Die Lebensläufe von Frauen werden durch die Geburt von Kindern ganz anders geprägt als jene von Männern. In seinem Artikel für die Reihe Social Change in Switzerland zeigt René Levy auf der Basis von drei Studien, warum dies der Fall ist. Er stellt in Bezug auf die Gleichstellung einen beträchtlichen Unterschied zwischen den Einstellungen der Paare und ihrer Alltagspraxis fest, was auf strukturelle Gründe zurückzuführen ist, die sich aber durchaus ändern liessen.
In der Schweiz hat die Mutterschaft nach wie vor einen starken Einfluss auf die berufliche Laufbahn von Frauen. Um diesen Mechanismus zu erklären, zieht René Levy drei Studien bei, die in den letzten 15 Jahren durchgeführt wurden und die immer noch grossen Unterschiede zwischen den Geschlechtern aufzeigen.
Erste Feststellung: mit der Geburt des ersten Kindes ändern Frauen ihren Bezug zur Arbeitswelt. Die Ankunft eines Kindes bedeutet für die meisten Paare, dass die Frau zugleich Familien- und teilzeitlich Erwerbsarbeit leistet, während die grosse Mehrheit der Männer vollzeitlich erwerbstätig bleibt, unabhängig von ihrer familiären Situation.
Zweite Feststellung: obwohl die Mehrheit der Paare während der ersten Schwangerschaft egalitäre Absichten äussert, gelingt es nur einer Minderheit, diese Werte nach der Geburt auch umzusetzen und die Familienarbeit gemäss ihren Absichten egalitär zu verteilen. Es zeigt sich, dass die Elternschaft zu einer starken Retraditionalisierung der gelebten Realität führt, unabhängig von den vorgängigen Überzeugungen.
Diese beiden Befunde werden noch deutlicher durch die dritte Feststellung: Der Vergleich der Schweiz mit anderen europäischen Ländern sowie der Vergleich von rund hundert Mikroregionen innerhalb der Schweiz zeigen, dass die Existenz von Vaterschaftsurlaub und familienergänzenden Betreuungseinrichtungen entscheidend ist. Davon hängt es ab, inwieweit Paare ihre Idealvorstellung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf effektiv realisieren können.
René Levy kommt zum Schluss, dass die mangelnde Umsetzung von Gleichstellungsmassnahmen langfristige Auswirkungen hat. Sie beeinträchtigt nicht nur die finanzielle Absicherung der Frauen nach der Pensionierung, sondern vermittelt den Kindern auch Rollenbilder, die dazu beitragen, dass sich die Ungleichheiten auf die nächste Generation übertragen.
Referenz:
- René Levy (2018). Der Übergang in die Elternschaft reaktiviert die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern: eine Analyse der Lebensläufe von Männern und Frauen in der Schweiz. Social Change in Switzerland No 14. Retrieved from www.socialchangeswitzerland.ch
Bild: Wikimedia Commons