Stempel Abgelehnt

Abstimmungsrückblick 13.2.2022: Deutliche Volksmehrheit will an der Stempelsteuer festhalten

Kurzbeschreibung zur Abstimmung vom 13. Februar 2022 über das Stempelabgaben-Gesetz.

Vorgeschichte

Seit dem frühen 20. Jahrhundert erhebt der Bund Abgaben auf die Emission und den Handel mit Wertschriften, die sogenannten Stempelabgaben. Im Jahr 2009 reicht die FDP-Liberale Fraktion eine parlamentarische Initiative ein, die deren schrittweise Abschaffung fordert. Ihr erklärtes Ziel ist es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu stärken und den Finanzplatz attraktiver zu machen. Nachdem das Schicksal der Versicherungs- und der Umsatzabgabe sowie der Emissionsabgabe auf Fremdkapital im Rahmen anderer Vorlagen geklärt wird, geht es bei der hier behandelten Gesetzesänderung lediglich noch um Emissionsabgaben, die sich auf das Eigenkapital von Unternehmen beziehen.

Beide Räte stimmen den Forderungen nach der Abschaffung der Emissionsabgabe zu, folgen aber der Empfehlung des Bundesrats, das Geschäft zu sistieren und im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III zu berücksichtigen. Die USR III wird 2017 von den Stimmbürger:innen jedoch deutlich abgelehnt (siehe Vorlage Nr. 611).

Rund zwei Jahre später – insgesamt zehn Jahre nach der Einreichung der parlamentarischen Initiative – werden die Verhandlungen zur Abschaffung der Stempelsteuer wieder aufgenommen. Sie enden 2021 in einer Annahme des Gesetzesentwurfs bei den Schlussabstimmungen der beiden Räte. Im Nationalrat wird er mit 120 zu 70 Stimmen bei 5 Enthaltungen, im Ständerat mit 29 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung jeweils deutlich angenommen. Gegen die Vorlage stimmen – nebst den drei Parlamentarier:innen der EVP – die Vertreter:innen der SP und der Grünen, deren Parteien im Anschluss in Zusammenarbeit mit weiteren linken Organisationen erfolgreich das Referendum ergreifen.

Gegenstand

Die Änderung des Gesetzes über die Stempelabgaben sieht vor, dass die Emissionsabgaben aufgehoben werden. Bisher werden Unternehmen bei der Aufnahme von Eigenkapital über einem Freibetrag von CHF 1 Mio. mit 1% besteuert. Diese Steuer, die dem Bund bisher durchschnittlich CHF 250 Mio. pro Jahr einbringt, soll nun wegfallen.

Abstimmungskampf

Für die Vorlage setzen sich SVP, FDP, Mitte und GLP sowie die grossen Wirtschaftsverbände ein. Unter dem Motto «KMU stärken. Arbeitsplätze sichern» argumentieren die Befürworter:innen, dass eine Abschaffung der Emissionsabgabe den Wirtschaftsstandort Schweiz stärken und Start-Ups sowie Jungunternehmen entlasten würde. Das Komitee führt zudem ins Feld, dass die Steuereinnahmen durch die Emissionsabgabe in der Vergangenheit immer in Krisenzeiten angestiegen sind, so auch während der Covid-19 Pandemie; dabei sollten Unternehmen gerade in Krisenzeiten nicht zusätzlich belastet werden. Weiter argumentiert es, dass die Emissionsabgabe auf Fremdkapital bereits abgeschafft wurde. Dies führe zu einem Fehlanreiz, da für die Aufstockung des Kapitals derzeit eine Kreditaufnahme sinnvoller scheinen möge, obwohl diese mehr Risiken mit sich bringe.

Gegen die Abschaffung der Emissionsabgaben sind die SP und die Grünen. Ihnen schliessen sich nebst den Gewerkschaften die EVP, PdA, SD und EDU – letztere allerdings mit drei abweichenden Sektionen – an. Mit dem Slogan «Nein zum Stempelsteuer-Bschiss» wollen die Gegner:innen die Abschaffung der Emissionsabgabe verhindern. Das Referendumskomitee befürchtet, dass bei einer Annahme der Vorlage letztlich die Bevölkerung für die Steuerausfälle aufkommen muss, entweder durch Steuererhöhungen oder einen Abbau öffentlicher Leistungen. Weil schon die bisherige Steuer erst auf Beträgen über CHF 1 Mio. Eigenkapital erhoben wird, würde ihre Abschaffung gemäss der Nein-Kampagne vor allem wenigen Grossunternehmen zugutekommen, während KMU nichts davon hätten.

