Auswirkungen von Gemeindefusionen auf die lokale Demokratie: Beispiel Aarau-Rohr

Sechs Jah­re nach der Fusi­on von Aar­au und Rohr sind die Par­tei­lo­sen aus der Aar­au­er Par­tei­land­schaft ver­schwun­den. Die aktu­el­le Grös­se des Ein­woh­ner­ra­tes ist mit 50 Sit­zen jedoch ange­mes­sen. Eine Fall­stu­die des Zen­trums für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) in Aar­au hat die Aus­wir­kun­gen der Ein­ge­mein­dung von Rohr auf die loka­le Demo­kra­tie unter­sucht. Sie zeigt die poli­ti­schen Fol­gen von Gemein­de­fu­sio­nen auf, die in der Schweiz grund­sätz­lich stär­ker zu beach­ten wären.

Gemein­de­fu­sio­nen ver­än­dern die loka­le Demo­kra­tie auf ver­schie­de­ne Arten. Die Stadt Aar­au und die Gemein­de Rohr haben per 1. Janu­ar 2010 fusio­niert. Aus Roh­rer Per­spek­ti­ve ver­än­der­te sich das poli­ti­sche Sys­tem grund­le­gend: Bei der Legis­la­ti­ve trat der Ein­woh­ner­rat an die Stel­le der Gemein­de­ver­samm­lung, direk­te Demo­kra­tie wur­de durch reprä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie ersetzt. Aar­au ver­grös­ser­te mit der Fusi­on sein Stadt­ge­biet um meh­re­re Quartiere. 

Die Fusi­on von Aar­au und Rohr führ­ten zu fol­gen­den Ergebnissen:

Lokales Parteiensystem

Wäh­rend das Par­tei­en­sys­tem aus Aar­au­er Sicht weit­ge­hend kon­stant blieb, sind die Roh­rer mit einem ent­schei­den­den Wech­sel kon­fron­tiert. Die star­ken und — wie häu­fig in klei­nen Gemein­den — domi­nan­ten Par­tei­lo­sen sind aus der Aar­au­er Polit­land­schaft ver­schwun­den, haben aber beim Ver­ein Pro Aar­au eine neue Hei­mat gefun­den. Hin­zu­ge­kom­men sind neue, natio­nal eta­blier­te Par­tei­en wie CVP, EVP, GLP und Grüne.

Grösse des Einwohnerrats

Der Ein­woh­ner­rat hat der­zeit 50 Sit­ze. Er wur­de anläss­lich der Fusi­on nicht ver­grös­sert. Wür­de der Ein­woh­ner­rat ver­grös­sert oder ver­klei­nert, hät­te dies kei­ne grund­le­gen­den Aus­wir­kun­gen auf die Par­tei­en­stär­ke. Bei der aktu­el­len Grös­se von 50 Sit­zen wird der Wäh­ler­an­teil der ein­zel­nen Par­tei­en am bes­ten reprä­sen­tiert. Die poli­ti­sche Mei­nungs­viel­falt in Aar­au ist also auch nach der Ein­ge­mein­dung von Rohr gewährleistet.

Abbildung 1:

Aarau

 Wahlkreis und Wahlgrösse

Die Stadt Aar­au bil­det aktu­ell einen Ein­heits­wahl­kreis. Dadurch haben auch klei­ne­re Par­tei­en die Chan­ce, einen oder meh­re­re Sit­ze im Ein­woh­ner­rat zu gewin­nen. Jedoch sind die Quar­tie­re sehr unter­schied­lich ver­tre­ten. So ist das Zel­gli gegen­wär­tig um sie­ben Sit­ze über­ver­tre­ten, wohin­ge­gen das Tel­li um fünf Sit­ze unter­ver­tre­ten ist. Damit stellt sich die grund­le­gen­de Fra­ge, wen oder was der Ein­woh­ner­rat reprä­sen­tie­ren soll. Eine Unter­tei­lung des Stadt­ge­biets in meh­re­re Wahl­krei­se wür­de zwar zu einer fai­ren Ver­tre­tung der Quar­tie­re bei­tra­gen, aller­dings auf Kos­ten der poli­ti­schen Mei­nungs­viel­falt. Zudem wür­de die Suche nach geeig­ne­ten Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten für den Rat noch schwieriger. 

Abbildung 2:

Aarau

Fazit

Par­tei­en spie­len eine wich­ti­ge Rol­le bei der poli­ti­schen Inte­gra­ti­on neu­er Quar­tie­re nach einer Gemein­de­fu­si­on. Dies wird in der aktu­el­len Dis­kus­si­on um Gemein­de­fu­sio­nen in der Schweiz gegen­wär­tig zu wenig beach­tet, bei der vor allem Ver­wal­tungs- und Steu­er­fra­gen im Vor­der­grund stehen. 

Hin­weis: Die­ser Bei­trag bezieht sich auf Zwi­cky, Roman; Küb­ler, Dani­el (2016). Demo­kra­tie nach Gemein­de­fu­sio­nen. Eine Fall­stu­die in der Stadt Aar­au, Stu­di­en­be­rich­te des Zen­trums für Demo­kra­tie Aar­au, Nr. 6 (April 2016).

INFOBOX: Metho­de der Studie
Die Stu­die basiert auf leit­fa­den­ge­stütz­ten Exper­ten­in­ter­views mit Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­tern von Aar­au­er Par­tei­en und auf den Ergeb­nis­sen der Gesamt­erneue­rungs­wah­len der Stadt Aar­au im Jahr 2013. Die Durch­füh­rung der Stu­die wur­de vom Ver­ein “Freun­de des ZDA” finan­zi­ell unterstützt. 

Das Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) ist ein For­schungs­zen­trum der Uni­ver­si­tät Zürich und der Fach­hoch­schu­le Nord­west­schweiz mit Sitz in Aar­au. www.zdaarau.ch 


Lay­out und Gra­fi­ken: Pas­cal Burkhard

Titel­bild: Flickr

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