Die Wähler der Kantonalzürcher SP hatten am 18. Oktober doppelt Grund zur Freude: Ihre Partei legte bei den Nationalratswahlen zu und ihrem Ständeratskandidaten Daniel Jositsch gelang gar ein regelrechter Coup: Er schaffte das absolute Mehr im ersten Wahlgang. Das Nachsehen hatte die SVP. Eine detaillierte Analyse des Wählerverhaltens zeigt auf, wie es dazu kam.
Hinweis: Die erste Version dieses Beitrags wurde am 18. Januar 2016 veröffentlicht!
Daniel Jositsch von der SP erreichte am 18. Oktober 2015 mit 45 Prozent Stimmenanteil das absolute Mehr im ersten Wahlgang. Ruedi Noser von der FDP kam auf 37 Prozent, Hans-Ueli Vogt von der SVP belegte mit 30 Prozent den dritten Platz. Bemerkenswert ist dabei in erster Linie das hervorragende Abschneiden Jositschs, der weit über das linke Lager hinaus Stimmen machte. Hans-Ueli Vogt hingegen übertraf die Wählerstärke der SVP im Kanton Zürich kaum.
Beides entspricht dem Muster anderer Ständeratswahlen: In St. Gallen hatte Paul Rechsteiner (SP) keine Mühe, Thomas Müller (SVP) hinter sich zu halten, obwohl seine Partei verlor, während die SVP – die wählerstärkste Partei in St. Gallen – nochmals wuchtig zulegen konnte. Ähnlich ist die Situation im Kanton Aargau, wo Pascale Bruderer trotz einer SP-Schlappe bei den Nationalratswahlen das absolute Mehr in jeglicher Hinsicht mit links schaffte.
Die Performance von SP und SVP ist bei Ständerats- und Nationalratswahlen so unterschiedlich, dass man beinahe meinen könnte, es würden jeweils andere Wählerschaften teilnehmen. Das ist aber mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht der Fall.[1] Woran sonst liegt es dann? Eine Auswertung der Kandidatenkombinationen nach Parteiwahl soll diese Frage zu beantworten helfen.
Im Kanton Zürich sind jedoch nicht nur die angemeldeten Kandidaten wählbar, sondern grundsätzlich jede in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigte Person. Das hat oftmals zur Folge, dass neben den von den Parteien portierten Kandidaten auch weitere Personen Stimmen erhalten. Bei den zurückliegenden Ständeratswahlen gab es total 58’050 Stimmen für nicht offizielle Kandidierende, was einem Wähleranteil von rund 14 Prozent entspricht – also in etwa gleich viel ist, wie Martin Bäumle (GLP) erreichte. Der Grund für die vergleichsweise hohe Zahl von Stimmen für Vereinzelte sind möglicherweise (auch) strategische Erwägungen. Denn diese Stimmen zählen als massgebende Kandidatenstimmen und erhöhen so die Schwelle für das absolute Mehr.
Die beliebtesten Kandidatenkombinationen bei der Zürcher Ständeratswahl 2015
Das linke Duo, bestehend aus Daniel Jositsch von der SP und Bastien Girod von den Grünen, wurde am häufigsten auf einen Wahlzettel geschrieben. 16 Prozent aller Wahlzettel enthielten diese Kandidaten-Kombination (Abbildung 1).
Danach folgte in 14 Prozent aller Wahlzettel die lagerübergreifende Kombination von Daniel Jositsch und Ruedi Noser. Ein SP- und ein FDP-Kandidat als zweithäufigste Stimmoption wäre in den achtziger Jahren noch schwer vorstellbar gewesen. Doch durch den Wandel in der sozialen Zusammensetzung beider Wählerschaften ist dies in der Zwischenzeit möglich. Zudem spielte die ideologische Positionierung der beiden Kandidaten eine wichtige Rolle: Jositsch ist eher am rechten, Noser hingegen eher am linken Rand seiner Partei zu verorten. Für einen „frustrierten Linksliberalen“ war diese Kombination wohl die ideale Vertretung.
Am dritthäufigsten wurde Hans-Ueli Vogt und sonst niemand gewählt. Wenig überraschend handelt es sich dabei um die erste Präferenz der SVP-Wähler. Alleine auf dem Wahlzettel aufgeführt zu werden, ist für einen Kandidaten prinzipiell das Beste, was ihm geschehen kann. Trotzdem hat Vogt das absolute Mehr deutlich verpasst.
