Selbstbestimmungsinitiative – Glaubwürdigkeit der Schweiz als internationale Verhandlungspartnerin stand auf dem Spiel

Die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve berei­te­te vie­len Stim­men­den Mühe. Die­se ori­en­tier­ten sich des­halb häu­fig an Emp­feh­lun­gen oder lehn­ten sie der Urhe­ber­schaft wegen pau­schal ab. Die Haupt­mo­ti­ve waren die Sou­ve­rä­ni­tät und Selbst­be­stim­mung der Schweiz auf der Pro-Sei­te und die Glaub­wür­dig­keit der Schweiz als inter­na­tio­na­le Ver­hand­lungs­part­ne­rin auf der Con­tra-Sei­te. Trotz häu­fi­ger Erwäh­nung wäh­rend des Abstim­mungs­kamp­fes wur­den die Ver­tei­di­gung der direk­ten Demo­kra­tie als Ja-Motiv und der Angriff auf die Men­schen­rech­te als Nein-Motiv ver­gleichs­wei­se sel­ten genannt. Das zeigt die aktu­el­le Voto-Studie.

VOTO

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Selbstbestimmungsinitiative – «schwere Kost»

Das The­ma der Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve, die Rechts­hier­ar­chie zwi­schen inter­na­tio­na­lem und natio­na­lem Recht, berei­te­te den Stim­men­den erheb­li­che Mühe: 43 Pro­zent gaben an, ihnen sei es eher schwer gefal­len zu ver­ste­hen, wor­um es bei der Vor­la­ge ging. Die­ser Wert ist ver­gleichs­wei­se hoch – erst recht für eine SVP-Initia­ti­ve. Das Stimm­ver­hal­ten wur­de stark von der Par­tei­far­be der Teil­neh­men­den geprägt: Die meis­ten SVP-Sym­pa­thi­san­tin­nen und Sym­pa­thi­san­ten (87%) leg­ten ein Ja in die Urne, wäh­rend die Anhän­ger­schaf­ten der lin­ken Par­tei­en sie ent­schie­den ablehn­ten (SP: 92%, Grü­ne: 90%). Für das deut­li­che Ver­dikt sorg­ten indes­sen die Anhän­ger­schaf­ten der CVP und FDP, die das Begeh­ren deut­lich ver­war­fen (je 76%).

Die zen­tra­le Bot­schaft der SVP-Kam­pa­gne, die direkt­de­mo­kra­ti­sche Selbst­be­stim­mung, bestrit­ten ins­ge­samt nur weni­ge. Aber vie­le sahen dar­in ent­we­der kei­nen Wider­spruch zum Völ­ker­recht oder gene­rell kei­nen Grund, dem Begeh­ren zuzu­stim­men. Die Ver­tei­di­gung der direk­ten Demo­kra­tie wur­de als Ja-Motiv nur sel­ten genannt. Eben­so wenig fürch­te­ten die Nein-Stim­men­den einen Angriff auf die Men­schen­rech­te, wäre die Initia­ti­ve ange­nom­men wor­den. Die wich­tigs­ten Beweg­grün­de waren auf der Pro-Sei­te die Sou­ve­rä­ni­tät und Selbst­be­stim­mung der Schweiz und auf der Con­tra-Sei­te der Ver­lust an Glaub­wür­dig­keit der Schweiz als inter­na­tio­na­le Ver­hand­lungs­part­ne­rin. Bemer­kens­wert hoch war aus­ser­dem der Anteil jener, die sich an Emp­feh­lun­gen ori­en­tier­ten, ansons­ten aber kei­ne inhalt­li­chen Beweg­grün­de ange­ben konn­ten. So lehn­ten 10 Pro­zent der Nein-Stim­men­den die Vor­la­ge ab, weil sie von der SVP stammte.

Sozialversicherungsrecht – keine Massen-Befürchtungen von Massen-Überwachungen

Das Votum zur Sozi­al­ver­si­che­rungs­vor­la­ge war haupt­säch­lich eine Ange­le­gen­heit der ideo­lo­gi­schen Lager­zu­ge­hö­rig­keit. Im rech­ten Lager eben­so wie in der Mit­te wur­de der Revi­si­on deut­lich zuge­stimmt (zwi­schen 73 und 85%). Bei jenen, die sich links aus­sen ein­stu­fen, fiel sie indes­sen haus­hoch durch (88% Nein-Stim­men­an­teil). Im gemäs­sigt lin­ken Lager hiel­ten sich die Ja- und Nein-Stim­men in etwa die Waa­ge, obwohl das Refe­ren­dum im Abstim­mungs­kampf von SP und Grü­nen unter­stützt wurde.

