Gefährdet die Transparenz die Finanzierung der Parteien?

Bei den Wah­len 2023 gel­ten neue Trans­pa­renz­re­geln. Par­tei­spen­den ab 15 000 Fran­ken müs­sen offen­ge­legt wer­den. Soll­te dar­un­ter die Spen­dier­freu­dig­keit lei­den, wäre das demo­kra­tie­po­li­tisch bedenklich. 

Bei uns sind sie Habe­nicht­se, in Öster­reich Krö­sus­se. Bei unse­rem öst­li­chen Nach­barn erhal­ten die Par­tei­en finan­zi­el­le Mit­tel von rund 280 Mio. Fran­ken pro Jahr, davon 80 Pro­zent vom Staat1. In der Schweiz betrug das kumu­lier­te Bud­get aller natio­na­len Par­tei­en im Wahl­jahr 2019 knap­pe 22 Mio. Fran­ken (Abbil­dung 1), wenn man den zweck­ge­bun­de­nen staat­li­chen Frak­ti­ons­bei­trag von rund 7.5 Mio. Fran­ken berück­sich­tigt. Wei­te­re knapp 8 Mil­lio­nen CHF stam­men von Pri­vat­per­so­nen und rund 4 bis 5 Mil­lio­nen CHF von Unter­neh­men. Wei­te­re Spen­der wie etwa NGO und Wirt­schafts­ver­bän­de haben an der Finan­zie­rung der Par­tei­en einen gerin­gen Anteil. Durch­schnitt­lich jeweils knapp die Hälf­te des Betrags inves­tier­ten die Par­tei­en in ihre eige­nen Wahl­kam­pa­gnen sowie in die Auf­recht­erhal­tung ihrer Struk­tur und ihre poli­ti­sche Grund­la­gen­ar­beit (Gene­ral­se­kre­ta­ri­at, Mit­glie­der­ad­mi­nis­tra­ti­on, Ver­an­stal­tun­gen, Logis­tik, etc.). Weni­ger als 2 Mil­lio­nen CHF gewähr­ten die natio­na­len Par­tei­en an Kam­pa­gnen ein­zel­ner Kandidat/innen.

Abbildung 1: Finanzierung und Ausgaben der nationalen Parteien, 2019

Quel­le: Buom­ber­ger und Piaz­za (2022: 72).

* Inkl. Rund 1 Mil­lio­nen CHF von Kan­to­nal­par­tei­en; nicht dar­ge­stellt: max. 1 Mil­lio­nen CHF an Abstimmungskampagnen

Im Wahl­jahr 2023 müs­sen die Schwei­zer Par­tei­en zum ers­ten Mal ihre Finan­zen offen­le­gen. Was bedeu­ten die neu­en Trans­pa­renz­re­geln für die Schwei­zer Par­tei­en, die im inter­na­tio­na­len Ver­gleich arm wie Kir­chen­mäu­se sind und kaum auf staat­li­che Unter­stüt­zung zäh­len kön­nen? Stär­ken sie die Demo­kra­tie oder gefähr­den die neu­en Spiel­re­geln die ohne­hin schon schwa­che Mit­tel­aus­stat­tung der Par­tei­en und damit auch die Qua­li­tät des Parteienwettbewerbs?

Als indi­rek­ten Gegen­vor­schlag zur Volks­in­itia­ti­ve «Für mehr Trans­pa­renz in der Poli­tik­fi­nan­zie­rung (Trans­pa­renz-Initia­ti­ve)» ver­ab­schie­de­te das Par­la­ment im Juni 2021 neue Vor­schrif­ten über die Offen­le­gung der Finan­zie­rung von poli­ti­schen Par­tei­en. Anschlies­send hat der Bun­des­rat Ende Okto­ber 2022 die Ver­ord­nung über die Trans­pa­renz bei der Poli­tik­fi­nan­zie­rung mit Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen in Kraft gesetzt. Im Zen­trum steht für die Par­tei­en die neue Regel, dass sie bei Spen­den im Wert von mehr als 15’000 Fran­ken ihre Urhe­ber­schaft offen­le­gen müs­sen. Die Autoren sind im Auf­trag des (poli­tisch neu­tra­len) Club Poli­tique de Ber­ne den oben gestell­ten Fra­gen nach­ge­gan­gen und haben anhand von Inter­views mit Ent­schei­dungs­trä­gern aus Poli­tik und Wirt­schaft sowie der Aus­wer­tung wei­te­rer Mate­ria­li­en unter­sucht, wie sich die neu­en Regeln auf die Finan­zie­rung von Par­tei­en und Wahl­kam­pa­gnen kurz- und län­ger­fris­tig aus­wir­ken könn­ten. Die Stu­die kommt zu den fol­gen­den Erkenntnissen:

  • Spen­den von mehr als 15’000 Fran­ken leis­ten einen rele­van­ten Bei­trag an die Poli­tik­fi­nan­zie­rung: Spen­den von gros­sen Unter­neh­men machen ins­be­son­de­re im bür­ger­li­chen Lager einen nicht zu ver­nach­läs­si­gen­den Anteil an den Finan­zen aus. Spen­den von Ein­zel­per­so­nen von mehr 15’000 Fran­ken sind gemäss den befrag­ten Ent­schei­dungs­trä­gern hin­ge­gen sel­ten. Bei Kam­pa­gnen von Kan­di­die­ren­den kom­men solch hohe Spen­den­be­trä­ge vor allem in gros­sen Kan­to­nen bei Stän­de­rats­wah­len und da ins­be­son­de­re in zwei­ten Wahl­gän­gen vor. Gespen­det wird nicht nur zur Unter­stüt­zung von Par­tei­en oder Poli­ti­kern mit ähn­li­chen Anlie­gen. Vor allem gros­se Unter­neh­men begrün­den ihre Spen­den an meh­re­re Par­tei­en als Bei­trag an deren wich­ti­ge Arbeit für das Milizsystem.
  • Ein Rück­gang an Spen­den von über 15’000 Fran­ken wird erwar­tet: Die befrag­ten Akteu­re erwar­ten einen nicht bezif­fer­ba­ren Rück­gang an Spen­den ober­halb der Trans­pa­renz­schwel­le. Die Par­tei­en sind bezüg­lich des Umfangs gelas­sen, da von den gros­sen, bereits bekann­ten Unter­neh­mens­spen­den eher kein Rück­zug zu erwar­ten ist. Fol­gen­de Grün­de für den Rück­zug von grös­se­ren Spen­den wer­den genannt: Image­ri­si­ko, Ver­grau­len von Kund­schaft, Erklä­rungs­not gegen­über Akteu­ren, die man nicht unter­stützt sowie Ver­un­si­che­rung auf­grund der Kom­ple­xi­tät der Rege­lung und Rechts­un­si­cher­heit. Die Befrag­ten erwar­ten kurz­fris­tig kei­ne spen­den­för­der­li­che Ände­rung des öffent­li­chen Dis­kur­ses, indem z.B. Spen­den zur Stär­kung der Par­tei­en als Ehren­sa­che zur Image­pfle­ge reiz­vol­ler werden.
  • Umge­hungs­ver­su­che sind ein rea­lis­ti­sches Sze­na­rio: Die Befrag­ten haben noch kei­ne kon­kre­ten Hin­wei­se, gehen aber ten­den­zi­ell davon aus, dass Umge­hun­gen der Trans­pa­renz­re­gel mög­lich sind und auch ver­sucht wer­den. Neben der Stü­cke­lung von Spen­den ist je nach Umset­zung der Vor­schrif­ten auch die Schaf­fung von par­tei­na­hen Gön­ner­ver­ei­ni­gun­gen eine lega­le Umge­hungs­mög­lich­keit. Hier war­ten die Akteu­re noch auf den Ent­scheid der Aufsichtsbehörde.
  • Die Finan­zie­rung der natio­na­len Par­tei­en bleibt her­aus­for­dernd: Die Trans­pa­renz­re­ge­lung sorgt damit zumin­dest kurz­fris­tig eher für einen Rück­gang finan­zi­el­ler Res­sour­cen und belas­tet sie admi­nis­tra­tiv zusätz­lich, was demo­kra­tie­po­li­tisch bedenk­lich ist. Die Par­tei­en sind Schlüs­sel­ak­teu­re für eine qua­li­ta­tiv hoch­ste­hen­de und demo­kra­tisch abge­stütz­te Aus­ein­an­der­set­zung und benö­ti­gen im Kon­text zuneh­men­der Pro­fes­sio­na­li­sie­rung und Pola­ri­sie­rung dafür fort­lau­fend mehr Mit­tel. Gleich­zei­tig sind sie chro­nisch unter­do­tiert. Oder wie es der Gene­ral­se­kre­tär einer Par­tei auf den Punkt brach­te: «Res­sour­cen­tech­nisch sind wir Par­tei­en eine Sei­fen­kis­te im Auto­rennen». Sol­len pri­va­te Spen­den als wich­tigs­te Quel­le an Bedeu­tung gewin­nen, muss des­halb der Glaub­wür­dig­keits­ge­winn durch die Trans­pa­renz als Argu­ment genutzt wer­den. Mit ande­ren Wor­ten: Trans­pa­renz muss von den Spen­dern aktiv gelebt wer­den und als wich­ti­ger Bei­trag an die Qua­li­tät der demo­kra­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung ver­stan­den wer­den. Das bedingt, dass sich ins­be­son­de­re die gros­sen Unter­neh­men und Ver­bän­de ihrer gesell­schafts­po­li­ti­schen Ver­ant­wor­tung bewusst sind. Gelingt das nicht in nütz­li­cher Frist, bleibt als Alter­na­ti­ve nur der Aus­bau der staat­li­chen Parteienfinanzierung.

1 «224 Mil­lio­nen von Bund und Län­dern an die Par­tei­en» in: Der Stan­dard vom 11. April 2022, S. 8.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag ist die schrift­li­che Kurz­fas­sung des fol­gen­den Berichts:

  • Bol­li­ger, Chris­ti­an und Gan­ze­boom, Mad­lei­na (2023). Stärkt oder gefähr­det die Trans­pa­renz die pri­va­te Finan­zie­rung der Par­tei­en? For­schungs­pro­jekt «Ver­hält­nis von Poli­tik und Wirt­schaft» im Auf­trag des Club Poli­tique de Ber­ne, Teil­be­richt 3. Bern: Büro Vat­ter. http://www.buerovatter.ch/pdf/2023-Wirtschaft_Politik_3_Politikfinanzierung.pdf

Ein ähn­li­cher Arti­kel wie der Vor­lie­gen­de erschien am 9. März 2023 in der Neu­en Zür­cher Zeitung.

Lite­ra­tur:

  • Buom­ber­ger, Peter und Piaz­za, Dani­el (2022). Wer finan­ziert die Schwei­zer Poli­tik? Auf dem Weg zu mehr Trans­pa­renz und Demo­kra­tie. Zürich: NZZ Libro.

Bild: flickr.com

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