Die Unterstützung für rechtspopulistische Parteien in Westeuropa lässt sich nicht nur mit Ausländerfeindlichkeit erklären. Auch nicht-populistische Rechtsparteien können immigrationskritische Personen für sich gewinnen. Die Wählerschaft beider Parteien unterscheidet sich aber bezüglich ihres Vertrauens in das politische Establishment. Insgesamt schöpfen rechtspopulistische Parteien ihr Mobilisierungspotenzial schlechter aus, als gemeinhin angenommen wird.
Fremdenfeindliche Positionen sind ein Charakteristikum rechtspopulistischer Parteien wie dem Front National in Frankreich oder der SVP in der Schweiz. Die Unterstützung im Stimmvolk für diese Parteien wird häufig mit Angst vor Migration und Ausländerfeindlichkeit erklärt. Dabei geht mitunter vergessen, dass sich in Westeuropa auch andere, nicht-populistische Rechtsparteien für eine restriktive Migrationspolitik stark machen. Auch sie sind für eine zuwanderungskritische Wählerschaft grundsätzlich attraktiv.
Welche dieser Wählerinnen und Wähler entscheiden sich also zugunsten populistischer, welche zugunsten nicht-populistischer Rechtsparteien? Und wie ist es möglich, dass in gewissen Ländern Westeuropas, etwa Frankreich oder Dänemark, beide Parteien erfolgreich nebeneinander bestehen, obwohl sie sich in ihren migrationspolitischen Positionen so nahe stehen?
Volk gegen Elite – das populistische Politikverständnis
Der Hauptunterschied zwischen populistischen und nicht-populistischen Rechtsparteien liegt in deren generellem Gesellschafts- und Politikverständnis. Populisten sehen Politik als Antagonismus zwischen dem guten, homogenen Volk und der korrupten Elite (Mudde 2004: 543). Mit ihrer prononcierten „Anti-Establishment“-Rhetorik schüren sie gezielt Misstrauen gegenüber der politischen Elite und Unzufriedenheit mit dem politischen System. Nicht-populistische Rechtsparteien hingegen teilen diese systemkritische, anti-elitäre Position grundsätzlich nicht. Vielmehr sind sie meist selber Teil des politischen Establishments.
Vor diesem Hintergrund wurden in der vorliegenden Bachelorarbeit folgende Hypothesen aufgestellt: Immigrationskritische Wählerinnen und Wähler werden von populistischer Politik besonders angesprochen, wenn sie sich von der politischen Elite hintergangen und missverstanden fühlen. Gleichzeitig hält dieses Misstrauen immigrationskritische Wählende davon ab, für nicht-populistische Rechtsparteien zu stimmen, obwohl sie deren Migrationspolitik grundsätzlich befürworten würden. Anhand von Daten aus dem European Social Survey 2014 sind diese Annahmen für dreizehn Länder Westeuropas geprüft worden.
Misstrauen im Stimmvolk: Populisten bleiben verschont
Sowohl populistische als auch nicht-populistische Rechtsparteien können Personen, die Immigration als wirtschaftliche oder kulturelle Bedrohung für ihr Land ansehen, besonders gut mobilisieren. Das bestätigt die Analyse für sämtliche der untersuchten Länder. Auch zeigen die Daten, dass Misstrauen und Unzufriedenheit immigrationskritische Wählende tatsächlich daran hindern, für eine nicht-populistische Rechtspartei zu stimmen. Je misstrauischer eine Person ist, desto kleiner ist also auch die Chance, dass sie für eine nicht-populistische Rechtspartei stimmt. Dies obwohl ihre migrationspolitische Einstellung mit der Parteilinie übereinstimmen würde.
Wider Erwarten wählen immigrationskritische Personen hingegen nicht vermehrt rechtspopulistische Parteien, wenn sie generell unzufrieden oder misstrauisch sind. So spielen Gefühle gegenüber dem politischen Establishment für rechtspopulistisches Wählen überraschenderweise praktisch keine Rolle. Zur Theorie passend werden aber populistische – anders als nicht-populistische Rechtsparteien – für Unzufriedenheit und Misstrauen im Stimmvolk nicht abgestraft. Offensichtlich gelingt es ihnen, sich für ihre Wählerschaft glaubhaft von etablierten Institutionen und Akteuren zu distanzieren. Trotzdem stellt sich die Frage, wieso die populistische „Anti-Establishment“-Politik auf der Wählerseite nicht stärker zieht.
