Unveränderte Frauenvertretung im Kanton Thurgau

Zwei neue Regie­rungs­rä­tin­nen wur­den in die Thur­gau­er Regie­rung gewählt, sie erset­zen zwei zurück­ge­tre­te­ne Regie­rungs­rä­tin­nen. Im Par­la­ment nimmt künf­tig eine Frau weni­ger Platz als vor vier Jah­ren. Dies das Ergeb­nis der kan­to­na­len Wah­len des Kan­tons Thur­gaus vom letz­ten Sonn­tag mit Blick auf die Ver­tre­tung der Frauen. 

Zwi­schen 2015 und 2022 stell­ten die Regie­rungs­rä­tin­nen im Kan­ton Thur­gau die Mehr­heit im Regie­rungs­rat. Damit bil­de­te der Kan­ton schweiz­weit eine Aus­nah­me. Mitt­ler­wei­le wer­den auch ande­re Kan­to­ne von einer Frau­en­mehr­heit regiert. Im Kan­ton Thur­gau machen die Regie­rungs­rä­tin­nen für die kom­men­de Legis­la­tur­pe­ri­ode vier­zig Pro­zent aus.

Nicht ganz so hoch ist der Frau­en­an­teil im kan­to­na­len Par­la­ment. Abbil­dung 1 zeigt die Ent­wick­lung des Anteils der in den Gros­sen Rat gewähl­ten Poli­ti­ke­rin­nen. Auf­fal­lend ist, dass bereits vor zwan­zig Jah­ren ein­mal vier­zig Kan­di­da­tin­nen gewählt wur­den. Vor­her ver­lief die Ent­wick­lung in eher gemäch­li­chem Tempo.

Als 1972 erst­mals Frau­en für den Gros­sen Rat des Kan­tons Thur­gau kan­di­die­ren konn­ten, tra­ten 136 Kan­di­da­tin­nen an – gewählt wur­de damals aber nur eine ein­zi­ge Gross­rä­tin. Doch bereits zwei Wahl­gän­ge spä­ter, ab 1980, lag der Frau­en­an­teil in der Legis­la­ti­ve des Kan­tons Thur­gau über dem Ost­schwei­zer Mit­tel, ab den Nuller­jah­ren auch über dem Schwei­zer Mit­tel. Mitt­ler­wei­le liegt der Frau­en­an­teil des Kan­tons Thur­gau wie­der etwas unter dem Schwei­zer Durch­schnitt. Bis­her am meis­ten Kan­di­da­tin­nen (41 an der Zahl) schaff­ten die Wahl vor vier Jah­ren, als die grü­ne und lila Wel­le den Frau­en­an­teil in zahl­rei­chen Par­la­men­ten der Schweiz deut­lich anstei­gen liess.

Für die kom­men­de Legis­la­tur­pe­ri­ode wur­den von 631 Kan­di­da­ten und 383 Kan­di­da­tin­nen 90 Män­ner resp. 40 Frau­en gewählt. Der Frau­en­an­teil betrug bei den Kan­di­da­tu­ren 37.8 Pro­zent und stieg im Ver­gleich zu den Gross­rats­wah­len 2020 leicht an (2020: 36.7 Pro­zent). Der Anteil der 2024 gewähl­ten Thur­gau­er Gross­rä­tin­nen ist mit 30.7 hin­ge­gen minim tie­fer als vor vier Jah­ren (31.5 Pro­zent). Dies kann auf die Wahl­ge­win­ne der SP und der Mit­te zurück­ge­führt wer­den, die bei­de über einen (deut­lich) höhe­ren Frau­en­an­teil auf­wei­sen als die Par­tei­en, die Sit­ze ver­lo­ren haben.

Abbildung 1. Anzahl der gewählten Männer und Frauen im Grossen Rat pro Wahljahr

Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Datenquelle: Dienstelle für Statistik Kanton Thurgau

Der Frau­en­an­teil ist aber nicht über alle Par­tei­en aus­ge­gli­chen. Als Faust­re­gel für die gan­ze Schweiz gilt, dass seit unge­fähr den 1990er-Jah­ren der Frau­en­an­teil bei den Par­tei­en, die im poli­ti­schen Spek­trum auf der lin­ken Sei­te ange­sie­delt sind, mar­kant höher liegt als bei den ande­ren Par­tei­en — und dass der Frau­en­an­teil umso tie­fer liegt, je wei­ter rechts eine Par­tei steht. So auch im Thur­gau (vgl. Abb. 2).

