Welches sind die finanziellen und gesundheitlichen Folgen von Scheidungen? Wie häufig werden Sozialleistungen bezogen und gibt es geschlechtsspezifisch unterschiedliche Auswirkungen? Im soeben erschienenen Werk «Scheidung als soziales Risiko» werden diese Fragen mittels umfassenden Datenanalysen untersucht und Ergebnisse präsentiert.
Trennungen und Scheidungen sind in den letzten 50 Jahren deutlich häufiger geworden. Fast die Hälfte der Ehen oder Konkubinats-Beziehungen gehen im Laufe der Zeit wieder auseinander. Deshalb ist es entscheidend, wie gut die Folgen von Trennungen abgefedert werden und wie die betreffenden Personen sozial abgesichert sind. Die vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte und an der Berner Fachhochschule BFH durchgeführte Studie befasst sich mit den wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Folgen von Scheidungen. Die Resultate sind nun in Buchform für ein breites Fachpublikum und die interessierte Öffentlichkeit greifbar.
Die Untersuchung basiert auf verknüpften Administrativ- und Umfragedaten, was umfassende Analysen zur Problemlage von Geschiedenen in der Schweiz ermöglicht. Ergänzend dazu wurden Interviews mit Fachexpertinnen und Fachexperten aus den Bereichen soziale Absicherung, Familienrecht und Zivilgesellschaft durchgeführt.
Scheidungen führen häufig zu schwierigen finanziellen Situationen. Geschiedene Frauen haben unmittelbar nach einer Scheidung im Mittel ein um 30 Prozent geringeres verfügbares Einkommen als vor der Scheidung. Kinder leben nach der Trennung meistens bei ihren Müttern, die als Alleinerziehende häufig in besonders prekären Einkommensverhältnissen leben. Bei Männern ist die Einkommenseinbusse mit knapp 10 Prozent zwar deutlich geringer – Unterhaltspflichten können bei ihnen aber zu grossen finanziellen Belastungen führen.
Den Unterhaltsbeiträgen kommt nach der Scheidung vor allem für Frauen eine wichtige Rolle zu. Diese leisten einen wesentlichen Beitrag zum Haushaltseinkommen, vor allem wenn Kinder zu betreuen sind. Das Unterhaltsrecht hat sich seit den 1990er-Jahren jedoch grundlegend gewandelt. Frauen müssen nach einer Scheidung viel öfter als früher für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen. Männer sind noch dann zu Unterhaltszahlungen verpflichtet, wenn ihr Existenzminimum dadurch nicht gefährdet ist und die Expartnerin kein ausreichendes Einkommen erwirtschaften kann. Nur wenn ihr Ex-Mann ein hohes Einkommen hat, sind Frauen in tieferen Einkommenslagen ausreichend über Unterhaltszahlungen vor Armut und Sozialhilfebezug geschützt.
Die oftmals prekäre Einkommenssituation geschiedener Personen führt dazu, dass sie viel häufiger als andere Bevölkerungsgruppen auf Sozialleistungen angewiesen sind. Im Vergleich zu verheirateten Frauen beziehen geschiedene Frauen dreimal häufiger Sozialhilfe und im Pensionsalter siebenmal häufiger Ergänzungsleistungen. Rund jede zehnte Frau bezieht aufgrund einer Ehetrennung Sozialhilfe. Die Untersuchung zeigt, dass die Rollenteilung in der Ehe das Sozialhilferisiko nach einer Scheidung beeinflusst. Frauen, die in der Ehe gleichberechtigt am Erwerbsleben teilgenommen haben, können sich finanziell besser absichern, während es für Frauen, die wenig oder gar nicht erwerbstätig waren, schwerer ist, ihre Existenz selbständig zu bestreiten. Geschiedene sind zudem starken psychosozialen Belastungen ausgesetzt und haben einen schlechteren Gesundheitszustand. Besonders stark sind die psychosozialen Belastungen in den Jahren unmittelbar vor und nach der Scheidung.
Die Ergebnisse der Untersuchung weisen auf einen ausgewiesenen Handlungsbedarf zur Vermeidung oder Abfederung der negativen Folgen von Scheidungen hin. Das letzte Kapitel des Buches befasst sich mit möglichen Massnahmen zu Milderung der Problemlagen nach einer Scheidung. Dazu gehören beispielsweise Massnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sowie Aufklärungsarbeit über die Konsequenzen einer ungleichen Aufteilung von Erwerbs- und Betreuungsarbeit während der Ehe, sowie die möglichen Folgen von Trennungen.
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