Unzufrieden und fremdenfeindlich, aber nicht rechtspopulistisch
Diese Arbeit zeigt, dass populistische und nicht-populistische Rechtsparteien in Westeuropa unterschiedliche Arten immigrationskritischer Wählender mobilisieren. Insbesondere unterscheiden sie sich bezüglich der Zufriedenheit mit dem System und dem Vertrauen in die politische Elite. Damit wird eine mögliche Erklärung dafür geliefert, weshalb beide Parteien auch im gleichen Land erfolgreich nebeneinander bestehen können.
Gleichzeitig legen die Resultate nahe, dass weitere Faktoren einen Einfluss darauf haben, ob immigrationskritische Stimmbürgerinnen und Stimmbürger tatsächlich rechtspopulistisch wählen oder nicht. Denn obwohl nicht-populistische Rechtsparteien potenzielle Wählerinnen und Wähler aufgrund deren Unzufriedenheit und Misstrauen verlieren, scheitern rechtspopulistische Parteien daran, diese Lücke effektiv zu schliessen. Offenbar wählen einige Personen, die sowohl immigrationskritisch als auch misstrauisch oder unzufrieden sind, weder nicht-populistische, noch populistische Rechtsparteien.
Es gibt also Wählerinnen und Wähler, die der rechtspopulistischen Plattform ideologisch gesehen ideal entsprächen und dennoch nicht rechtspopulistisch wählen. Weshalb dies geschieht, bleibt derzeit noch offen. Deutlich wird aber, dass rechtspopulistische Parteien ihr Mobilisierungspotenzial möglicherweise schlechter ausschöpfen, als gemeinhin angenommen wird.
Populistische und nicht-populistische Rechtsparteien in den untersuchten Ländern Westeuropas mit einem Stimmenanteil >5% (Stand letzte nationale Wahl vor 2014) | |||
Land | Populistische Rechtspartei | Nicht-populistische Rechtspartei | Stimmen |
Österreich | Freiheitliche Partei Österreichs, FPÖ | – | 20.5 % |
Belgien | Partei Flämische Interessen, VB | Neu-Flämische Allianz, N-VA | 7.8% 17.4% |
Dänkemark | Dänische Volkspartei, DF | Linke – Liberale Partei Dänkemarks, V | 12.3% 26.7% |
Deutschland | – | Christlich Soziale Union in Bayern, CSU | 7.4% |
England | – | Konservative Partei, Cons | 36.1% |
Finnland | Finnen-Partei, PS | 19.1% | |
Frankreich | Front National, FN | Union für eine Volksbewegung, UMP | 13.6% 27.1% |
Niederlande | Partei für die Freiheit, PVV | Volkspartei für Freiheit und Demokratie, VVD | 10.1% 26.6% |
Norwegen | Fortschrittspartei, FrP | – | 16.3% |
Portugal | – | Demokratisches und Soziales Zentrum – Volkspartei, CDS-PP | 11.7% |
Schweden | Schwedendemokraten, SD | – | 12.9% |
Schweiz | Schweizerische Volkspartei, SVP | – | 26.6% |
Spanien | – | Spanische Volkspartei, PP | 44.6% |
Quellen: Mudde (2007: 305-308), Lubbers et al. (2002: 357), Golder (2003: 448), Álvarez-Rivera (2016), Bakker et al. (2015).
Referenzen
- Álvarez-Rivera, Manuel (2016): Election Resources on the Internet: Western Europe (http://electionresources.org/western.europe.html [25.11.16]).
- Bakker, Ryan, Edwards, Erica, Hooghe, Liesbet, Jolly, Seth, Marks, Gary, Polk, Jonathan, Rovny, Jan, Steenbergen, Marco, and Vachudova, Milada (2015): 2014 Chapel Hill Expert Survey. Version 2015.1. Available on chesdata.eu. Chapel Hill: University of North Carolina.
- ESS (2014): European Social Survey Round 7. Data file edition 2.1. NSD – Norwegian Centre for Research Data, Norway – Data Archive and distributor of ESS data for ESS ERIC.
- Golder, Matt (2003): Explaining variation in the success of extreme right parties in Western Europe. Comparative Political Studies 36(4), 432-466.
- Lubbers, Marcel, Gijberts, Mérove und Scheepers, Peer (2002): Extreme right-wing voting in Western Europe. European Journal of Political Research 41(3), 345-378.
- Mudde, Cas (2004): The Populist Zeitgeist. Government and Opposition 39(4), 542-563.
- Mudde, Cas (2007): Populist Radical Right Parties in Europe. Cambrige: Cambridge University Press.
Foto: Wikimedia Commons.