Die Verantwortung für politisches Handeln wird in den Medien verzerrt abgebildet

Immer häu­fi­ger wer­den staat­li­che Auf­ga­ben an Pri­va­te dele­giert. Ver­mehrt neh­men Netz­wer­ke aus staat­li­chen und nicht-staat­li­chen Akteu­ren öffent­li­che Auf­ga­ben wahr. Ein For­schungs­pro­jekt des Zen­trums für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) hat unter­sucht, inwie­weit die Medi­en das Wir­ken sol­cher Netz­wer­ke trans­pa­rent machen. Fazit: nur teilweise.

Vom Volk gewähl­te Par­la­men­te und Regie­run­gen sind demo­kra­tisch legi­ti­miert. Sie über­wa­chen die staat­li­che Ver­wal­tung und kön­nen von den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den, wenn etwas schief läuft. Anders ver­hält es sich bei gemisch­ten Trä­ger­schaf­ten, das heisst, wenn der Staat mit pri­va­ten Unter­neh­men, Nicht- Regie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen oder Exper­ten­grup­pen zusammenarbeitet.

In sol­chen Netz­wer­ken ist die Ent­schei­dungs­fin­dung weni­ger regle­men­tiert und oft weni­ger trans­pa­rent. Die Ver­ant­wor­tung ist geteilt und kann, im Fal­le von Feh­lern, hin- und her­ge­scho­ben wer­den. Oft­mals ist die demo­kra­ti­sche Kon­trol­le in sol­chen Netz­wer­ken mangelhaft.

Demokratiedefizit verstärkt

Unse­re Stu­die zeigt, dass die Medi­en zwar die Rol­len von staat­li­chen und nicht-staat­li­chen Akteu­ren inner­halb sol­cher Netz­wer­ke ange­mes­sen abbil­den. Jedoch wer­den staat­li­che Akteu­re viel stär­ker für den Erfolg oder das Schei­tern poli­ti­scher Ent­schei­dun­gen ver­ant­wort­lich gemacht – obwohl eigent­lich die nicht-staat­li­chen Part­ner für die Umset­zung zustän­dig sind.

Amts­trä­ger sind öffent­lich bekann­te Per­so­nen und haben einen höhe­ren Nach­rich­ten­wert. Dies trifft vor allem auf stark kom­mer­zi­ell aus­ge­rich­te­te Medi­en zu. Damit wird die Ver­ant­wor­tung für poli­ti­sches Han­deln ver­zerrt abge­bil­det. Fazit: Die Medi­en kön­nen das Demo­kra­tie­de­fi­zit von staat­lich-pri­va­ten Netz­wer­ken nicht aus­glei­chen, son­dern ver­stär­ken es noch.

Städte werden zu Metropolitanräumen

Das For­schungs­team hat Ent­schei­dungs­pro­zes­se und Medi­en­be­richt­erstat­tung in den Auf­ga­ben­be­rei­chen Öffent­li­cher Ver­kehr und Wirt­schafts­för­de­rung in acht euro­päi­schen Metro­po­li­tan­räu­me unter­sucht, dar­un­ter auch Zürich.

In Zürich wer­den The­men des öffent­li­chen Ver­kehrs vor­ran­gig vom Zür­cher Ver­kehrs­bund behan­delt, bei dem vor allem der Kan­ton Zürich Ent­schei­dungs­be­fug­nis hat. Anders ist es bei der Wirt­schafts­för­de­rung. Dort sind nicht nur Kan­ton und Stadt tätig son­dern auch gemisch­te Gre­mi­en wie die Grea­ter Zurich Area. Es bestim­men Dele­gier­te von Kan­to­nen und pri­vat­wirt­schaft­li­chen Unter­neh­men über die Aus­ge­stal­tung der Standortförderung.

«Metro­po­li­tan­räu­me demo­kra­ti­scher zu gestal­ten ist eine der gros­sen Her­aus­for­de­run­gen des 21. Jahrhunderts.»

Dani­el Kübler

Wir plä­die­ren dafür, dass die Medi­en­schaf­fen­den auch das Han­deln von nicht-staat­li­chen Auf­ga­ben­trä­gern stär­ker unter die Lupe neh­men soll­ten, anstatt reflex­ar­tig Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker ver­ant­wort­lich zu machen, wenn etwas schiefläuft.

Eine Fol­ge­stu­die am NCCR Demo­cra­cy wid­met sich die­ser The­ma­tik: Es wird unter­sucht, wie Bür­ge­rin­nen und Bür­ger das Demo­kra­tie­de­fi­zit wahr­neh­men und inwie­fern die Medi­en mit ihrer Bericht­erstat­tung die Ansich­ten der Lese­rin­nen und Leser prägen.


Hin­weis:

Die­ser Bei­trag bezieht sich auf Has­ler, Karin; Küb­ler, Dani­el; Christ­mann, Anna; Mar­cin­kow­ski, Frank (2016). “Over-respon­si­bi­li­sed and over-bla­med: elec­ted actors in media repor­ting on net­work gover­nan­ce. A com­pa­ra­ti­ve ana­ly­sis in eight Euro­pean metro­po­li­tan are­as”, Poli­cy & Poli­tics, vol. 44, no. 1/2016, S. 135–52. (Bestel­lung via Nathalie.Baumann@zda.uzh.ch)

Foto: DeFacto

INFOBOX: ZdA und NCCR
Das Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) ist ein For­schungs­zen­trum der Uni­ver­si­tät Zürich und der Fach­hoch­schu­le Nord­west­schweiz mit Sitz in Aarau.

Im Natio­na­len For­schungs­schwer­punkt Demo­kra­tie (NCCR Demo­cra­cy) unter­su­chen For­schen­de aus zehn Hoch­schu­len, wie die Glo­ba­li­sie­rung und der zuneh­men­de Ein­fluss der Medi­en auf die Poli­tik die Demo­kra­tie verändern.

Lek­to­rat: Sarah Bütikofer

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