Abbildung 1:
Das Stimmverhalten der einzelnen Parteiwählerschaften
Wie dieses Ergebnis zu Stande kommen konnte, erklärt das Stimmverhalten der einzelnen Parteiwählerschaften. Im Folgenden soll gezeigt werden, wem welche parteifremden Stimmen zufielen und mit welcher Häufigkeit.
Hohe Parteidisziplin der linken Wählerschaft in Zürich
Der Erfolg Jositschs ist zuerst einmal der hohen Parteidisziplin der SP-Wählerschaft zu verdanken. Fast die Hälfte (44.1 Prozent) legte das von der Partei empfohlene Ticket (Jositsch und Girod) ein, 11.3 Prozent schrieben lediglich Jositsch auf ihren Stimmzettel (siehe Abbildung 2). Hinzu kommen knapp acht Prozent, die neben Jositsch noch einen (chancenlosen) Vereinzelten aufführten, möglicherweise um die Schwelle für das absolute Mehr zu heben.[2] Insgesamt haben über 60 Prozent der SP-Wählerschaft klar links gewählt. Immerhin aber schrieben 18 Prozent der SP-Wählerinnen und Wählern neben Jositsch auch noch Noser auf ihren Wahlzettel.
Abbildung 2:
Das rot-grüne Päckli war gut geschnürt. Denn auch die Wählerschaft der Grünen setzte auf eine linke Doppelvertretung. 60.3 Prozent votierten für das Duo Girod und Jositsch (siehe Abbildung 3). Bemerkenswerter ist jedoch, dass mindestens zehn Prozent der Wählerschaft der Grünen den eigenen Kandidaten Girod nicht wählten, dafür aber Jositsch, häufig zusammen mit Noser oder Bäumle.
Das ist umso verblüffender, wenn man bedenkt, dass Jositsch eher am rechten Rand der SP zuhause ist. Strategisches Wählen kommt als Erklärung dafür kaum in Frage: Es ging den Wählerinnen und Wählern der Grünen kaum darum, schon im ersten Wahlgang „mit dem Noser den Vogt auszutreiben“, wie Girod im Vorfeld des zweiten Wahlganges spitz formulierte. Denn es war von Vornherein klar, dass Vogt das absolute Mehr nicht schaffen würde. Wenn aber taktisches Kalkül als Motiv wegfällt, kommen eigentlich nur noch sachpolitische Differenzen als Grund in Frage.[3]
Abbildung 3:
Kein bürgerlicher Schulterschluss
Bei der FDP-Wählerschaft lautete die häufigste Kandidatenkombination Noser und Jositsch. Beinahe jeder dritte FDP-Wähler (31.4 Prozent) nahm neben Noser auch noch Jositsch mit auf den Wahlzettel und sprach sich somit bewusst für eine „geteilte“ Standesstimme aus (Abbildung 4). Fast jeder fünfte FDP-Wähler (18.6 Prozent) verzichtete auf die Wahl einer zweiten Person und setzte nur Noser auf den Wahlzettel. Pikant ist, dass Jositsch in der Gunst der FDP-Wählerschaft deutlich höher stand als der Kandidat der SVP, Hans-Ueli Vogt. An ihn gingen rund 15 Prozent der FDP-Zweitstimmen. Etwa gleich viele Stimmen von den FDP-Wählern erhielt auch der Kandidat der GLP, Martin Bäumle.
Abbildung 4:
Unter den SVP-Wählern war das parteizentrierte Stimmverhalten noch ausgeprägter: Vier von zehn (40.5 Prozent) wählten nur Hans-Ueli Vogt (siehe Abbildung 5).
17.2 Prozent der SVP-Wählerschaft unterstützte neben Vogt noch einen nicht offiziell vorgeschlagenen Kandidaten – ein Phänomen, das Peter Moser bereits 2011 beschrieb. Um wen es sich bei diesen Vereinzelten handelte, lässt sich anhand unserer Daten nicht eruieren. Anzunehmen ist aber, dass die SVP-Wähler wussten, dass dieser Kandidat chancenlos war und sie demnach freiwillig auf eine „materielle“ Ausschöpfung ihrer vollständigen Stimmkraft verzichteten.
