin­nen höher als die der Kandidaten.


Daten­ba­sis: Sta­tis­tik Kan­ton St. Gallen

Bild: DeFac­to

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