Neue Serie: Das Forschungsnetzwerk für progressive Politik im Rampenlicht

Das neu gegründete Netzwerk Progressive Politics Research Network (PPRNet) vereint Forschende, die den Themen und Trägern von progressiven Politiken auf den Grund gehen. Das Ziel des Netzwerk ist es, aktuelle Forschungsergebnisse einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und mit politischen Entscheidungsträger:innen sowie der interessierten Öffentlichkeit in Dialog zu treten.

Das Progressive Politics Research Network

Das Netzwerk vereint Wissenschaftler:innen, die sich mit der Transformation progressiver Politik in postindustriellen Gesellschaften beschäftigen. Es steht Forschenden offen, welche zum Verständnis progressiver Politik und ihrer Transformation beitragen möchten. Das Ziel der Initiative besteht darin, zu verstehen, was progressive Politik im 21. Jahrhundert ausmacht, indem inhaltliche Ziele, Organisationsformen und konkrete politische Forderungen und Vorhaben in unterschiedlichen Ländern untersucht werden. Das PPRNet soll dazu beitragen, die Erkenntnisse dieser Untersuchungen Entscheidungsträgern und der breiteren Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Was untersuchen wir?

Das PPRNet verwendet ein breit gefasstes Konzept von progressiver Politik. Progressive Akteur:innen – egal ob Parteien, Wähler:innen, soziale Bewegungen, Verbände oder andere Akteure – zeichnen sich dadurch aus, dass sie drei zentrale Prinzipen unterstützen: Einen möglichst breiten Zugang zu politischen Massnahmen, welche den Menschen Schutz und Chancen bieten; die Unterstützung offener und integrativer Demokratien und die Förderung ökologischer Nachhaltigkeit.

Erstens setzen sich progressive Akteur:innen für einen möglichst breiten und gleichen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen ein, welche für die Sicherheit, Entwicklung und Entfaltung der Menschen zentral sind. Ihr Ziel ist es, freie Märkte insofern zu korrigieren, dass der gesamten Bevölkerung, unabhängig von eigenen finanziellen Möglichkeiten, ein guter Mindestlebensstandard garantiert wird. Dies bedeutet konkret, dass progressive Akteur:innen in der Regel die zentralen Errungenschaften des Sozialstaates hoch halten und möglichst allen Mitgliedern der Gesellschaft Zugang zu Sozialleistungen bieten wollen (z. B. Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum).

Zweitens unterstützen progressive Akteur:innen offene und integrative Gesellschaften. Sie sind den demokratischen Grundwerten, den Menschenrechten und der Selbstbestimmung verpflichtet. Zwei Grundsätze stehen im Mittelpunkt der Idee einer integrativen Demokratie: Repräsentation und Partizipation. In einer integrativen Demokratie werden die verschiedenen Interessen und Gruppen der Gesellschaft in der Politik vertreten. Inklusive Demokratie bedeutet auch, Partizipationshindernisse zu beseitigen, welche die gesellschaftliche Teilhabe und Teilnahme weniger gut integrierter Gruppen behindern.

Drittens ist die ökologische Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen progressiver Akteur:innen. Sie anerkennen die Notwendigkeit, den Planeten für heutige und zukünftige Generationen zu schützen und streichen den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit heraus, denn Umweltzerstörung und Klimawandel betreffen stark marginalisierte Bevölkerungsgruppen oft unverhältnismässig stark. Progressive Akteur:innen fördern deshalb nachhaltige Praktiken zum Schutz dieser Gemeinschaften und zur Abschwächung der negativen Folgen des Klimawandels.

Gemäss dieser Auffassung umfasst das progressive Feld sozialdemokratische Parteien, die Arbeiterbewegung, grüne Parteien, Umweltbewegungen, linksaussen Parteien sowie andere links-progressive Interessengruppen. Das Netzwerk ist jedoch auch an Akteur:innen interessiert, die sich nicht entlang der Links-Rechts-Achse definieren, sondern grundsätzlich für progressive Prinzipien einstehen.

Wie forscht das Netzwerk?

PPRNet untersucht die Interaktion von sozioökonomischen Strukturen und politischem Verhalten, wobei davon ausgegangen wird, dass sozioökonomische Strukturen die Präferenzen der jeweiligen Akteur:innen beeinflussen. Diese wiederum interpretieren die verschiedenen sozioökonomischen Bedingungen und deren Veränderungen unterschiedlich, was in variierenden politischen Strategien und Ergebnissen mündet.