Die Dis­kus­sio­nen um die kor­rek­te Anzahl von Obser­va­tio­nen und IV-Ver­dachts­fäl­len hat die Stim­men­den nicht gross ver­un­si­chert. Über 80 Pro­zent gaben an, ihnen sei es eher leicht gefal­len zu ver­ste­hen, wor­um es bei der Vor­la­ge ging. Zwei Fak­to­ren tru­gen zum deut­li­chen Ver­dikt haupt­säch­lich bei: Ers­tens sprach sich eine gros­se Mehr­heit für eine mög­lichst effek­ti­ve Miss­brauchs­be­kämp­fung aus und zwei­tens war eine Mehr­heit auch der Ansicht, dass die Obser­va­tio­nen in rechts­staat­lich geord­ne­tem Rah­men durch­ge­führt wür­den. Mas­sen­über­wa­chun­gen befürch­te­ten nur wenige.

Hornkuh-Initiative – sympathisch, aber nicht in die Verfassung gehörend

Der Gra­ben zwi­schen Befür­wor­ten­den und Ableh­nen­den der Horn­kuh-Initia­ti­ve ver­lief quer durch alle Bevöl­ke­rungs­schich­ten und Par­tei­en. Zwar fand die Volks­in­itia­ti­ve im lin­ken Lager grös­se­re Unter­stüt­zung als im rech­ten Lager, aber von einem klas­si­schen Links-Rechts-Kon­flikt konn­te nicht die Rede sein. Die Initia­ti­ve schei­ter­te zum einen an ihrer Form: Etwa ein Fünf­tel der Stim­men­den lehn­te sie ab, weil sie der Ansicht waren, Kuh- und Zie­gen­hör­ner gehö­ren nicht in die Bun­des­ver­fas­sung. Zum ande­ren gab es star­ken Wider­stand gegen eine Horn­prä­mie. Die­ser Wider­stand war unter­schied­lich moti­viert: Eini­ge fan­den eine Horn­prä­mie lächer­lich, ande­re woll­ten den Ent­scheid, ob Hör­ner zu belas­sen sei­en oder nicht, ganz allei­ne den Horn­tier­hal­te­rin­nen und Horn­tier­hal­tern überlassen.


Zitier­wei­se:

Tho­mas Milic, Ales­san­dro Fel­ler und Dani­el Küb­ler (2019). VOTO-Stu­die zur eid­ge­nös­si­schen Volks­ab­stim­mung vom 25. Novem­ber 2018. ZDA, FORS, LINK: Aarau/Lausanne/Luzern.

Kon­takt:

Tho­mas Milic, 079 600 82 36, thomas.milic@zda.uzh.ch


Die VOTO-Stu­die
Die VOTO-Stu­di­en sind ein gemein­sa­mes Pro­jekt des For­schungs­zen­trums FORS, dem Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) und dem Befra­gungs­in­sti­tut LINK. Finan­ziert wird VOTO von der Schwei­ze­ri­schen Bun­des­kanz­lei. Die Befra­gung wird vom Bund seit Herbst 2016 neu anstel­le der VOX-Ana­ly­sen an den VOTO-Ver­bund in Auf­trag gegeben.

An der Abstim­mung vom 25. Novem­ber 2018 hat­te das Schwei­zer Stimm­volk über zwei Volks­in­itia­ti­ven – die Volks­in­itia­ti­ve «Für die Wür­de der land­wirt­schaft­li­chen Nutz­tie­re (Horn­kuh-Initia­ti­ve)» und die Volks­in­itia­ti­ve «Schwei­zer Recht statt frem­de Rich­ter (Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve)» – sowie über die Ände­rung des Bun­des­ge­set­zes über den All­ge­mei­nen Teil des Sozi­al­ver­si­che­rungs­rechts (ATSG) zu befin­den. Bei­de Volks­in­itia­ti­ven wur­den ver­wor­fen, die Behör­den­vor­la­ge zum Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht hin­ge­gen angenommen.

Alle Berich­te, die Fra­ge­bo­gen sowie die Roh­da­ten mit Zusatz­in­for­ma­tio­nen zur Erhe­bung sind für wis­sen­schaft­li­che Zwe­cke frei zugäng­lich unter www.voto.swiss bzw. durch das FORS-Daten­ar­chiv forsbase.unil.ch.

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