Tiefe Beteiligung von Parteiungebundenen und SVP-Anhängerschaft half Wahlrechtsausweitung

Im Kan­ton Aar­gau pro­fi­er­te die Vor­la­ge zum Stän­de­rats­wahl­recht für Aus­land­schwei­ze­rin­nen und Aus­land­schwei­zer von den tie­fen Betei­li­gungs­ra­ten der Par­tei­unge­bun­de­nen, SVP-Anhän­ge­rin­nen und ‑Anhän­ger und unte­ren Bil­dungs­schich­ten. Die Wald-Initia­ti­ve hin­ge­gen schei­ter­te vor allem dar­an, dass die Bewirt­schaf­tung und Pfle­ge des Wal­des als eine Ange­le­gen­heit der jewei­li­gen Eigen­tü­me­rin­nen und Eigen­tü­mer betrach­tet wur­de. Dies zeigt die neus­te Fokus-Stu­die, wel­che das kan­to­na­le Abstim­mungs­ver­hal­ten untersucht. 

Ständeratswahlrecht für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer als Identitätsfrage mit dem Aargau

Die Aus­wei­tung des Wahl­rechts für Aus­land­schwei­ze­rin­nen und Aus­land­schwei­zer auf die Stän­de­rats­wah­len ist mit 50.7 Pro­zent knapp ange­nom­men wor­den. Über­durch­schnitt­lich gros­se Unter­stüt­zung kam der Vor­la­ge von Stim­men­den mit einer höhe­ren for­ma­len Bil­dung zu. Wich­ti­ger waren aber auch hier die poli­ti­schen Merk­ma­le. Die Anhän­ger­schaf­ten von SP, Grü­nen und GLP unter­stütz­ten die Vor­la­ge am stärks­ten. Etwas schwä­cher, aber immer noch zustim­mend äus­ser­ten sich die Anhän­ger­schaf­ten der CVP und FDP.

Deut­lich abge­lehnt wur­de die Vor­la­ge hin­ge­gen von Stim­men­den, die der SVP nahe­ste­hen. Die zah­len­mäs­sig gros­se Grup­pe der Par­tei­lo­sen leg­te zwar auch mehr­heit­lich ein Nein in die Urne (mit durch­schnitt­lich 55 Pro­zent), wies aber zugleich eine deut­lich tie­fe­re Betei­li­gungs­ra­te als die Par­tei­ge­bun­de­nen auf – und ver­pass­te es damit, den Aus­schlag geben zu können.

Der Befund, dass Stim­men­de, die sich stark mit dem Kan­ton Aar­gau iden­ti­fi­zie­ren, die Vor­la­ge mit 57 Pro­zent ablehn­ten, weist dar­auf hin, dass bei einem nicht uner­heb­li­chen Teil der Stimm­be­völ­ke­rung das Aus­land­schwei­zer­wahl­recht gene­rell umstrit­ten zu sein scheint. Das Argu­ment, das letzt­lich wohl zur knap­pen Annah­me des Refe­ren­dums geführt hat, ist die recht­li­che Anglei­chung der Stän­de­rats- an die Natio­nal­rats­wah­len. Vie­le Stim­men­de waren der Ansicht, dass es kei­nen Sinn macht, einem Teil der Stimm­be­rech­tig­ten die Teil­nah­me an Natio­nal­rats­wah­len zu gestat­ten, sie aber von den gleich­zei­tig statt­fin­den­den Stän­de­rats­wah­len auszuschliessen.

Tiefe Beteiligung von Parteiungebundenen, der SVP-Anhängerschaft und tieferen Bildungsschichten half der Ausweitung des Wahlrechts der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer

Die Betei­li­gung an die­sem Urnen­gang war über­durch­schnitt­lich hoch. Dies war auch den eid­ge­nös­si­schen Vor­la­gen geschul­det, die gleich­zei­tig mit den bei­den kan­to­na­len Sach­fra­gen vor­ge­legt wur­den. Unter­durch­schnitt­lich hin­ge­gen war die Betei­li­gung der SVP-Anhän­ger­schaft und der Par­tei­unge­bun­de­nen – also den bei­den Merk­mals­grup­pen, wel­che das Stän­de­rats­wahl­recht (teils deut­lich) ablehnten.

