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Frauen in der Bundesverwaltung unterstützen Quoten

Roman Zwicky, Daniel Kübler
14th Januar 2019

In der Schweizer Bundesverwaltung soll das Potenzial der Vielfalt genutzt werden. Inwiefern dazu verbindliche Quoten oder Sollwerte als Vorgaben einzusetzen sind, wird kontrovers diskutiert. In diesem Beitrag zeigen wir, wie die Einführung von Quoten von Entscheidungsträgerinnen und -trägern innerhalb der Bundesverwaltung beurteilt wird.

Innerhalb der Bundesverwaltung sind Quoten ein wichtiges Anliegen, beispielsweise auch im Hinblick auf die Mehrsprachigkeit. Um zu verstehen, wie die Führungspersonen der Bundesverwaltung Quoten beurteilen, hat das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) im Rahmen eines Forschungsprojekts die Topkader der Bundesverwaltung online befragt.

Daten und Methoden
Die Datengrundlage des vorliegenden Beitrags bilden die zwischen dem 24. Oktober 2016 und dem 21. November 2016 durchgeführte Online-Befragung des Topkaders des Bundesverwaltung zur geschlechterspezifischen Beurteilung von Quoten bzw. Sollwerten. Die Grundgesamtheit der Online-Befragung bilden die höchsten Führungskräfte der sieben Departemente, der Bundeskanzlei oder der Parlamentsdienste, die der Eidgenössischen Bundesverwaltung angehörten. Das Topkader umfasst alle Personen in den Lohnklassen 32-38. Dazu gehören Amtsdirektor*innen, Generalsekretär*innen sowie Staatssekretär*innen. Ende September 2016 waren dies insgesamt 350 Personen. Davon gehören 129 Personen (36,9 %) zum Botschaftspersonal des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), das vorwiegend im Ausland arbeitet. Von den 221 angeschriebenen Topkadern, die nicht dem Botschaftspersonal zuzurechnen sind, haben 156 Personen an der Befragung teilgenommen, was einer hohen Rücklaufquote von 70,6 Prozent entspricht. Für das Botschaftspersonal liegt die Quote mit 66,7 Prozent nur leicht tiefer. Über alle angeschriebenen Personen betrachtet, beträgt die Rücklaufquote gesamthaft 69,1 Prozent

Tabelle 1: Grundgesamtheit und Antworteingang bei der Online-Befragung des Topkaders
Grundgesamtheit eingegangene Antworten
N % N %
ohne EDA 221 63.1 156 70.6
EDA 129 36.9 86 66.7
Total 350 100.0 242 69.1
Grössere Akzeptanz von Quoten bei Frauen

Die Resultate der Online-Befragung zeigen, dass Frauen im Topkader gegenüber Quoten eindeutig positiver eingestellt sind als Männer. So beurteilen sie alle drei in der Personalstrategie des Bundes erwähnten Sollwerte durchschnittlich als wichtiger als Männer. Beim Sollwert für die Sprachenverteilung beträgt die Differenz zwischen den Geschlechtern ca. 0,4 Punkte, der Sollwert für den Anteil beschäftigter Menschen mit Behinderung wird von Frauen um knapp 0,5 Punkte wichtiger eingeschätzt und beim Sollwert für die Geschlechterverteilung beträgt die Geschlechterdifferenz im Durchschnitt sogar 0,7 Punkte. Die Unterschiede zeigen sich unabhängig davon, ob das Botschaftspersonal bei der Analyse miteinbezogen wird oder nicht.

Abbildung 1: Wichtigkeit der strategischen Sollwerte nach Geschlecht (ohne Botschaftspersonal im Ausland)

Eine positivere Beurteilung von Quoten durch die Frauen im Topkader zeigt sich durchs Band. So wird beispielsweise auch die Aussage, dass Sollwerte und Zielbänder für die Sprachgemeinschaften die Chancengleichheit in der Bundesverwaltung steigern, von Frauen positiver beurteilt als von Männer (siehe Abbildung 2). Auch diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern bleiben bestehen, wenn das Botschaftspersonal mit Arbeitsort im Ausland miteinbezogen wird.

Abbildung 2: Beurteilung von Sollwerten und Zielbändern als Mittel zur Förderung der Chancengleichheit

Hinweis: Den Teilnehmenden der Befragung wurden verschiedene Aussagen präsentiert, die sie auf einer Skala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 4 (trifft voll und ganz zu) beurteilen konnten. Die Aussage, dass Sollwerte und Zielbänder für die Sprachgemeinschaften die Chancengleichheit in der Bundesverwaltung steigern, wurde von Frauen durchschnittlich mit 3.1 beurteilt, währenddessen Männer mit einem Durchschnittswert von 2.5 eine deutlich und signifikant tiefere Zustimmung aufweisen.
Effekt des Geschlechts ist robust

Aus allen vier im vorangehenden Abschnitt besprochenen Aussagen wurde in der Folge ein additiver Index gebildet, wir nennen ihn Index der Quotenbeurteilung. Je höher der Wert, desto positiver werden Quoten beurteilt, wobei der Maximalwert bei 12 liegt.

