Ausländervorlagen mobilisieren die Jungen überdurchschnittlich

Was lockt jun­ge Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger an die Urne? In einer For­schungs­ar­beit hat Ben­ja­min Schle­gel, MA-Stu­dent der Uni­ver­si­tät Zürich, die­se Fra­ge mit­tels Daten aus der Stadt St. Gal­len unter­sucht und ist zu über­ra­schen­den Ergeb­nis­sen gekom­men. The­men, die Jun­ge direkt betref­fen, mobi­li­sie­ren wenig, Aus­län­der­vor­la­gen umso stärker. 

Jun­ge Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger sind nicht per se abstim­mungs­faul. Ihre Betei­li­gung hängt aber stark von der Vor­la­ge ab. Wenn eine Abstim­mung über Militär‑, Aus­län­der- oder Arbeits­markt­the­men statt­fin­det, neh­men vie­le jun­ge Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger teil. Auch Wah­len mobi­li­sie­ren Jun­ge. Dies zei­gen Aus­wer­tun­gen der letz­ten fünf Jah­re, die sich auf die Stadt St. Gal­len beziehen. 

Militär‑, Ausländer und Arbeitsmarktvorlagen mobilisieren die Jungen

Am 18. Mai 2014 ver­warf das Schwei­zer Stimm­volk die Anschaf­fung des Kampf­jets Gri­pen und die Min­dest­lohn­in­itia­ti­ve. Die­se The­men lock­ten auch die jun­gen St.Gallerinnen und St.Galler an die Urne. Nie lag die Betei­li­gung der Jun­gen im Ver­gleich zur älte­ren Bevöl­ke­rung höher als an die­sem Abstimmungssonntag.

Nur mini­mal gerin­ger war die Betei­li­gung der Jun­gen bei der Aus­schaf­fungs­in­itia­ti­ve 2010 oder der Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve im Febru­ar 2014. Wenn in den letz­ten fünf Jah­ren die Jugend­be­tei­li­gung hoch war, stand immer min­des­tens eine Vor­la­ge zu Militär‑, Aus­län­der- und Arbeits­markt­the­men zur Abstimmung.

Auch an den letz­ten Natio­nal­rats­wah­len 2011 nah­men die jun­gen Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger eben­falls über­durch­schnitt­lich teil.

Bei welchen Abstimmungen war die Stimmbeteiligung der Jungen im Vergleich zu den Älteren relativ am höchsten?

Gratis Busfahren für junge Erwachsene zog bei den Jungen nicht

2012 woll­ten die JUSO St. Gal­len den Jun­gen zu Gra­tis­fah­ren im öffent­li­chen Ver­kehr ver­hel­fen. Doch ihre Initia­ti­ve „gra­tis öV für unter 25-Jäh­ri­ge“ konn­te die jun­gen Stimm­be­rech­tig­ten kaum mobi­li­sie­ren. Dies über­rascht, da die Jun­gen bei einer Annah­me der Initia­ti­ve pro­fi­tiert hätten.

Eben­falls auf wenig Inter­es­se bei den Jun­gen stiess der Bun­de­be­schluss zur Jugend­mu­sik­för­de­rung oder die Initia­ti­ve zum Schutz vor Pas­siv­rau­chen. Die tiefs­te Betei­li­gung im Ver­gleich zur älte­ren Bevöl­ke­rung hat­ten die Jun­gen beim Tier­seu­chen­ge­setz, wel­che auch die all­ge­mein tiefs­te Stimm­be­tei­li­gung aufwies.

Asylthema und Abzockersaläre interessieren die Jungen nicht

Anders als die Aus­län­der­the­men mobi­li­sier­ten Asylthe­men die Jun­gen kaum. Bei der Abstim­mung zur Ände­rung des Asyl­ge­set­zes lag die rela­ti­ve Betei­li­gung der Jun­gen bei nur 45.6 Prozent.

Eben­falls auf wenig Inter­es­se bei den Jun­gen stiess der zwei­te Wahl­gang der Regie­rungs­rats­wah­len im Kan­ton St. Gal­len. Beim Show­down zwi­schen dem SP-Kan­tons­rat Fre­dy Fäss­ler und dem SVP-Frak­ti­ons­prä­si­den­ten Micha­el Göt­te nah­men die Jun­gen nur spär­lich teil.

Der Abstim­mungs­for­scher Tho­mas Milic ist der Ansicht, dass ein Teil der höhe­ren Jugend­be­tei­li­gung durch eine höhe­re all­ge­mei­ne Betei­li­gung erklärt wer­den kann. Vie­le älte­re Per­so­nen gehen regel­mäs­sig an die Urne. Die Jun­gen hin­ge­gen gehen häu­fig nur bei einer Abstim­mung mit einem inten­si­ven Abstim­mungs­kampf. Die­ses Argu­ment kann jedoch nur einen Teil der Unter­schie­de erklä­ren, wie Milic anfügt:

Die Empö­rung über die Abzo­cker­sa­lä­re hielt sich bei den Jun­gen in Gren­zen. Hin­ge­gen waren die älte­ren Stimm­be­rech­ti­gen bei der Abzo­cker­initia­ti­ve gera­de­zu elektrifiziert.”

Tho­mas Milic

Aus die­sem Grund fiel die Jugend­be­tei­li­gung bei die­ser Vor­la­ge über­durch­schnitt­lich tief aus. Bei der Revi­si­on der Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung betei­lig­ten sich die Jun­gen hin­ge­gen über­durch­schnitt­lich, trotz der eher gerin­gen all­ge­mei­nen Stimm­be­tei­li­gung. Dies läge dar­an, dass die Jun­gen bei die­ser Vor­la­ge über­durch­schnitt­lich betrof­fen waren, sagt Milic.

INFOBOX

Für die Unter­su­chung wur­den die Stimm­re­gis­ter­da­ten der Stadt St. Gal­len aus­ge­wer­tet. Die Stadt St. Gal­len regis­triert seit 2010 alle Stimm­re­gis­ter­aus­wei­se, wel­che für die Abstim­mun­gen resp. Wah­len ver­wen­det wur­den. Da die­se Daten­ba­sis eine Voll­erhe­bung dar­stellt, sind prä­zi­se Aus­sa­gen über das Par­ti­zi­pa­ti­ons­ver­hal­ten möglich.

Um die rela­ti­ve Stimm­be­tei­li­gung zu berech­nen, wur­de die Sub­grup­pe der jun­gen Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler mit der Sub­grup­pe der älte­ren Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler verglichen.

Rela­ti­ver Mobi­li­sie­rungs­grad = Stimm­be­tei­li­gung 18 bis 25 / Stimm­be­tei­li­gung ab 18

Mit die­ser For­mel ist es mög­lich, Abstim­mungs­ter­mi­ne zu fin­den, bei denen die Jun­gen im Ver­gleich zu den Älte­ren über­durch­schnitt­lich oder unter­durch­schnitt­lich teil­ge­nom­men haben. 


Refe­ren­zen:

Foto: Ben­ja­min Schlegel

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