Frauen in der Bundesverwaltung unterstützen Quoten

In der Schwei­zer Bun­des­ver­wal­tung soll das Poten­zi­al der Viel­falt genutzt wer­den. Inwie­fern dazu ver­bind­li­che Quo­ten oder Soll­wer­te als Vor­ga­ben ein­zu­set­zen sind, wird kon­tro­vers dis­ku­tiert. In die­sem Bei­trag zei­gen wir, wie die Ein­füh­rung von Quo­ten von Ent­schei­dungs­trä­ge­rin­nen und ‑trä­gern inner­halb der Bun­des­ver­wal­tung beur­teilt wird.

Inner­halb der Bun­des­ver­wal­tung sind Quo­ten ein wich­ti­ges Anlie­gen, bei­spiels­wei­se auch im Hin­blick auf die Mehr­spra­chig­keit. Um zu ver­ste­hen, wie die Füh­rungs­per­so­nen der Bun­des­ver­wal­tung Quo­ten beur­tei­len, hat das Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) im Rah­men eines For­schungs­pro­jekts die Top­ka­der der Bun­des­ver­wal­tung online befragt.

Daten und Methoden
Die Daten­grund­la­ge des vor­lie­gen­den Bei­trags bil­den die zwi­schen dem 24. Okto­ber 2016 und dem 21. Novem­ber 2016 durch­ge­führ­te Online-Befra­gung des Top­ka­ders des Bun­des­ver­wal­tung zur geschlech­ter­spe­zi­fi­schen Beur­tei­lung von Quo­ten bzw. Soll­wer­ten. Die Grund­ge­samt­heit der Online-Befra­gung bil­den die höchs­ten Füh­rungs­kräf­te der sie­ben Depar­te­men­te, der Bun­des­kanz­lei oder der Par­la­ments­diens­te, die der Eid­ge­nös­si­schen Bun­des­ver­wal­tung ange­hör­ten. Das Top­ka­der umfasst alle Per­so­nen in den Lohn­klas­sen 32–38. Dazu gehö­ren Amtsdirektor*innen, Generalsekretär*innen sowie Staatssekretär*innen. Ende Sep­tem­ber 2016 waren dies ins­ge­samt 350 Per­so­nen. Davon gehö­ren 129 Per­so­nen (36,9 %) zum Bot­schafts­per­so­nal des Eid­ge­nös­si­schen Depar­te­ments für aus­wär­ti­ge Ange­le­gen­hei­ten (EDA), das vor­wie­gend im Aus­land arbei­tet. Von den 221 ange­schrie­be­nen Top­ka­dern, die nicht dem Bot­schafts­per­so­nal zuzu­rech­nen sind, haben 156 Per­so­nen an der Befra­gung teil­ge­nom­men, was einer hohen Rück­lauf­quo­te von 70,6 Pro­zent ent­spricht. Für das Bot­schafts­per­so­nal liegt die Quo­te mit 66,7 Pro­zent nur leicht tie­fer. Über alle ange­schrie­be­nen Per­so­nen betrach­tet, beträgt die Rück­lauf­quo­te gesamt­haft 69,1 Prozent 
Tabelle 1: Grundgesamtheit und Antworteingang bei der Online-Befragung des Topkaders
Grund­ge­samt­heitein­ge­gan­ge­ne Antworten
N%N%
ohne EDA22163.115670.6
EDA12936.98666.7
Total350100.024269.1
Grössere Akzeptanz von Quoten bei Frauen

Die Resul­ta­te der Online-Befra­gung zei­gen, dass Frau­en im Top­ka­der gegen­über Quo­ten ein­deu­tig posi­ti­ver ein­ge­stellt sind als Män­ner. So beur­tei­len sie alle drei in der Per­so­nal­stra­te­gie des Bun­des erwähn­ten Soll­wer­te durch­schnitt­lich als wich­ti­ger als Män­ner. Beim Soll­wert für die Spra­chen­ver­tei­lung beträgt die Dif­fe­renz zwi­schen den Geschlech­tern ca. 0,4 Punk­te, der Soll­wert für den Anteil beschäf­tig­ter Men­schen mit Behin­de­rung wird von Frau­en um knapp 0,5 Punk­te wich­ti­ger ein­ge­schätzt und beim Soll­wert für die Geschlech­ter­ver­tei­lung beträgt die Geschlech­ter­dif­fe­renz im Durch­schnitt sogar 0,7 Punk­te. Die Unter­schie­de zei­gen sich unab­hän­gig davon, ob das Bot­schafts­per­so­nal bei der Ana­ly­se mit­ein­be­zo­gen wird oder nicht.