Wahlen sind zwar zentral für das Funktionieren eines politischen Systems, dennoch liegt der Forschungsfokus des Netzwerkes nicht ausschliesslich auf der Wahlanalyse. In demokratischen Gesellschaften stehen Parteien und Wähler:innen im Mittelpunkt der Entscheidungsprozesse. Allerdings haben auch andere Akteur:innen innerhalb und ausserhalb der Wahlsysteme Einfluss auf politische Prozesse. So spielen beispielsweise Gewerkschaften, Interessengruppen und soziale Bewegungen eine zentrale Rolle in Bezug auf politische Entscheidungen, was die Möglichkeiten einer fortschrittlichen Politik einschränken oder erweitern kann. Diese Akteur:innen können Prozesse der demokratischen Repräsentation auch verzerren, was zu ungleicher Repräsentation oder sogar zu demokratischen Rückschritten führen kann.

Die Forschenden des Netzwerks stehen in der Tradition des Methodenpluralismus und nutzen die Instrumente der empirischen Sozialwissenschaften. Sie stützen sich auf empirische Datenanalysen und verwenden sowohl quantitative als auch qualitative Methoden. Das Netzwerk will umfassende Datensätze analysieren, um Politik zu verstehen und zu erklären. Auf der Grundlage von empirischen Befunden soll ein breiterer Diskurs geführt werden. Zu diesem Zweck führen die Mitglieder des Netzwerks eigene Forschungsarbeiten durch, bauen aber auch auf bestehenden Analysen auf.

Was macht das Netzwerk?

Das Netzwerk hat sich auf die Fahne geschrieben, einen Beitrag zu einer wissenschaftlich fundierten Debatte leisten. Zum einen will PPRNet Erkenntnisse aus der empirischen Forschung sichtbarer und zugänglicher machen, indem es dazu beiträgt, Forschende mit politischen Akteur:innen, Entscheidungsträger:innen, den Medien und der interessierten Öffentlichkeit zu verbinden.

Zum anderen will das Netzwerk zur wissenschaftlichen Debatte beitragen und den intensiven Austausch zwischen Forschenden fördern, sei es in Bezug auf neue Kooperationen oder in der Stärkung von bestehenden. Durch die Vielfalt der Hintergründe der einzelnen Mitglieder spricht das Netzwerk verschiedene Zielgruppen auf nationaler und internationaler Ebene an.

Die Tätigkeit der Forschenden im Netzwerk konzentriert sich auf eine Reihe von Aktivitäten. Erstens macht das Netzwerk akademische Forschung durch die Veröffentlichung von Forschungsberichten zu jährlich festgelegten Themenschwerpunkten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Die Veröffentlichung dieser Forschungsberichte soll künftig von einer neu geschaffenen Podcast-Reihe begleitet werden, in der die breiteren Implikationen der Befunde für die progressive Politik diskutiert werden.

Zweitens organisiert PPRNet eine jährliche Konferenz, um den Austausch zwischen Forschenden zu einem jährlichen Schwerpunktthema zu fördern. An diesen Konferenzen werden die neusten Forschungsergebnisse präsentiert. Gleichzeitig sollen zentrale Aspekte progressiver Politik breit debattiert werden. Die Konferenzen dienen auch als Ideen-Input für die jährlichen Reihe von Forschungsberichten und Podcasts, die wir veröffentlichen.

Auf der Grundlage der Publikationen in englischer Sprache ist es ein weiteres Ziel des Netzwerks, zu länderspezifischen Debatten und Entscheidungsprozessen beizutragen. Die Forschenden des Netzwerkes suchen daher gezielt die Zusammenarbeit mit Medienschaffenden und anderen Organisationen in europäischen Ländern, um die Arbeiten des Netzwerks zu kommunizieren, sowie Veranstaltungen mit lokalen Akteur:innen durchzuführen.

Interessierte können sich gerne auf der Website des PPRN informieren und in eine Mailingliste eintragen, um über die Aktivitäten auf dem Laufenden gehalten zu werden.

Das Netzwerk wird von Tarik Abou-Chadi (Universität Oxford), Macarena Ares (Universität Barcelona), Björn Bremer (Central European University), Jane Gingrich (Universität Oxford), Silja Häusermann (Universität Zürich) und Hanna Schwander (Humboldt Universität Berlin) geleitet.


Hinweis: Der Artikel wurde von Sarah Bütikofer und Remo Parisi übersetzt und redigiert.

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