Wenn SVP-Wähler ihre Zweitstimme nutzten, so hauptsächlich für Ruedi Noser: Das Duo Vogt und Noser fand sich auf etwas mehr als jedem fünften SVP-Wahlzettel. Andere Kandidaten fanden die Gnade der SVP-Wählerschaft hingegen nur selten. Etwa 60 Prozent wählten somit parolenkonform – womit wir der SVP-Wählerschaft eine ähnlich hohe Parteidisziplin attestieren können wie der SP. Letztere setzte ihre Zweitstimme zwar viel häufiger ein als die SVP-Wählerschaft, aber in der Regel geschlossen zugunsten einer linken Doppelvertretung (Jositsch/Girod).
Zählt man alle Wahlzettel der SVP-Wählerschaft zusammen, auf welchen Jositschs Name stand, so ergibt sich eine Summe von rund 5 Prozent. Das ist wenig, aber gleichwohl bemerkenswert: Denn linke Wählerinnen und Wähler verweigerten Vogt konsequent ihre Unterstützung, sein Name stand nur auf etwa einem Prozent aller linken Stimmzettel.
Abbildung 5:
Die Qual der Wahl in der Mitte
Die Ausgangssituation für die einzelnen Parteiwählerschaften der politischen Mitte war eine andere. Ihnen war klar, dass ihre Kandidaten bestenfalls Aussenseiterchancen (Bäumle) hatten. Deshalb verteilten sie ihre Stimmen wohl auch grosszügiger auf die verschiedenen Kandidierenden als die anderen Parteien.
Bäumle wurde nicht von allen GLPlern gewählt
Die wahren Gralshüter des Proporzes waren dabei die Wähler der GLP (siehe Abbildung 6). Keine andere Wählerschaft verteilte ihre Stimmen gleichmässiger als die Grünliberalen. Je ein Fünftel der GLP-Wählerschaft unterstützte neben dem eigenen Kandidaten Martin Bäumle auch Daniel Jositsch von der SP respektive Ruedi Noser von der FDP. Aber nicht alle GLP-Wähler wählten den eigenen Kandidaten: Die dritthäufigste Kombination unter der GLP-Wählerschaft (16.2 Prozent) war diejenige der beiden späteren Wahlsieger Jositsch und Noser. Ausserdem enthielten die GLP-Wahlzettel vergleichsweise oft (6.0 Prozent) die Namen von Girod und Jositsch, aber nicht denjenigen Bäumles.
Dieses Ergebnis verblüfft. Warum verwehrte eine derart hohe Zahl der GLP-Wählerschaft dem eigenen Kandidaten ihre Stimme? Möglicherweise lag dies an der starken Konkurrenz innerhalb des schmalen ideologischen Bandes links bzw. rechts vom politischen Zentrum: In diesem engen Spektrum buhlten gleich fünf Kandidierende – Jositsch, Bäumle, Schmid-Federer, Ingold und Noser – um die Gunst der in der Mitte positionierten Wählerinnen und Wählern.
Von diesen waren Jositsch und Noser die aussichtsreichen, um das absolute Mehr schon im ersten Wahlgang zu erzielen. Taktische Erwägungen könnten demnach für die GLP-Wählerschaft dazu geführt haben, eher auf Jositsch bzw. Noser denn auf Bäumle zu setzen.
Abbildung 6:
Jositsch bei CVP und EVP hoch im Kurs
Auch bei der CVP-Anhängerschaft war Daniel Jositsch Teil der beliebtesten Kandidatenkombination. Er und Barbara Schmid-Federer bildeten für rund ein Viertel der CVP-Wählerschaft die ideale Standesvertretung Zürichs. Bemerkenswert ist zudem, dass elf Prozent der CVP-Wählerschaft nur auf Jositsch und Noser setzten und der eigenen Kandidatin die Stimme verwehrten.
Abbildung 7:
Abbildung 8:
Ein Fünftel der EVP-Wählerschaft (19.1 Prozent) wählte Jositsch zusammen mit der eigenen Kandidatin, Maja Ingold. Die zweihäufigste Kombination der EVP-Wählerschaft war ein reines Frauenticket. 14 Prozent wählten neben der eigenen Kandidatin Maja Ingold auch Barbara Schmid-Federer von der CVP. Auch bei der EVP-Wählerschaft zeigt sich, dass ein substantieller Anteil die eigene Kandidatin wohl als chancenlos einstufte und nicht wählte.
