Einfach, emotional, persuasiv? Für wen und warum populistische Kommunikation überzeugend ist

Popu­lis­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on wird oft eine beson­ders gros­se Über­zeu­gungs­kraft auf die Ein­stel­lun­gen der Bürger*innen nach­ge­sagt. Ins­be­son­de­re die Ver­mitt­lung eines stark ver­ein­fach­ten Welt­bil­des sowie der Ein­satz von Emo­tio­nen sol­len die popu­lis­ti­sche Rhe­to­rik per­sua­siv machen – und zum Erfolg zahl­rei­cher rechts-popu­lis­ti­scher Par­tei­en in West­eu­ro­pa bei­getra­gen haben. Die­se Annah­men stim­men jedoch nur zum Teil. Das ver­ein­fach­te popu­lis­ti­sche Welt­bild über­zeugt vor allem jene, die der popu­lis­ti­schen Ideo­lo­gie ohne­hin zuge­neigt sind. Die emo­tio­na­le Kom­po­nen­te hin­ge­gen trägt unab­hän­gig der indi­vi­du­el­len Vor­ein­stel­lung zu einer Zustim­mung zu popu­lis­ti­schen For­de­run­gen bei.

Popu­lis­ti­sche Par­tei­en, ob mit rech­ter oder lin­ker Ori­en­tie­rung, gewin­nen in vie­len Regio­nen der Welt an poli­ti­schem Ein­fluss. Eine Viel­zahl neu­er wis­sen­schaft­li­cher Unter­su­chun­gen ver­sucht dies zu erklä­ren. Einer­seits wird häu­fig ver­mu­tet, dass die Mas­sen­me­di­en popu­lis­ti­sche Akteu­re unter­stüt­zen, weil sie ihnen in der Bericht­erstat­tung viel Auf­merk­sam­keit wid­men. Ande­rer­seits wird popu­lis­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on eine hohe Per­sua­si­ons­kraft nach­ge­sagt, unter ande­rem, weil das ver­mit­tel­te Welt­bild sehr ein­fach ist und oft durch emo­tio­na­le Kom­po­nen­ten ergänzt wird. Aber führt viel Popu­lis­mus in den Medi­en wirk­lich zu einer Ver­brei­tung der popu­lis­ti­schen Ideo­lo­gie in der Bevöl­ke­rung, und wel­che Rol­le spie­len dabei Emo­tio­nen? In zwei aktu­el­len Stu­di­en haben wir genau die­se Fra­ge­stel­lun­gen untersucht.

Popu­lis­mus wird in der Wis­sen­schaft als eine poli­ti­sche Ideo­lo­gie ver­stan­den, die ein ein­fa­ches aber dafür umso prä­gnan­te­res Welt­bild prä­sen­tiert: Die Gesell­schaft besteht aus zwei Grup­pen, die sich unver­ein­bar gegen­über­ste­hen. Auf der einen Sei­te steht das tugend­haf­te Volk, auf der ande­ren Sei­te steht die selbst­herr­li­che, unzu­läng­li­che poli­ti­sche Eli­te. Der Popu­lis­mus for­dert eine Über­ga­be der Macht aus den Hän­den zwei­fel­haf­ter Poli­ti­ker in die Hän­de des fähi­gen Vol­kes und eine unein­ge­schränk­te Umset­zung des Volks­wil­lens. Popu­lis­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on über­trägt die­se Vor­stel­lun­gen in die Öffent­lich­keit und besteht ent­spre­chend aus anti-eli­tis­ti­schen und volks­zen­tri­schen Aus­sa­gen, sowie aus der For­de­rung nach Volkssouveränität.

Kommt popu­lis­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on in den Medi­en vor, kann dies die Mei­nun­gen und Ein­stel­lun­gen der Rezipient*innen beein­flus­sen. Bereits in den 1940er-Jah­ren haben Kommunikationswissenschaftler*innen fest­ge­stellt, dass die Medi­en­be­richt­erstat­tung bestehen­de poli­ti­sche Ein­stel­lun­gen meis­tens ver­stärkt, aber nur sel­ten eine Ver­än­de­rung von Ein­stel­lun­gen her­vor­ruft. Auch bei popu­lis­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on sind sol­che Ver­stär­ker­ef­fek­te wahr­schein­lich: Unter­stützt der oder die Ein­zel­ne das popu­lis­ti­sche Welt­bild bereits, soll­ten popu­lis­ti­sche Bot­schaf­ten in den Medi­en die­se Zustim­mung wei­ter ver­stär­ken. Lehnt der oder die Ein­zel­ne die popu­lis­ti­sche Ideo­lo­gie jedoch ab, soll­ten popu­lis­ti­sche Medi­en­in­hal­te die Ableh­nung verstärken.

Mit einer in vier euro­päi­schen Metro­po­li­tan­re­gio­nen durch­ge­führ­ten Stu­die konn­ten wir genau sol­che Effek­te popu­lis­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on zei­gen. Kommt viel Popu­lis­mus in den Medi­en vor, wird eine bereits popu­lis­tisch ein­ge­stell­te Grup­pe immer popu­lis­ti­scher und eine nicht-popu­lis­ti­sche Grup­pe wird immer weni­ger popu­lis­tisch – die Gesell­schaft spal­tet sich. Sol­che Pola­ri­sie­rungs­pro­zes­se sind nicht unge­fähr­lich für die Demo­kra­tie, da sie bei­spiels­wei­se die poli­ti­sche Kon­sens­fin­dung erschweren.

