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Auswirkungen von Gemeindefusionen auf die lokale Demokratie: Beispiel Aarau-Rohr

Roman Zwicky, Daniel Kübler
22nd April 2016

Sechs Jahre nach der Fusion von Aarau und Rohr sind die Parteilosen aus der Aarauer Parteilandschaft verschwunden. Die aktuelle Grösse des Einwohnerrates ist mit 50 Sitzen jedoch angemessen. Eine Fallstudie des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA) in Aarau hat die Auswirkungen der Eingemeindung von Rohr auf die lokale Demokratie untersucht. Sie zeigt die politischen Folgen von Gemeindefusionen auf, die in der Schweiz grundsätzlich stärker zu beachten wären.

Gemeindefusionen verändern die lokale Demokratie auf verschiedene Arten. Die Stadt Aarau und die Gemeinde Rohr haben per 1. Januar 2010 fusioniert. Aus Rohrer Perspektive veränderte sich das politische System grundlegend: Bei der Legislative trat der Einwohnerrat an die Stelle der Gemeindeversammlung, direkte Demokratie wurde durch repräsentative Demokratie ersetzt. Aarau vergrösserte mit der Fusion sein Stadtgebiet um mehrere Quartiere. 

Die Fusion von Aarau und Rohr führten zu folgenden Ergebnissen:

Lokales Parteiensystem

Während das Parteiensystem aus Aarauer Sicht weitgehend konstant blieb, sind die Rohrer mit einem entscheidenden Wechsel konfrontiert. Die starken und - wie häufig in kleinen Gemeinden - dominanten Parteilosen sind aus der Aarauer Politlandschaft verschwunden, haben aber beim Verein Pro Aarau eine neue Heimat gefunden. Hinzugekommen sind neue, national etablierte Parteien wie CVP, EVP, GLP und Grüne.

Grösse des Einwohnerrats

Der Einwohnerrat hat derzeit 50 Sitze. Er wurde anlässlich der Fusion nicht vergrössert. Würde der Einwohnerrat vergrössert oder verkleinert, hätte dies keine grundlegenden Auswirkungen auf die Parteienstärke. Bei der aktuellen Grösse von 50 Sitzen wird der Wähleranteil der einzelnen Parteien am besten repräsentiert. Die politische Meinungsvielfalt in Aarau ist also auch nach der Eingemeindung von Rohr gewährleistet.

Abbildung 1:

Aarau

 Wahlkreis und Wahlgrösse

Die Stadt Aarau bildet aktuell einen Einheitswahlkreis. Dadurch haben auch kleinere Parteien die Chance, einen oder mehrere Sitze im Einwohnerrat zu gewinnen. Jedoch sind die Quartiere sehr unterschiedlich vertreten. So ist das Zelgli gegenwärtig um sieben Sitze übervertreten, wohingegen das Telli um fünf Sitze untervertreten ist. Damit stellt sich die grundlegende Frage, wen oder was der Einwohnerrat repräsentieren soll. Eine Unterteilung des Stadtgebiets in mehrere Wahlkreise würde zwar zu einer fairen Vertretung der Quartiere beitragen, allerdings auf Kosten der politischen Meinungsvielfalt. Zudem würde die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für den Rat noch schwieriger. 

Abbildung 2:

Aarau

Fazit

Parteien spielen eine wichtige Rolle bei der politischen Integration neuer Quartiere nach einer Gemeindefusion. Dies wird in der aktuellen Diskussion um Gemeindefusionen in der Schweiz gegenwärtig zu wenig beachtet, bei der vor allem Verwaltungs- und Steuerfragen im Vordergrund stehen. 

Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich auf Zwicky, Roman; Kübler, Daniel (2016). Demokratie nach Gemeindefusionen. Eine Fallstudie in der Stadt Aarau, Studienberichte des Zentrums für Demokratie Aarau, Nr. 6 (April 2016).

INFOBOX: Methode der Studie
Die Studie basiert auf leitfadengestützten Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Aarauer Parteien und auf den Ergebnissen der Gesamterneuerungswahlen der Stadt Aarau im Jahr 2013. Die Durchführung der Studie wurde vom Verein "Freunde des ZDA" finanziell unterstützt. 

Das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) ist ein Forschungszentrum der Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz mit Sitz in Aarau. www.zdaarau.ch 


Layout und Grafiken: Pascal Burkhard

Titelbild: Flickr