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Gefährdet die Transparenz die Finanzierung der Parteien?

Christian Bolliger, Madleina Ganzeboom, Adrian Vatter
24th März 2023

Bei den Wahlen 2023 gelten neue Transparenzregeln. Parteispenden ab 15 000 Franken müssen offengelegt werden. Sollte darunter die Spendierfreudigkeit leiden, wäre das demokratiepolitisch bedenklich. 

Bei uns sind sie Habenichtse, in Österreich Krösusse. Bei unserem östlichen Nachbarn erhalten die Parteien finanzielle Mittel von rund 280 Mio. Franken pro Jahr, davon 80 Prozent vom Staat1. In der Schweiz betrug das kumulierte Budget aller nationalen Parteien im Wahljahr 2019 knappe 22 Mio. Franken (Abbildung 1), wenn man den zweckgebundenen staatlichen Fraktionsbeitrag von rund 7.5 Mio. Franken berücksichtigt. Weitere knapp 8 Millionen CHF stammen von Privatpersonen und rund 4 bis 5 Millionen CHF von Unternehmen. Weitere Spender wie etwa NGO und Wirtschaftsverbände haben an der Finanzierung der Parteien einen geringen Anteil. Durchschnittlich jeweils knapp die Hälfte des Betrags investierten die Parteien in ihre eigenen Wahlkampagnen sowie in die Aufrechterhaltung ihrer Struktur und ihre politische Grundlagenarbeit (Generalsekretariat, Mitgliederadministration, Veranstaltungen, Logistik, etc.). Weniger als 2 Millionen CHF gewährten die nationalen Parteien an Kampagnen einzelner Kandidat/innen.

Abbildung 1: Finanzierung und Ausgaben der nationalen Parteien, 2019

Quelle: Buomberger und Piazza (2022: 72).

* Inkl. Rund 1 Millionen CHF von Kantonalparteien; nicht dargestellt: max. 1 Millionen CHF an Abstimmungskampagnen

Im Wahljahr 2023 müssen die Schweizer Parteien zum ersten Mal ihre Finanzen offenlegen. Was bedeuten die neuen Transparenzregeln für die Schweizer Parteien, die im internationalen Vergleich arm wie Kirchenmäuse sind und kaum auf staatliche Unterstützung zählen können? Stärken sie die Demokratie oder gefährden die neuen Spielregeln die ohnehin schon schwache Mittelausstattung der Parteien und damit auch die Qualität des Parteienwettbewerbs?

Als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» verabschiedete das Parlament im Juni 2021 neue Vorschriften über die Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien. Anschliessend hat der Bundesrat Ende Oktober 2022 die Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung mit Ausführungsbestimmungen in Kraft gesetzt. Im Zentrum steht für die Parteien die neue Regel, dass sie bei Spenden im Wert von mehr als 15'000 Franken ihre Urheberschaft offenlegen müssen. Die Autoren sind im Auftrag des (politisch neutralen) Club Politique de Berne den oben gestellten Fragen nachgegangen und haben anhand von Interviews mit Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft sowie der Auswertung weiterer Materialien untersucht, wie sich die neuen Regeln auf die Finanzierung von Parteien und Wahlkampagnen kurz- und längerfristig auswirken könnten. Die Studie kommt zu den folgenden Erkenntnissen:

  • Spenden von mehr als 15'000 Franken leisten einen relevanten Beitrag an die Politikfinanzierung: Spenden von grossen Unternehmen machen insbesondere im bürgerlichen Lager einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an den Finanzen aus. Spenden von Einzelpersonen von mehr 15’000 Franken sind gemäss den befragten Entscheidungsträgern hingegen selten. Bei Kampagnen von Kandidierenden kommen solch hohe Spendenbeträge vor allem in grossen Kantonen bei Ständeratswahlen und da insbesondere in zweiten Wahlgängen vor. Gespendet wird nicht nur zur Unterstützung von Parteien oder Politikern mit ähnlichen Anliegen. Vor allem grosse Unternehmen begründen ihre Spenden an mehrere Parteien als Beitrag an deren wichtige Arbeit für das Milizsystem.
  • Ein Rückgang an Spenden von über 15'000 Franken wird erwartet: Die befragten Akteure erwarten einen nicht bezifferbaren Rückgang an Spenden oberhalb der Transparenzschwelle. Die Parteien sind bezüglich des Umfangs gelassen, da von den grossen, bereits bekannten Unternehmensspenden eher kein Rückzug zu erwarten ist. Folgende Gründe für den Rückzug von grösseren Spenden werden genannt: Imagerisiko, Vergraulen von Kundschaft, Erklärungsnot gegenüber Akteuren, die man nicht unterstützt sowie Verunsicherung aufgrund der Komplexität der Regelung und Rechtsunsicherheit. Die Befragten erwarten kurzfristig keine spendenförderliche Änderung des öffentlichen Diskurses, indem z.B. Spenden zur Stärkung der Parteien als Ehrensache zur Imagepflege reizvoller werden.
  • Umgehungsversuche sind ein realistisches Szenario: Die Befragten haben noch keine konkreten Hinweise, gehen aber tendenziell davon aus, dass Umgehungen der Transparenzregel möglich sind und auch versucht werden. Neben der Stückelung von Spenden ist je nach Umsetzung der Vorschriften auch die Schaffung von parteinahen Gönnervereinigungen eine legale Umgehungsmöglichkeit. Hier warten die Akteure noch auf den Entscheid der Aufsichtsbehörde.
  • Die Finanzierung der nationalen Parteien bleibt herausfordernd: Die Transparenzregelung sorgt damit zumindest kurzfristig eher für einen Rückgang finanzieller Ressourcen und belastet sie administrativ zusätzlich, was demokratiepolitisch bedenklich ist. Die Parteien sind Schlüsselakteure für eine qualitativ hochstehende und demokratisch abgestützte Auseinandersetzung und benötigen im Kontext zunehmender Professionalisierung und Polarisierung dafür fortlaufend mehr Mittel. Gleichzeitig sind sie chronisch unterdotiert. Oder wie es der Generalsekretär einer Partei auf den Punkt brachte: «Ressourcentechnisch sind wir Parteien eine Seifenkiste im Autorennen». Sollen private Spenden als wichtigste Quelle an Bedeutung gewinnen, muss deshalb der Glaubwürdigkeitsgewinn durch die Transparenz als Argument genutzt werden. Mit anderen Worten: Transparenz muss von den Spendern aktiv gelebt werden und als wichtiger Beitrag an die Qualität der demokratischen Auseinandersetzung verstanden werden. Das bedingt, dass sich insbesondere die grossen Unternehmen und Verbände ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst sind. Gelingt das nicht in nützlicher Frist, bleibt als Alternative nur der Ausbau der staatlichen Parteienfinanzierung.

1 «224 Millionen von Bund und Ländern an die Parteien» in: Der Standard vom 11. April 2022, S. 8.


Hinweis: Dieser Beitrag ist die schriftliche Kurzfassung des folgenden Berichts:

Ein ähnlicher Artikel wie der Vorliegende erschien am 9. März 2023 in der Neuen Zürcher Zeitung.

Literatur:

  • Buomberger, Peter und Piazza, Daniel (2022). Wer finanziert die Schweizer Politik? Auf dem Weg zu mehr Transparenz und Demokratie. Zürich: NZZ Libro.

Bild: flickr.com