Daten und Methoden
Für die Stu­die haben wir reprä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­ben in den Gross­räu­men Zürich, Ber­lin, Lon­don und Paris im Abstand eines Jah­res zwei­mal zu ihren popu­lis­ti­schen Ein­stel­lun­gen befragt. Für die Zeit zwi­schen die­sen Befra­gun­gen haben wir ana­ly­siert, wie vie­len popu­lis­ti­sche Bot­schaf­ten die Befrag­ten in den von ihnen genutz­ten Zei­tun­gen aus­ge­setzt waren.

Die Ergeb­nis­se die­ser Stu­die kön­nen jedoch nicht erklä­ren, wie­so sich die Zustim­mung zu popu­lis­ti­schen Ideen in der Bevöl­ke­rung aus­zu­wei­ten scheint. Unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen kön­nen mas­sen­me­dia­le Bot­schaf­ten nicht nur Ein­stel­lun­gen ver­stär­ken, son­dern auch neue Ein­stel­lun­gen for­men oder bestehen­de ver­än­dern. Dazu ist ein Zusam­men­spiel von Eigen­schaf­ten der Bot­schaft und Eigen­schaf­ten der Rezipient*innen erfor­der­lich. Als beson­ders wir­kungs­voll haben sich Bot­schaf­ten erwie­sen, die bei den Rezipient*innen Emo­tio­nen aus­lö­sen kön­nen. Denn unter dem Ein­fluss von Emo­tio­nen sind Men­schen geneigt, Infor­ma­tio­nen weni­ger kri­tisch zu hin­ter­fra­gen oder poli­ti­schen Lösun­gen schnel­ler zuzu­stim­men, wenn dies nega­ti­ve Gefüh­le ver­min­dert oder posi­ti­ve Gefüh­le verstärkt.

Ver­schie­de­ne Forscher*innen haben bereits den Ver­dacht geäus­sert, dass popu­lis­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on durch die mora­li­sche Gegen­über­stel­lung von Volk und Eli­te Emo­tio­nen aus­löst. In einem Expe­ri­ment haben wir die­se Annah­me über­prüft und konn­ten fest­stel­len, dass poli­ti­sche For­de­run­gen, wenn sie in einer popu­lis­ti­schen Art und Wei­se for­mu­liert wer­den, tat­säch­lich mehr Emo­tio­nen aus­lö­sen, als wenn sie nicht-popu­lis­tisch for­mu­liert sind. Und zwar sowohl nega­ti­ve Emo­tio­nen wie Ärger und Angst, als auch posi­ti­ve Emo­tio­nen wie Hoff­nung und Stolz. Je stär­ker die Teilnehmer*innen im Expe­ri­ment die­se Emo­tio­nen emp­fan­den, des­to stär­ker stimm­ten sie den prä­sen­tier­ten poli­ti­schen For­de­run­gen zu, und zwar unab­hän­gig von den indi­vi­du­el­len popu­lis­ti­schen Vor­ein­stel­lun­gen. Die Befun­de die­ses Expe­ri­ments konn­ten wir in real­welt­li­chem Kon­text mehr­heit­lich repli­zie­ren. In unse­rer Stu­die in den vier Metro­po­li­tan­re­gio­nen zeig­te sich, dass popu­lis­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on in Medi­en­be­richt­erstat­tung zum The­ma Migra­ti­on zu mehr nega­ti­ven Emo­tio­nen gegen­über Migran­ten führ­te – auch bei Per­so­nen, die eigent­lich nicht popu­lis­tisch ein­ge­stellt waren.

Ins­ge­samt weist unse­re For­schung somit dar­auf hin, dass die Medi­en zwar nicht dazu bei­tra­gen, dass sich das popu­lis­ti­sche Gedan­ken­gut in der Bevöl­ke­rung aus­brei­tet. Viel­mehr wer­den Bürger*innen in ihrer Hal­tung zum Popu­lis­mus extre­mer, je mehr sie popu­lis­ti­schen Bot­schaf­ten aus­ge­setzt sind. Geht es aber um die Zustim­mung zu kon­kre­ten poli­ti­schen For­de­run­gen, wie zum Bei­spiel bei Abstim­mun­gen, kann popu­lis­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on für die brei­te Bevöl­ke­rung über­zeu­gend wir­ken, weil sie Emo­tio­nen aus­löst. Das kann erklä­ren, wie­so popu­lis­ti­sche Akteu­re manch­mal Mehr­hei­ten für ihre Anlie­gen gewin­nen kön­nen auch wenn das Gros der Bevöl­ke­rung eigent­lich nicht popu­lis­tisch denkt.

 
Abbildung 1: Wirkung der Dosis unwidersprochener populistischer Aussagen auf populistische Einstellungen


Bild: rawpixel.com

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