Das Vor­la­gen­wis­sen der Stim­men­den hat­te im Fal­le des Stän­de­rats­wahl­rechts Luft nach oben: Immer­hin glaub­ten zehn Pro­zent der Stim­men­den, dass es Aus­landaar­gau­ern bereits vor die­ser Abstim­mung gestat­tet war, an den Stän­de­rats­wah­len teil­zu­neh­men. Es ist unklar, wor­über die­se Stim­men­den abzu­stim­men glaub­ten, wenn nicht über eine Aus­wei­tung des Wahl­rechts der Aus­landaar­gau­er auf die Ständeratswahlen.

«Wald»-Initiative als föderalistische Kompetenzfrage

Die Wald-Initia­ti­ve ist von den Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­gern in ers­ter Linie als Fra­ge der föde­ra­lis­ti­schen Kom­pe­tenz­ver­tei­lung auf­ge­fasst wor­den. Eine deut­li­che Mehr­heit sah nicht ein, war­um dem Kan­ton Zusatz­kos­ten für die Bewirt­schaf­tung von Wald­flä­chen auf­ge­bür­det wer­den soll­ten, die sich haupt­säch­lich im Besitz von Orts­bür­ger­ge­mein­den und Pri­va­ten befin­den. Die Initia­ti­ve wur­de denn auch nur von Sympathisant*innen der Grü­nen mehr­heit­lich unter­stützt (mit 65 Pro­zent). Die Anhänger*innen der ande­ren Par­tei­en – inklu­si­ve der SP – haben die Initia­ti­ve deut­lich abge­lehnt. Ein Stadt-Land Gra­ben war bei die­ser Vor­la­ge nicht aus­zu­ma­chen. Auch zwi­schen sozia­len Merk­ma­len wie dem Bil­dungs­ni­veau, dem Alter sowie dem Haus­halts­ein­kom­men und dem Stimm­ent­scheid las­sen sich kei­ne star­ken Zusam­men­hän­ge beob­ach­ten. Die par­tei­po­li­ti­sche Aus­rich­tung war dem­nach der ent­schei­den­de Fak­tor zur Erklä­rung des Stimm­ver­hal­tens. Das wich­tigs­te Ent­scheid­mo­tiv für die Annah­me der Vor­la­ge war nach eige­nem Bekun­den der Stim­men­den (mit 40 Pro­zent), sich für die Umwelt ein­set­zen zu wol­len. Auf der Sei­te der Geg­ner wur­de als Motiv pri­mär ange­führt, dass die Wald­be­wirt­schaf­tung nicht die Auf­ga­be des Kan­tons, son­dern der jewei­li­gen Eigen­tü­mer des Wal­des sei.

Gros­se Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten berei­te­te die Initia­ti­ve den Stim­men­den nicht. Rund 80 Pro­zent fan­den sich eher leicht mit der Mate­rie zurecht. Die Vor­la­ge hat­te von Beginn weg einen schwe­ren Stand. Wäh­rend in der frü­hen Pha­se des Abstim­mungs­kamp­fes der Ja-Anteil noch bei rund 40 Pro­zent lag, akzen­tu­ier­te sich die Nie­der­la­ge an der Urne zum Schluss immer stär­ker mit nur noch rund 25 Pro­zent Unter­stüt­zung bei den spät Stimmenden.

 

Abstim­mungs­vor­la­ge und Fokus-Studie
Am Urnen­gang vom 25. Novem­ber 2018 hat­te das Aar­gau­er Stimm­volk über zwei kan­to­na­le Vor­la­gen zu befin­den: Die Volks­in­itia­ti­ve «JA! Für euse Wald» und das Stän­de­rats­wahl­recht für Aus­land­schwei­ze­rin­nen und Aus­land­schwei­zer. Die Initia­ti­ve wur­de vom Stimm­volk mit einem Nein-Anteil von 74,6 Pro­zent ver­wor­fen. Die Stimm­be­tei­li­gung lag bei 35,4 Prozent.

Die Fokus-Stu­die wird vom Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au und vom Befra­gungs­in­sti­tut publi­test durch­ge­führt und vom Swiss­los-Fonds Kan­ton Aar­gau unterstützt.

 

Refe­renz:

Milic, Tho­mas, Salim Brüg­ge­mann und Uwe Ser­dült (2019): FOKUS Aar­gau: Stu­die zur kan­to­na­len Volks­ab­stim­mung vom 25. Novem­ber 2018. FOKUS Aar­gau, Nr. 2. Aar­au, Zen­trum für Demo­kra­tie Aarau.

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