Abbildung 1: Wichtigkeit der strategischen Sollwerte nach Geschlecht (ohne Botschaftspersonal im Ausland)

Eine posi­ti­ve­re Beur­tei­lung von Quo­ten durch die Frau­en im Top­ka­der zeigt sich durchs Band. So wird bei­spiels­wei­se auch die Aus­sa­ge, dass Soll­wer­te und Ziel­bän­der für die Sprach­ge­mein­schaf­ten die Chan­cen­gleich­heit in der Bun­des­ver­wal­tung stei­gern, von Frau­en posi­ti­ver beur­teilt als von Män­ner (sie­he Abbil­dung 2). Auch die­se Unter­schie­de zwi­schen den Geschlech­tern blei­ben bestehen, wenn das Bot­schafts­per­so­nal mit Arbeits­ort im Aus­land mit­ein­be­zo­gen wird.

Abbildung 2: Beurteilung von Sollwerten und Zielbändern als Mittel zur Förderung der Chancengleichheit

Hinweis: Den Teilnehmenden der Befragung wurden verschiedene Aussagen präsentiert, die sie auf einer Skala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 4 (trifft voll und ganz zu) beurteilen konnten. Die Aussage, dass Sollwerte und Zielbänder für die Sprachgemeinschaften die Chancengleichheit in der Bundesverwaltung steigern, wurde von Frauen durchschnittlich mit 3.1 beurteilt, währenddessen Männer mit einem Durchschnittswert von 2.5 eine deutlich und signifikant tiefere Zustimmung aufweisen.
Effekt des Geschlechts ist robust

Aus allen vier im vor­an­ge­hen­den Abschnitt bespro­che­nen Aus­sa­gen wur­de in der Fol­ge ein addi­ti­ver Index gebil­det, wir nen­nen ihn Index der Quo­ten­be­ur­tei­lung. Je höher der Wert, des­to posi­ti­ver wer­den Quo­ten beur­teilt, wobei der Maxi­mal­wert bei 12 liegt.

Um her­aus­zu­fin­den, ob die Unter­schie­de zwi­schen den Geschlech­tern auch dann noch Bestand haben, wenn wei­te­re sozio­de­mo­gra­fi­sche Fak­to­ren wie das Alter, die Sprach­grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit oder die soge­nann­te Agen­cy Socia­liz­a­ti­on[1] berück­sich­tigt wer­den, wur­de der Index der Quo­ten­be­ur­tei­lung in einer mul­ti­plen Regres­si­ons­ana­ly­se als abhän­gi­ge Varia­ble ver­wen­det. Die Ergeb­nis­se deu­ten auf die Robust­heit der vor­ge­fun­de­nen Geschlech­ter­dif­fe­ren­zen in der Beur­tei­lung von Quo­ten hin. Der Index fällt bei Frau­en um knapp 1,5 Punk­te höher aus als bei Män­nern, wobei der vor­ge­fun­de­ne Effekt sta­tis­tisch hoch­si­gni­fi­kant ist. Alle ande­ren unab­hän­gi­gen Varia­blen haben kei­nen sta­tis­tisch signi­fi­kan­ten Effekt auf die abhän­gi­ge Variable.

