Warum Kleinstparteien bei Wahlen irrational sind

Auf Basis von Wahl­teil­nah­me, Wahl­kampf­aus­ga­ben und Wahl­pro­gram­men wur­de das Ver­hal­ten von Kleinst­par­tei­en bei Wah­len auf unter­schied­li­chen Ebe­nen unter­sucht. Das Resul­tat: Kleinst­par­tei­en agie­ren irra­tio­nal, indem sie Euro­pa­wah­len nicht kon­se­quent als die für sie über­le­bens­wich­ti­ge­ren Wah­len einstufen.

Gros­se, par­la­men­ta­ri­sche Par­tei­en sind der Wahl­be­völ­ke­rung in der Regel bekannt. Ihre Posi­ti­on, ihr Ver­hal­ten und ihre Mit­glied­schaft sind zudem über­grei­fend und in den ein­zel­nen Län­dern in der Regel gut erforscht. Dar­über hin­aus gibt es jedoch wei­te­re Akteu­re bei Wah­len: Kleinst­par­tei­en. Die­se sind ein Phä­no­men, das in allen demo­kra­ti­schen Sys­te­men auf­taucht, jedoch auf­grund ihrer gerin­gen poli­ti­schen Rele­vanz wenig erforscht wird. Eini­ge Ver­tre­ter die­ser Grup­pe sind hier­bei bekann­ter, wie die Pira­ten­par­tei oder auch Volt, ande­re wei­sen eine deut­lich gerin­ge­re Bekannt­heit auf, wie Mensch­li­che Welt oder die Bayernpartei.

Wahlen zu nationalen Parlamenten sind bedeutender als Europawahlen

Grund­sätz­lich wird bei Par­tei­en davon aus­ge­gan­gen, dass die­se ratio­nal agie­ren. Sie nut­zen ihre Res­sour­cen wie bei­spiels­wei­se ihre finan­zi­el­len Mit­tel so, dass die­se ihnen den grösst­mög­li­chen Nut­zen brin­gen. Dies zeigt sich bei­spiels­wei­se bei Ver­glei­chen von Wah­len der natio­na­len Par­la­men­te und den als Neben­wah­len ein­ge­stuf­ten Euro­pa­wah­len. Hier­bei zeigt sich durch­ge­hend, dass für die Euro­pa­wah­len weni­ger Res­sour­cen auf­ge­wen­det werden.

Der klei­ne­re Res­sour­cen­auf­wand liegt mit­un­ter auch dar­an, dass die Medi­en­be­richt­erstat­tung für Euro­pa­wah­len deut­lich gerin­ger aus­fällt als für die Wah­len der natio­na­len Par­la­men­te. Dies führt dazu, dass die Par­tei­en bei­spiels­wei­se weni­ger pro­fi­lier­te Kan­di­die­ren­de in das Ren­nen um die Euro­pa­wah­len schi­cken, da die­se weni­ger Beach­tung fin­den. Im glei­chen Zuge sind die Wahl­kam­pa­gnen der Par­tei­en auch deut­lich weni­ger pro­fes­sio­na­li­siert, als dies bei Wah­len der natio­na­len Par­la­men­te der Fall ist.

Wo jedoch ein Akteur weni­ger inves­tiert, bie­tet sich eine Lücke für ande­re Akteu­re. Kleinst­par­tei­en sind grund­sätz­lich bei Wah­len im Nach­teil: Sie sind weni­ger bekannt und wer­den unter ande­rem aus Angst vor einer ver­schenk­ten Stim­me weni­ger gewählt, da sie dro­hen, an den Wahl­hür­den zu schei­tern. Bei Euro­pa­wah­len haben sie durch die­se Lücke, in Ver­bin­dung mit der Ten­denz der Wäh­ler­schaft bei Neben­wah­len auch eher zum Pro­test­wäh­len zu grei­fen, jedoch bes­se­re Chan­cen. Dies ist nicht nur Theo­rie, Man­dats­ge­win­ne für die Pira­ten­par­tei, Volt, ÖDP oder auch Die PARTEI sind bei Euro­pa­wah­len bis­her schon zu ver­zeich­nen gewesen.

