Starker Rückgang der lokalen religiösen Gruppen in der Schweiz

In der 39. Ausgabe der Zeitschrift Social Change in Switzerland zeigen Jörg Stolz und seine Kollegen anhand von zwei Erhebungen aller lokalen religiösen Gruppen in der Schweiz, dass die Säkularisierung weiter voranschreitet. Dieser Prozess betrifft nicht nur die reformierte und die katholische Kirche, sondern die religiöse Landschaft insgesamt. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Zahl der lokalen religiösen Gruppen zurückgegangen und das Durchschnittsalter der Teilnehmenden angestiegen.

Lokale religiöse Gruppen organisieren sich in der Schweiz in Pfarreien, Gemeinden, Moscheen, Synagogen oder Tempel. Auf der Basis von zwei Vollerhebungen und repräsentativen Umfragen zeigt ein Team von Religionssoziologen, dass die Zahl der lokalen religiösen Gruppen zwischen 2008 und 2022 um 7% abgenommen hat. Insbesondere die reformierte und die katholische Kirche haben viele lokale Gruppen verloren. Auch in der muslimischen Gemeinschaft der Schweiz ist die Zahl der Moscheen leicht zurückgegangen – und dies, obwohl die Zahl der regelmässig Teilnehmenden zugenommen hat.

Anders sieht es bei den evangelikal-charismatischen (oder pfingstlichen) Gemeinschaften aus. Sie sind weltweit auf dem Vormarsch, und auch in der Schweiz sind seit 2008 über 200 neue Gruppen dieser Art entstanden. Da aber ebenso viele Gruppen verschwunden sind, ist die Zahl dieser lokalen Gemeinschaften und der regelmässig Teilnehmenden zwischen 2008 und 2022 stabil geblieben. Die evangelikal-charismatischen Gemeinschaften in der Schweiz wachsen also nicht, sondern weisen eine hohe Fluktuation auf.

Der Rückgang der Religiosität zeigt sich auch im Anteil der Bevölkerung, der regelmässig an Gottesdiensten/Zeremonien teilnimmt. Er ist in der Schweiz zwischen 2008 und 2022 von rund 11,6% auf 9,5% gesunken. Dabei ist eine starke Alterungstendenz zu beobachten: Rund die Hälfte der regelmässig Teilnehmenden ist heute über 60 Jahre alt. Auch bei den geistlichen Leitern (Priester, Imame etc.) ist das Durchschnittsalter deutlich von 50,8 auf 53,8 Jahre gestiegen. Diese starke Alterungstendenz zeigt sich nicht nur bei den anerkannten christlichen Kirchen, sondern auch bei den evangelikalen Gemeinschaften sowie bei den Muslimen, Juden, Buddhisten und Hindus in der Schweiz. Dieses Ergebnis widerspricht der Auffassung, die Säkularisierung beschränke sich auf die traditionellen Kirchen.


Referenz:

Stolz, J., Köhrsen, J., Senn, J., Monnot, C., Buzzi, A-L., & Hearn, A. (2024). Säkularisierung und Inklusivität. Die Entwicklung lokaler religiöser Gruppen in der Schweiz, 2008-2022. Social Change in Switzerland, N°39, www.socialchangeswitzerland.ch

Kontakt:

Prof. Jörg Stolz, Universität Lausanne, +41 (0)79 961 51 57, joerg.stolz@unil.ch

Dieser Artikel wurde von Raed Hartmann bearbeitet.

Bild: Unsplash.com

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KategorienPolitische Soziologie, Schweizer PolitikThemen
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