Tabelle 4: Determinanten des Index der Quotenbeurteilung
Abhän­gi­ge Variable
Index der Quotenbeurteilung
Alter0.0201
(0.73)
Fran­zö­sisch­spra­chig0.591
(1.88)
Ita­lie­nisch­spra­chig0.423
(0.84)
Agen­cy Socialization-0.00283
(-0.19)
Frau1.466***
(3.94)
Kon­stan­te6.726***
(4.88)
R20.095
N209
t Sta­tis­tik in Klam­mern; Bot­schafts­per­so­nal wur­de mitberücksichtigt
* p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001
Übereinstimmende Resultate internationaler Studien

Die inter­na­tio­na­le For­schung bezüg­lich der Ein­stel­lun­gen zu Quo­ten und ande­ren För­der­mass­nah­men (auf Eng­lisch häu­fig als Affir­ma­ti­ve Action bezeich­net) kommt in der Ten­denz zu ähn­li­chen Schlüs­sen: Frau­en befür­wor­ten Quo­ten stär­ker als Män­ner. Eine mög­li­che Erklä­rung ist das eige­ne mate­ri­el­le Inter­es­se. Gesell­schaft­li­che Grup­pen mit einer domi­nan­ten Stel­lung in der Ver­gan­gen­heit neh­men Quo­ten gemäss die­ser Argu­men­ta­ti­on ten­den­zi­ell eher als Bedro­hung wahr, wäh­rend his­to­risch Benach­tei­lig­te der­ar­ti­ge För­der­mass­nah­men eher posi­tiv beur­tei­len, da sie in Zukunft sel­ber davon pro­fi­tie­ren könn­ten (Bobo 1998). Wei­ter wird argu­men­tiert, dass Geschlech­ter­un­ter­schie­de in der Beur­tei­lung sol­cher Pro­gram­me auf unter­schied­li­chen Wert­vor­stel­lun­gen basie­ren, die sich auf­grund der ver­schie­de­nen Lebens­er­fah­run­gen von Frau und Mann ent­wi­ckeln kön­nen (Kon­rad und Hart­mann 2001).

[1] Die Agen­cy Socia­liz­a­ti­on wird als wich­ti­ger Erklä­rungs­fak­tor für die Ein­stel­lun­gen von Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ten ange­se­hen (vgl. Wil­kins und Wil­liams 2008; Mei­er 1993). Im Rah­men der Online-Erhe­bung wur­de die Agen­cy Socia­liz­a­ti­on anhand der Dau­er der Anstel­lung in der Bun­des­ver­wal­tung gemessen.


Lite­ra­tur:

  • Bobo, Law­rence (1998): “Race, Inte­rests, and Beliefs about Affir­ma­ti­ve Action: Unans­we­red Ques­ti­ons and New Direc­tions”, Ame­ri­can Beha­vio­ral Sci­en­tist 41(7): 985‑1003.
  • EPA, Eid­ge­nös­si­sches Per­so­nal­amt (2015): Per­so­nal­stra­te­gie Bun­des­ver­wal­tung 2016–2019. Bern: EPA.
  • Kon­rad, Ali­son M. und Hart­mann, Lin­ley (2001): “Gen­der Dif­fe­ren­ces in Atti­tu­des toward Affir­ma­ti­ve Action Pro­grams in Aus­tra­lia: Effects of Beliefs, Inte­rests, and Atti­tu­des toward Women”, Sex Roles 45(5): 415–32.
  • Mei­er, Ken­neth J. (1993): “Repre­sen­ta­ti­ve bureau­cra­cy: A theo­re­ti­cal and empi­ri­cal expo­si­ti­on”, in: Per­ry, J. (Hrsg.), Public admi­nis­tra­ti­on. Green­wich, CT: JAI Press: 1–35.
  • Wil­kins, Vicky M. und Wil­liams, Bri­an N. (2008): Black or Blue: Racial Pro­filing and Repre­sen­ta­ti­ve Bureau­cra­cy. Public Admi­nis­tra­ti­on Review 68(4).
  • Zwi­cky, Roman und Küb­ler, Dani­el (2018a): Top­ka­der und Mehr­spra­chig­keit in der Bun­des­ver­wa­tung, Aar­au: Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (Stu­di­en­be­rich­te des ZDA Nr. 13).
  • Zwi­cky, Roman und Küb­ler Dani­el (2018b): Top­ka­der und Mehr­spra­chig­keit in der Bun­des­ver­wal­tung – Exe­cu­ti­ve Sum­ma­ry, Frei­burg i.Ü.: Insti­tut für Mehrsprachigkeit.
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