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Einfach, emotional, persuasiv? Für wen und warum populistische Kommunikation überzeugend ist

Anne Schulz, Dominique Stefanie Wirz
3rd May 2019

Populistischer Kommunikation wird oft eine besonders grosse Überzeugungskraft auf die Einstellungen der Bürger*innen nachgesagt. Insbesondere die Vermittlung eines stark vereinfachten Weltbildes sowie der Einsatz von Emotionen sollen die populistische Rhetorik persuasiv machen – und zum Erfolg zahlreicher rechts-populistischer Parteien in Westeuropa beigetragen haben. Diese Annahmen stimmen jedoch nur zum Teil. Das vereinfachte populistische Weltbild überzeugt vor allem jene, die der populistischen Ideologie ohnehin zugeneigt sind. Die emotionale Komponente hingegen trägt unabhängig der individuellen Voreinstellung zu einer Zustimmung zu populistischen Forderungen bei.

Populistische Parteien, ob mit rechter oder linker Orientierung, gewinnen in vielen Regionen der Welt an politischem Einfluss. Eine Vielzahl neuer wissenschaftlicher Untersuchungen versucht dies zu erklären. Einerseits wird häufig vermutet, dass die Massenmedien populistische Akteure unterstützen, weil sie ihnen in der Berichterstattung viel Aufmerksamkeit widmen. Andererseits wird populistischer Kommunikation eine hohe Persuasionskraft nachgesagt, unter anderem, weil das vermittelte Weltbild sehr einfach ist und oft durch emotionale Komponenten ergänzt wird. Aber führt viel Populismus in den Medien wirklich zu einer Verbreitung der populistischen Ideologie in der Bevölkerung, und welche Rolle spielen dabei Emotionen? In zwei aktuellen Studien haben wir genau diese Fragestellungen untersucht.

Populismus wird in der Wissenschaft als eine politische Ideologie verstanden, die ein einfaches aber dafür umso prägnanteres Weltbild präsentiert: Die Gesellschaft besteht aus zwei Gruppen, die sich unvereinbar gegenüberstehen. Auf der einen Seite steht das tugendhafte Volk, auf der anderen Seite steht die selbstherrliche, unzulängliche politische Elite. Der Populismus fordert eine Übergabe der Macht aus den Händen zweifelhafter Politiker in die Hände des fähigen Volkes und eine uneingeschränkte Umsetzung des Volkswillens. Populistische Kommunikation überträgt diese Vorstellungen in die Öffentlichkeit und besteht entsprechend aus anti-elitistischen und volkszentrischen Aussagen, sowie aus der Forderung nach Volkssouveränität.

Kommt populistische Kommunikation in den Medien vor, kann dies die Meinungen und Einstellungen der Rezipient*innen beeinflussen. Bereits in den 1940er-Jahren haben Kommunikationswissenschaftler*innen festgestellt, dass die Medienberichterstattung bestehende politische Einstellungen meistens verstärkt, aber nur selten eine Veränderung von Einstellungen hervorruft. Auch bei populistischer Kommunikation sind solche Verstärkereffekte wahrscheinlich: Unterstützt der oder die Einzelne das populistische Weltbild bereits, sollten populistische Botschaften in den Medien diese Zustimmung weiter verstärken. Lehnt der oder die Einzelne die populistische Ideologie jedoch ab, sollten populistische Medieninhalte die Ablehnung verstärken.

Mit einer in vier europäischen Metropolitanregionen durchgeführten Studie konnten wir genau solche Effekte populistischer Kommunikation zeigen. Kommt viel Populismus in den Medien vor, wird eine bereits populistisch eingestellte Gruppe immer populistischer und eine nicht-populistische Gruppe wird immer weniger populistisch – die Gesellschaft spaltet sich. Solche Polarisierungsprozesse sind nicht ungefährlich für die Demokratie, da sie beispielsweise die politische Konsensfindung erschweren.

Daten und Methoden
Für die Studie haben wir repräsentative Stichproben in den Grossräumen Zürich, Berlin, London und Paris im Abstand eines Jahres zweimal zu ihren populistischen Einstellungen befragt. Für die Zeit zwischen diesen Befragungen haben wir analysiert, wie vielen populistische Botschaften die Befragten in den von ihnen genutzten Zeitungen ausgesetzt waren.

Die Ergebnisse dieser Studie können jedoch nicht erklären, wieso sich die Zustimmung zu populistischen Ideen in der Bevölkerung auszuweiten scheint. Unter bestimmten Voraussetzungen können massenmediale Botschaften nicht nur Einstellungen verstärken, sondern auch neue Einstellungen formen oder bestehende verändern. Dazu ist ein Zusammenspiel von Eigenschaften der Botschaft und Eigenschaften der Rezipient*innen erforderlich. Als besonders wirkungsvoll haben sich Botschaften erwiesen, die bei den Rezipient*innen Emotionen auslösen können. Denn unter dem Einfluss von Emotionen sind Menschen geneigt, Informationen weniger kritisch zu hinterfragen oder politischen Lösungen schneller zuzustimmen, wenn dies negative Gefühle vermindert oder positive Gefühle verstärkt.

Verschiedene Forscher*innen haben bereits den Verdacht geäussert, dass populistische Kommunikation durch die moralische Gegenüberstellung von Volk und Elite Emotionen auslöst. In einem Experiment haben wir diese Annahme überprüft und konnten feststellen, dass politische Forderungen, wenn sie in einer populistischen Art und Weise formuliert werden, tatsächlich mehr Emotionen auslösen, als wenn sie nicht-populistisch formuliert sind. Und zwar sowohl negative Emotionen wie Ärger und Angst, als auch positive Emotionen wie Hoffnung und Stolz. Je stärker die Teilnehmer*innen im Experiment diese Emotionen empfanden, desto stärker stimmten sie den präsentierten politischen Forderungen zu, und zwar unabhängig von den individuellen populistischen Voreinstellungen. Die Befunde dieses Experiments konnten wir in realweltlichem Kontext mehrheitlich replizieren. In unserer Studie in den vier Metropolitanregionen zeigte sich, dass populistische Kommunikation in Medienberichterstattung zum Thema Migration zu mehr negativen Emotionen gegenüber Migranten führte – auch bei Personen, die eigentlich nicht populistisch eingestellt waren.

Insgesamt weist unsere Forschung somit darauf hin, dass die Medien zwar nicht dazu beitragen, dass sich das populistische Gedankengut in der Bevölkerung ausbreitet. Vielmehr werden Bürger*innen in ihrer Haltung zum Populismus extremer, je mehr sie populistischen Botschaften ausgesetzt sind. Geht es aber um die Zustimmung zu konkreten politischen Forderungen, wie zum Beispiel bei Abstimmungen, kann populistische Kommunikation für die breite Bevölkerung überzeugend wirken, weil sie Emotionen auslöst. Das kann erklären, wieso populistische Akteure manchmal Mehrheiten für ihre Anliegen gewinnen können auch wenn das Gros der Bevölkerung eigentlich nicht populistisch denkt.

 
Abbildung 1: Wirkung der Dosis unwidersprochener populistischer Aussagen auf populistische Einstellungen


Bild: rawpixel.com