Um herauszufinden, ob die Unterschiede zwischen den Geschlechtern auch dann noch Bestand haben, wenn weitere soziodemografische Faktoren wie das Alter, die Sprachgruppenzugehörigkeit oder die sogenannte Agency Socialization[1] berücksichtigt werden, wurde der Index der Quotenbeurteilung in einer multiplen Regressionsanalyse als abhängige Variable verwendet. Die Ergebnisse deuten auf die Robustheit der vorgefundenen Geschlechterdifferenzen in der Beurteilung von Quoten hin. Der Index fällt bei Frauen um knapp 1,5 Punkte höher aus als bei Männern, wobei der vorgefundene Effekt statistisch hochsignifikant ist. Alle anderen unabhängigen Variablen haben keinen statistisch signifikanten Effekt auf die abhängige Variable.

Tabelle 4: Determinanten des Index der Quotenbeurteilung
Abhängige Variable
Index der Quotenbeurteilung
Alter 0.0201
(0.73)
Französischsprachig 0.591
(1.88)
Italienischsprachig 0.423
(0.84)
Agency Socialization -0.00283
(-0.19)
Frau 1.466***
(3.94)
Konstante 6.726***
(4.88)
R2 0.095
N 209
t Statistik in Klammern; Botschaftspersonal wurde mitberücksichtigt
* p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001
Übereinstimmende Resultate internationaler Studien

Die internationale Forschung bezüglich der Einstellungen zu Quoten und anderen Fördermassnahmen (auf Englisch häufig als Affirmative Action bezeichnet) kommt in der Tendenz zu ähnlichen Schlüssen: Frauen befürworten Quoten stärker als Männer. Eine mögliche Erklärung ist das eigene materielle Interesse. Gesellschaftliche Gruppen mit einer dominanten Stellung in der Vergangenheit nehmen Quoten gemäss dieser Argumentation tendenziell eher als Bedrohung wahr, während historisch Benachteiligte derartige Fördermassnahmen eher positiv beurteilen, da sie in Zukunft selber davon profitieren könnten (Bobo 1998). Weiter wird argumentiert, dass Geschlechterunterschiede in der Beurteilung solcher Programme auf unterschiedlichen Wertvorstellungen basieren, die sich aufgrund der verschiedenen Lebenserfahrungen von Frau und Mann entwickeln können (Konrad und Hartmann 2001).

[1] Die Agency Socialization wird als wichtiger Erklärungsfaktor für die Einstellungen von Verwaltungsangestellten angesehen (vgl. Wilkins und Williams 2008; Meier 1993). Im Rahmen der Online-Erhebung wurde die Agency Socialization anhand der Dauer der Anstellung in der Bundesverwaltung gemessen.


Literatur:

  • Bobo, Lawrence (1998): “Race, Interests, and Beliefs about Affirmative Action: Unanswered Questions and New Directions”, American Behavioral Scientist 41(7): 985–1003.
  • EPA, Eidgenössisches Personalamt (2015): Personalstrategie Bundesverwaltung 2016-2019. Bern: EPA.
  • Konrad, Alison M. und Hartmann, Linley (2001): “Gender Differences in Attitudes toward Affirmative Action Programs in Australia: Effects of Beliefs, Interests, and Attitudes toward Women”, Sex Roles 45(5): 415–32.
  • Meier, Kenneth J. (1993): “Representative bureaucracy: A theoretical and empirical exposition”, in: Perry, J. (Hrsg.), Public administration. Greenwich, CT: JAI Press: 1–35.
  • Wilkins, Vicky M. und Williams, Brian N. (2008): Black or Blue: Racial Profiling and Representative Bureaucracy. Public Administration Review 68(4).
  • Zwicky, Roman und Kübler, Daniel (2018a): Topkader und Mehrsprachigkeit in der Bundesverwatung, Aarau: Zentrum für Demokratie Aarau (Studienberichte des ZDA Nr. 13).
  • Zwicky, Roman und Kübler Daniel (2018b): Topkader und Mehrsprachigkeit in der Bundesverwaltung – Executive Summary, Freiburg i.Ü.: Institut für Mehrsprachigkeit.