Abbildung 1. Stempelabgaben-Gesetz: Stimmempfehlungen und Ergebnisse

Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Quelle: Swissvotes

Parteiparolen: Kumulierte Wähleranteile aller Parteien mit Nein-Parole und aller Parteien mit neutraler oder unbekannter Parole.

Im langjährigen Vergleich ist die Zahl geschalteter Inserate bei der Stempelabgabe unterdurchschnittlich (Stempelabgabe: 167 Inserate, Durchschnitt aller Abstimmungsvorlagen 2013-2021: 243 Inserate). 96% der Inserate zur Stempelsteuer entfallen gemäss einer Analyse von APS auf die Befürworter:innen der Gesetzesreform, Contra-Inserate werden gerade einmal sechs erfasst (Heidelberger/Bühlmann 2022). Hingegen ist die Tonalität bei der Medienberichterstattung sehr ausgeglichen (fög 2022).

Ergebnis

Das Gesetz wird an der Urne trotz der breiten bürgerlichen Ja-Allianz bei einer Stimmbeteiligung von 44% deutlich abgelehnt. Nur 37,4% der Bevölkerung sprechen sich für die Aufhebung der Emissionsabgaben aus, und einzig im Kanton Zug ist eine Mehrheit des Stimmvolkes dafür. Am deutlichsten fällt die Ablehnung im Kanton Jura aus mit 70,5% Nein-Stimmen.

Die Nachbefragung von gfs.bern (2022) ergibt, dass vor allem Personen, die sich selbst als rechts bezeichnen und eine Parteiaffinität zu FDP oder SVP haben, die Gesetzesänderung angenommen haben. Parteianhänger:innen der Mitte und der GLP haben die Vorlage indessen entgegen den Parolen dieser Parteien mehrheitlich abgelehnt. Während Ja-Stimmende damit vor allem den Wirtschaftsstandort Schweiz stärken wollten, begründeten die meisten Nein-Stimmenden ihren Entscheid damit, dass ihrer Meinung nach die Vorlage nur Grosskonzerne begünstigt hätte und die Steuerausfälle zulasten der Bevölkerung gegangen wären.

Abbildung 2. Abstimmung vom 13.02.2022 über das Stempelabgaben-Gesetz, Abstimmungsergebnis nach Bezirken

Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Quelle: Bundesamt für Statistik


Hinweis: Dieser Beitrag wurde für die Abstimmungsdatenbank Swissvotes erstellt. Das Original kann ebenso wie zahlreiche weiterführende Informationen rund um die Abstimmungsvorlage unter https://swissvotes.ch/vote/653 heruntergeladen werden.

Empfohlene Zitierweise: Reinhard, Virginia (2024): Deutliche Volksmehrheit will an der Stempelsteuer festhalten. Swissvotes – die Datenbank der eidgenössischen Volksabstimmungen. Online: www.swissvotes.ch. Abgerufen am [Datum].

Referenzen:

  • fög (2022). Abstimmungsmonitor zu den Vorlagen vom 13. Februar 2022, Schlussbericht vom 11. Februar 2022. Zürich: Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich.

  • gfs.bern (2022). VOX-Analyse Februar 2022. Nachbefragung und Analyse zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 13. Februar 2022. Bern: gfs.bern.

  • Grüne Schweiz (2021). Nein zur Abschaffung der Stempelsteuer. Mitteilung vom 17.12.2021. Online: https://gruene.ch/kampagne/nein-zur-abschaffung-der-stempelsteuer, abgerufen am 6.7.2024.

  • Heidelberger, Anja und Marc Bühlmann (2022). APS-Zeitungs- und Inserateanalyse zur Abstimmung vom 13. Februar 2022.  Zwischenstand vom 3.2.2022. Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.

  • Bernhard, Laurent, Fabio Canetg, Nico Dürrenmatt und Guillaume Zumofen (2024). Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik: Parlamentarische Initiative will schrittweise Abschaffung der Stempelsteuer (Pa.Iv. 09.503), 2012-2022. Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern. www.anneepolitique.swiss, abgerufen am 6.7.2024.

  • Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung vom 13.2.2022 (Abstimmungsbüchlein). Herausgegeben von der Bundeskanzlei.

  • Amtliche Bulletins des National- und des Ständerats (Geschäft 09.503).

  • Bundesblatt: BBl 2013 1089. BBI 2013 1107. BBI 2020 8721. BBl 2020 9427.

Bild: flickr.com

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KategorienPolitische Ökonomie, Schweizer PolitikThemen
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