Der Klimawandel ist in den letzten Jahren in vielen Ländern, darunter auch in der Schweiz, zu einer Priorität auf der politischen Agenda geworden. Während es einen Konsens darüber zu geben scheint, dass zusätzliche Massnahmen in diesem Bereich verabschiedet und umgesetzt werden müssen, bleibt die Frage offen, wie die bestehenden und künftig zu treffenden Massnahmen rechtlich durchgesetzt werden können.
Untätigkeit gegenüber dem Klimawandel: ein verfahrensrechtliches Problem?
Zwei jüngere Urteile des Bundesgerichts sind in dieser Hinsicht nur teilweise aufschlussreich: Zum einen hielt sich das Bundesgericht nicht für zuständig, selbst konkrete Klimaschutzmassnahmen anzuordnen (Urteil KlimaSeniorinnen, BGE1 146 I 145), zum anderen verneinte es einen Klimanotstand, der die Begehung von Straftaten rechtfertigen würde (BGE 147 IV 297). Bei dieser Ausgangslage ist eine Diskussion über die verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen und über mögliche Lösungen erforderlich. Ein Ansatzpunkt zur Verbesserung des Rechtsschutzes ist die Ausweitung des Verbandsbeschwerderechts auf den Bereich des Klimarechts.
Ein Verbandsbeschwerderecht im Klimarecht
Ausgangspunkt dieses Beitrags ist das Schweizer Umweltrecht. Es handelt sich dabei um einen zersplitterten Rechtsbereich, der in mehreren Verfassungsartikeln sowie zahlreichen Gesetzen und Verordnungen auf Bundes- und Kantonsebene geregelt ist. Die Problematik der Durchsetzung von Umweltschutzmassnahmen ist seit langem bekannt: Da die Natur sich nicht selbst verteidigen kann, ist sie auf natürliche oder juristische Personen angewiesen, die an ihrer Stelle die korrekte Vollziehung der einschlägigen Vorschriften gewährleisten. Während natürliche Personen nur begrenzte Möglichkeiten haben, vor Gericht zu gehen – nur wenn sie direkt und persönlich betroffen sind –, räumt die Bundesgesetzgebung Naturschutzverbänden seit einigen Jahrzehnten ein Beschwerderecht ein. Mehrere Studien haben gezeigt, dass dieses Beschwerderecht ein wichtiges und unverzichtbares Instrument für die Durchsetzung des Umweltrechts darstellt.2
Im Gegensatz dazu ist das Schweizer Klimarecht ein viel jüngeres Rechtsgebiet, das über keine explizite Verankerung in der Bundesverfassung verfügt, sondern sich vor allem auf das CO2-Gesetz (SR3 641.71) stützt. Trotz der Tatsache, dass die Beschwerdemöglichkeiten für natürliche Personen im Klimabereich noch eingeschränkter sind – insbesondere wegen des Fehlens lokalisierbarer Auswirkungen des Klimawandels – existiert im Schweizer Klimarecht kein Verbandsbeschwerderecht. Wir schlagen daher vor, ein solches Recht einzuführen. Die Beschwerde könnte insbesondere gegen Entscheide betreffend das Emissionshandelssystem oder betreffend die Verminderungsverpflichtung i.S. CO2-Abgabe offenstehen.4 Bei der konkreten Ausgestaltung des Beschwerderechts (Frist, Beschwerdebefugnis, etc.) kann an das Instrument der ideellen Verbandsbeschwerde im klassischen Umweltrecht angeknüpft werden. Eine weniger ambitionierte, aber dennoch den Status quo verbessernde Massnahme wäre allenfalls die Einbeziehung des Klimaaspekts in die im Umweltrecht vorgesehene Umweltverträglichkeitsprüfung.
Das Verbandsbeschwerderecht: ein unverzichtbares Instrument zur Bewältigung des Klimawandels
Wie die Natur ist auch das Klima “stumm” – so die vom Bundesgericht in BGE 144 II 218 verwendete Metapher – und kann daher seine Interessen nicht selbst gerichtlich durchsetzen. Die Einführung des Beschwerderechts für Klimaschutzverbände soll eine bessere Kontrolle der Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen gewährleisten. Angesichts der von Klimaforscher:innen prognostizierten negativen Folgen des Klimawandels scheint uns dieses Recht ein unverzichtbares Instrument zu sein.
1 Urteil des Bundesgerichts, verfügbar auf der Webseite des Bundesgerichts (www.bger.ch).
2 Vgl. bes. Tanquerel/Flückiger/Byland/Bolkensteyn, Statistik betr. Verbandsbeschwerderecht vor Bundesgericht, 2008, veröffentlicht auf der Seite des Bundesamts für Umwelt.
3 Systematische Sammlung des Bundesrechts.
4 Für eine Liste von Entscheidungen, die Gegenstand einer Beschwerde sein können, siehe S. 497 f. des zusammengefassten Artikels.
Bemerkung: Dieser Artikel wurde im Rahmen des IDHEAP Policy Brief No. 3 veröffentlicht.
Referenz:
Kneubühler, L., Hänni, D. (2021). Umweltschutz, Klimaschutz, Rechtsschutz. Ein Plädoyer für eine Verbandsbeschwerde im schweizerischen Klimarecht, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht 9, p. 479-502.
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