Der Erfolg der SP: Maximale Ausbeute im eigenen Lager und viele Fremdstimmen
Warum gelingt der SP, was der SVP verwehrt bleibt: Der Sturm aufs Stöckli? Das SP-Erfolgsgeheimnis besteht darin, dass sie mit ihren Kandidaten öfter bis weit ins bürgerliche Lager hinein Stimmen gewinnen kann, ohne dabei am linken Rand Stimmen zu verlieren.
Denn generell besteht für eine Polpartei in einem Mehrparteiensystem die Gefahr, dass sie mit einer Kandidatur, die gemässigte Positionen vertritt, zwar viele Stimmen aus der politischen Mitte hinzu gewinnt, gleichzeitig aber Wähler am äusseren Rand des eigenen Lagers vergrault (Downs 1957).
Der SP scheint diese Quadratur des Kreises zumindest bei den Ständeratswahlen öfter zu gelingen. Eindrücklich ist dies in Abbildung 9 dargestellt. Dabei ist es weniger überraschend, dass Jositsch bei den bürgerlichen Wählerinnen und Wählern so erfolgreich punkten konnte, sondern vor allem, dass es im eigenen Lager kaum Verweigerer gab.
Die sogenannte Austauschquote zwischen rot und grün ist im Kanton Zürich zwar generell hoch, 2015 jedoch mit klaren Vorteilen für Daniel Jositsch. Er holte bei der Wählerschaft der Grünen mehr Stimmen als deren Kandidat Bastien Girod bei der SP. Auch die kleine Linkspartei Alternative Liste (AL) setzte schlussendlich auf Jositsch: Trotz fehlender Wahlempfehlung und unverblümt kritischen Tönen sprachen sich am Wahltag doch fast drei Viertel der AL-Wählerschaft für den SP-Kandidaten aus.
Zugegeben, wir wissen nicht, ob Linkswähler, die mit dem (zu wenig) linken Angebot unzufrieden waren, der Urne aus Frust einfach ferngeblieben sind. Prinzipiell ist das denkbar. Viele können es aber angesichts der geringen Beteiligungsdifferenz zwischen National- und Ständeratswahlen (1.5 Prozentpunkte) nicht gewesen sein.
Abbildung 9:
Lesebeispiel: Girod erhielt von rund 70 Prozent derer, die sich auf der Links-Rechts-Achse bei 0 (linksaussen) einstuften, eine der beiden Stimmen. Bei Jositsch betrug derselbe Anteil etwa 80 Prozent und die restlichen Kandidaten erhielten jeweils Anteile zwischen 0-5 Prozent.
Das Problem der SVP: Auch eine moderate Kandidatur hilft nicht
Das Problem der SVP Zürich bestand darin, dass sie trotz gemässigter Kandidatur bei den Ständeratswahlen 2015 nicht über die eigenen Parteigrenzen hinaus Stimmen gewinnen konnte. Hans-Ueli Vogt war beileibe kein typischer SVP-Politiker der früheren Generation, der Rechtsprofessor gehört dem urban-intellektuellen Milieu an. Er polarisierte zudem mitnichten so stark wie Christoph Blocher vor vier Jahren.
Auch 2015 kam es zu SVP-Avancen zugunsten eines bürgerlichen Wahlbündnisses, denn diese waren einst durchaus erfolgreich. 1999 und 2003 sicherte der bürgerliche Schulterschluss der SVP und der FDP die „ungeteilte Standesstimme“. 2003 wehrte man mit einem Wahlbündnis einen SP-Angriff mit der Person des eher moderaten und populären früheren Zürcher Stadtpräsidenten Josef Estermanns noch souverän ab.
Seit Bruch mit FDP klappt’s mit dem Ständerat nicht mehr
Doch seither kam es zwischen der FDP und der SVP zum Bruch. Zwar konnten sich die beiden Parteien 2007 noch auf ein gemeinsames Ticket einigen, aber die Wählerschaft der FDP hielt sich nicht daran (Moser 2007).[4] Bis heute hat sich wenig daran geändert: Ein SP-Kandidat (Jositsch) ist bei der FDP-Wählerschaft mittlerweile beliebter als ein SVP-Kandidat (Vogt).