Dabei ist jedoch frag­lich, ob die Kleinst­par­tei­en auch gut genug über ihre Situa­ti­on und ihre Chan­cen infor­miert sind, als dass sie sich den Gege­ben­hei­ten auch stra­te­gisch so anpas­sen, dass sie ihren Fokus auf die Wah­len legen, die ihnen mehr ein­brin­gen kön­nen. Bei den Kleinst­par­tei­en ver­sam­melt sich natur­ge­mäss zumeist nur begrenz­tes poli­ti­sches Know-how, wenn­gleich eini­ge die­ser Kleinst­par­tei­en auf Kom­mu­nal­ebe­ne die­ses zumin­dest in Ansät­zen erwer­ben konnten.

Ressourcen bei Wahlen

Die Stu­die ging hier­bei der Fra­ge nach, inwie­weit die Par­tei­en ihre Res­sour­cen effi­zi­ent nut­zen. Drei Aspek­te der effi­zi­en­ten Nut­zung der eige­nen Res­sour­cen wur­den hier­bei unter­sucht: Das Antre­ten bei Wah­len, die Aus­ga­ben für Wahl­kampf­mit­tel und die Aus­führ­lich­keit des Wahlprogrammes.

Grund­sätz­lich war davon aus­zu­ge­hen, dass Kleinst­par­tei­en in allen drei Berei­chen mehr für Euro­pa­wah­len auf­wen­den. Doch dies zeig­te sich nicht. So tre­ten weni­ger Kleinst­par­tei­en bei Euro­pa­wah­len an. Wenn­gleich die­je­ni­gen, die antra­ten, ins­ge­samt mehr für Wahl­kämp­fe aus­ga­ben, galt dies auch nicht für alle. Zudem zeig­te sich, dass die Kleinst­par­tei­en auch eher kür­ze­re Pro­gram­me verfassten.

Kleinstparteien nutzen ihre Ressourcen nicht sinnvoll

Dabei ist kaum ver­ständ­lich, wes­halb Kleinst­par­tei­en weni­ger bei Euro­pa­wah­len antre­ten, da gera­de das Antre­ten für das Über­le­ben und even­tu­el­le Ver­grös­se­rung der Par­tei dien­lich sein könn­te. Bei­spiels­wei­se kann hier­durch auf­grund der bes­se­ren Aus­gangs­la­ge ein Man­dat gewon­nen wer­den oder zumin­dest die Hür­de für die Par­tei­en­fi­nan­zie­rung geris­sen wer­den. Hier könn­te höchs­tens argu­men­tiert wer­den, dass die Kleinst­par­tei­en, die nicht antre­ten, eher ideo­lo­gi­sche Moti­va­tio­nen als antrei­ben­de Kraft haben. Den­noch müs­sen auch sol­che Par­tei­en, die Poli­ti­ken umset­zen wol­len, eine gewis­se Stär­ke errei­chen, wel­che sie ohne aus­sichts­rei­che Wahl­teil­nah­men nicht errei­chen kön­nen. Auf der ande­ren Sei­te haben die Par­tei­en, die jedoch antra­ten, schein­bar genü­gend Infor­ma­tio­nen, um Euro­pa­wah­len zumin­dest in einem gewis­sen Rah­men als wich­ti­ger anzu­se­hen, als es bei den gros­sen Par­tei­en der Fall ist. Ande­rer­seits auch nur in begrenz­tem Umfang, da sie Euro­pa­wah­len nicht gänz­lich als die wich­ti­ge­ren Wah­len anse­hen und dem­entspre­chend nicht kon­se­quent in allen Berei­chen mehr Res­sour­cen für die­se aufwenden.

Die Stu­die zeigt damit mit­un­ter einen Grund auf, war­um die Kleinst­par­tei­en in der Regel auch in die­sem Zustand als Kleinst­par­tei ver­har­ren: Sie agie­ren zum Teil irra­tio­nal. So nut­zen sie ihre Res­sour­cen nicht effi­zi­ent und set­zen die­se eher für Wah­len ein, bei wel­chen sie gerin­ge Chan­cen haben.


Refe­renz:

  • Bar­tels, J.-E. (2023). Are Euro­pean Elec­tions Second-Order Elec­tions for Ever­yo­ne? Swiss Poli­ti­cal Sci­ence Review, zunächst online erschie­nen. https://doi.org/10.1111/spsr.12559

Bild: unsplash.com

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