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Wahlen im Kanton St. Gallen: Frauen besser vertreten als bisher

Sarah Bütikofer, Alessandro Feller
12th März 2020

Die kantonalen Wahlen in St. Gallen waren die ersten nach den eidgenössischen Wahlen vom Herbst 2019. Und es zeigt sich: einige Trends halten an. Die Grünen und die Grünliberalen legten deutlich zu, die SVP, aber auch die FDP und SP verloren. Und die Frauen sind in der Legislative von St. Gallen künftig besser vertreten als bisher.

Im neu gewählten St. Galler Kantonsrat werden mit 32 so viele Frauen Platz nehmen wie noch nie. Der Frauenanteil beträgt in der kommenden Legislaturperiode rund 27 Prozent, was zwar hinter dem gesamtschweizerischen Mittel liegt, aber für den Kanton St. Gallen eine deutliche Steigerung zur vorangehenden Legislatur bedeutet (Abbildung 1).

Abbildung 1: Frauenanteil in den kantonalen Legislativen - Vergleich St. Gallen und Schweiz, 1972-2020

Der Anteil der Kandidatinnen auf den Listen für die St. Galler Kantonsratswahlen vom 8. März 2020 lag deutlich höher als in den beiden vorangehenden Wahlgängen. 2020 war jede dritte Kandidatur für den Kantonsrat die einer Politikerin. Allerdings waren die Kandidatinnen nicht gleichmässig über alle Parteien verteilt, wie Abbildung 2 zu entnehmen ist.

Abbildung 2: Frauenanteil auf den Listen der zur Wahl angetretenen Parteien, 2012-2020

Die Grünen stellten als einzige Partei mehr Frauen als Männer auf, der Frauenanteil auf den Listen betrug 55 Prozent. Bei der EDU kandidierten genau gleich viele Frauen wie Männer, bei der SP und der EVP etwas mehr Männer als Frauen, der Frauenanteil auf den Listen lag aber deutlich über 40 Prozent. Unter den Parteilosen waren ebenfalls fast 40 Prozent Frauen.

Bei der GLP  und der CVP betrug der Frauenanteil ungefähr dreissig Prozent, bei der FDP war jede vierte Kandidatur die einer Frau. Auf den Listen der SVP hingegen waren 14 Prozent Kandidatinnen, einen noch tieferen Frauenanteil wiesen nur die BDP und die SD auf, nämlich null. Die SVP konnte ihren Frauenanteil gegenüber den Wahlen vor vier Jahren allerdings etwas steigern, während der BDP und der SD in den letzten vier resp. acht Jahren die Kandidatinnen offenbar ganz abhanden gekommen sind.

Hoher Frauenanteil unter den Gewählten bei GLP und SP

Die Fraktion der GLP besteht neu aus drei Kantonsrätinnen und zwei Kantonsräten, der Frauenanteil beträgt somit sechzig Prozent und liegt damit so hoch wie in keiner anderen Fraktion in der St. Galler Legislative. In der SP beträgt der Anteil an Kantonsrätinnen etwas über vierzig Prozent, bei den Grünen sind ein Drittel der Gewählten Frauen (Abbildung 3).

Abbildung 3: Der Frauenanteil in den Fraktionen im St. Galler Kantonsrat (Wahltag 8. März 2020)

Die CVP und FDP-Fraktion weisen einen Frauenanteil von je etwas unter dreissig Prozent auf, am tiefsten liegt der Anteil an Kantonsrätinnen bei der SVP mit nur gut zehn Prozent.

Wahlchancen der Kandidatinnen und Kandidaten gleich

Die Wahlchancen der Kandidatinnen bei den Kantonsratswahlen in St. Gallen unterschieden sich hingegen nicht signifikant von denjenigen der Kandidaten.[1]

Betrachtet man aber die erhaltenen Stimmen pro Partei und Kandidatin resp. Kandidat, so zeigt sich, dass die Kandidatinnen auf den Listen der SP und der FDP im Durchschnitt mehr Stimmen erhalten haben als ihre Parteikollegen (Abbildung 4).

Abbildung 4: In der SP und der FDP erhielten Frauen mehr Stimmen als Männer (unter Berücksichtigung von Bisherigenstatus, Listenplatz, Wahlkreis und Alter)

Keine Listenplatzunterschiede der Geschlechter
Die Parteien in der Schweiz sind grundsätzlich frei, ihre Listenplätze nach eigenem Gutdünken zu vergeben. In einigen (kantonalen) Parteien gibt es diesbezüglich festgelegte Regeln, in anderen Parteien wird dies von der Parteileitung entschieden oder hängt von anderen Faktoren ab. Bisherige stehen meistens auf den oberen Listenplätzen.

Grundsätzlich gilt: Je weiter oben ein Name auf einer Wahlliste, desto besser sind die Wahlchancen. Wie eine entsprechende Auswertung zeigt, waren bei den Kantonsratswahlen in St. Gallen Frauen und Männer sämtlicher Parteien auf gleich guten Listenplätzen zu finden (Abbildung 5).

Abbildung 5: Listenplatzpositionierung der Frauen (unter Berücksichtigung von Bisherigenstatus, Wahlkreis und Alter)

Bessere Wahlquoten für Frauen der GLP, FDP und CVP

Betrachtet man die Wahlquoten der neu gewählten Kantonsrätinnen und -räte, so weisen die GLP-Frauen höhere Werte aus als die GLP-Männer (Abbildung 6). Wie bereits vor vier resp. acht Jahren wurden bei der GLP die Frauen besser gewählt als ihre Parteikollegen.

Auch bei der FDP und der CVP schnitten die Kandidatinnen bei den Wahlen 2020 besser ab als ihre parteiinternen Konkurrenten. Vor allem die FDP-Frauen holten somit gegenüber den Wahlen 2012 und 2016 deutlich auf.

Abbildung 6: Wahlquoten für Frauen und Männer pro Partei,  2020

Bei allen anderen Parteien schnitten die Kandidaten besser ab als die Kandidatinnen. Vor allem bei den Grünen liegt die Wahlquote der Kandidatinnen deutlich unter derer der Kandidaten, was aber eine Folge davon ist, dass auf den Listen der Grünen die Frauen in der Mehrheit sind.

Abbildung 7: Wahlquoten der Frauen, Vergleich Kantonsratswahlen 2012, 2016 und 2020

 

Abschliessend kann gesagt werden, dass die Kantonsratswahlen in St. Gallen bestätigen, was seit einiger Zeit in der Schweiz zu beobachten ist: Der Frauenanteil in einem Parlament steigt an, wenn die Parteien darum bemüht sind, einen hohen Frauenanteil auf ihren Listen zu haben und den Kandidatinnen genauso gute Listenplätze zukommen lassen wie den Kandidaten.

 

[1] Bei den Nationalratswahlen 2019 und bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2019 im Kanton Zürich lagen die absoluten Wahlchancen der Kandidatinnen höher als die der Kandidaten.


Datenbasis: Statistik Kanton St. Gallen

Bild: DeFacto