Die Narben der Grabenkämpfe aus jener Zeit (Stichwort: „Weichsinnige“) sind bei der FDP offenbar noch nicht verheilt. Die SVP-Wählerschaft, die 2007 Felix Gutzwiller (FDP) noch zum Erfolg verholfen hat, zeigt dem FDP-Kandidaten in der Zwischenzeit ähnlich wenig Gegenliebe. Selbst wenn sich also die Zürcher FDP und SVP zu einem Schulterschluss vor den Wahlen zusammengerauft hätten, so wäre diese Allianz eventuell am Wahlverhalten der eigenen Wählerschaften gescheitert.
Unklar bleibt, inwieweit diese eher lauwarme gegenseitige Unterstützung von SVP und FDP mit der spezifischen Wahlsituation von 2015 zu tun hat: Denn bei den Regierungsratswahlen in Zürich, aber auch in Baselland und Luzern, funktionierte der bürgerliche Schulterschluss zuletzt tadellos. Es waren die (allerdings eher am linken Rand politisierenden) SP-Kandidaten, die scheiterten (BL, LU) oder um den Einzug in die Exekutive (Jacqueline Fehr, ZH) zittern mussten.[5]
Vielleicht lag es also an der Person Jositschs im Speziellen. Das wiederum führt zur Frage, ob die SVP ihrerseits mit einer (noch) moderateren und vorzugsweise populären Kandidatur – einer wie Peter Spuhler (TG) zum Beispiel – hätte Erfolg haben können? Möglicherweise. Es ist allerdings nicht so einfach, spontan eine solche Person aus der Zürcher SVP zu nennen.
Die SVP hat in jedem Fall keine Konkurrenz von rechts zu befürchten, im Gegensatz zur SP, die immer durch die Grünen und die kleineren Linksparteien konkurriert wird. Mit anderen Worten: Die Gefahr, dass Wähler am rechten Rand, befremdet von einem allenfalls ungewohnt sanften Kurs der SVP, eine andere Partei oder einen anderen Kandidaten wählen würden, besteht bei der SVP (vorerst) kaum.
Doch die SVP ist wie kaum eine andere Partei auf eine starke Mobilisierung bei den Nationalratswahlen angewiesen. Ein moderater Auftritt der Partei im Wahlkampf birgt somit stets das Risiko in sich, demobilisierend auf erhebliche Teile der potentiellen Wählerschaft zu wirken. Und man kann die beiden Wahlkämpfe – für den National- und den Ständerat – nicht losgelöst voneinander führen. Deshalb ist eine erfolgreiche Quadratur des Kreises für die SVP bei nationalen Wahlen schwerer zu bewältigen als für die SP.
Anmerkungen:
[1] Die Unterschiede in der Beteiligung zwischen beiden Wahlen sind in den meisten Kantonen sehr gering. In Zürich betrug er 1.46 Prozent, im nach Bevölkerungsgrösse gewichteten Schweizer Schnitt gar bloss 0.53 Prozent.
[2] Dies hätte sich aber, wenn man bedenkt, wie knapp Jositsch das absolute Mehr erzielte, um ein Haar kontraproduktiv auswirken können.
[3] Diese Vermutung wird unter anderem auch dadurch genährt, dass 70 Prozent der Grünen-Wähler angab, die Erbschaftssteuerinitiative angenommen zu haben. Dieser Anteil beträgt unter den Grünen-Wählern, die Jositsch/Bäumle oder Jositsch/Noser wählten, bloss 37 Prozent.
[4] Barben und Kollbrunner berichten ganz ähnliches aus dem Kanton Bern für die Wahlen 2011. Lachat zeigte bereits 2006, dass es der SVP überdurchschnittlich schlecht gelingt, Stimmen aus der Mitte für ihre Ständeratskandidaturen zu holen.
[5] Mario Fehr (SP, ZH) wiederum – Vertreter des sozialliberalen Flügels der SP – schaffte die Wahl bezeichnenderweise problemlos.
Referenzen:
Barben, Dölf und Timo Kollbrunner (2011). Umarmung ins Leere, Der Bund vom 10.11.2011.
Downs, Anthony (1957). An Economic Theory of Democracy. New York: Harper & Row.
Lachat, Romain (2006). A tale of two Councils. Explaining the weakness of the SVP in the upper house of the Federal Parliament. Swiss Political Science Review 12(4): 77–99.
Moser, Peter (2007). Die zürcherischen Ständeratswahlen 2007: eine Analyse des ersten Wahlganges. Statistik.flash 08/2007.
Foto: www.jositsch.ch