Bei der SP kan­di­dier­ten sowohl 2020 wie 2024 sogar mehr Frau­en als Män­ner, bei den Grü­nen machen die Kan­di­da­tin­nen über 40 Pro­zent aus. Auch die EVP weist einen über­durch­schnitt­lich hohen Frau­en­an­teil aus. Auf der ande­ren Sei­te sind auch im Kan­ton Thur­gau bei der SVP und der FDP die Frau­en am schlech­tes­ten ver­tre­ten — aller­dings liegt der Frau­en­an­teil der Thur­gau­er SVP deut­lich über dem Schwei­zer Durchschnitt.

Abbildung 2. Frauenanteil der Kandidierenden pro Partei und Jahr

Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Datenquelle: Dienstelle für Statistik Kanton Thurgau, eigene Codierung. Zwei Wahlgänge unvollständig.

Den Par­tei­en kommt durch die Gestal­tung der Wahl­lis­ten bezüg­lich der Reprä­sen­ta­ti­on der Frau­en in der Poli­tik eine wich­ti­ge Rol­le zu. Wür­den alle Par­tei­en unge­fähr gleich vie­le Kan­di­da­tin­nen wie Kan­di­da­ten nomi­nie­ren, so wür­de dies zu einem höhe­ren Frau­en­an­teil unter den Gewähl­ten füh­ren. In Abbil­dung 3 ist der Frau­en­an­teil der Gewähl­ten pro Par­tei und Wahl­jahr für den Kan­ton Thur­gau dargestellt.

Dabei zeigt sich, dass die Par­tei­en, die auch vie­le Kan­di­da­tin­nen auf­stel­len, mit mehr gewähl­ten Par­la­men­ta­rie­rin­nen aus den Wah­len her­vor­ge­hen. Umge­kehrt gilt auch, dass ein Teil der Unter­ver­tre­tung der Frau­en in der Poli­tik durch deren Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit bzw. die unter­schied­li­che Stär­ke der Par­tei­en in den jewei­li­gen Wahl­krei­sen erklärt wer­den kann.

Abbildung 3. Frauenanteil bei den Grossratwahlen pro Partei und Jahr

Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Datenquelle: Dienstelle für Statistik Kanton Thurgau

Aus Abbil­dung 3 geht auch her­vor, dass der seit zwan­zig Jah­ren ver­gleichs­wei­se hohe Frau­en­an­teil im Gros­sen Rat des Kan­tons Thur­gau wesent­lich auf den Erfolg von weib­li­chen Kan­di­da­tu­ren der lin­ken Par­tei­en zurück­ge­führt wer­den kann. In den bür­ger­li­chen Par­tei­en liegt der Frau­en­an­teil bei den Gewähl­ten im Durch­schnitt tie­fer. Mög­li­cher­wei­se hat die ver­gleichs­wei­se hohe Prä­senz von Poli­ti­ke­rin­nen (lin­ker Par­tei­en) im Par­la­ment aber indi­rekt doch ein biss­chen auf ande­re Par­tei­en abge­färbt und zur Nomi­na­ti­on von Frau­en für Exe­ku­tiv­äm­ter beigetragen.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag ist eine aktua­li­sier­te und stark gekürz­te Ver­si­on des Kapi­tels: Büti­ko­fer, Sarah (2023). “Thur­gau­er Poli­ti­ke­rin­nen — prä­sent in allen Par­tei­en und Gre­mi­en”, in: Kolb Beck Natha­lie (Hg.): Frau­en stim­men – Frau­en­stim­men. 50 Jah­re poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on im Thur­gau 1971–2021. 161 Thur­gau­er Bei­trä­ge zur Geschich­te. Frau­en­feld: His­to­ri­scher Ver­ein des Kan­tons Thurgau.

Bild: Regie­rung Kan­ton Thur­gau (tg.ch)

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