Die Verwendung leichter Sprache in der öffentlichen Verwaltung

In der Schweiz haben etwa 16 % der erwachsenen Bevölkerung Schwierigkeiten, geschriebene Texte zu verstehen (BFS, 2006). Dazu gehören Menschen mit einer geistigen Behinderung, Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau oder fremdsprachige Menschen. Wenn sie mit Dokumenten aus der Verwaltung konfrontiert werden, haben Personen mit geringen Lesefähigkeiten daher nur einen begrenzten Zugang zu einer Reihe von Informationen. Dies trägt dazu bei, den Zugang zu bestimmten öffentlichen Dienstleistungen zu erschweren, und birgt das grosse Risiko, dass Sozialleistungen nicht in Anspruch genommen werden. Daher ist es wichtig zu verstehen, inwiefern die öffentliche Verwaltung ihre Kommunikation anpasst, um den spezifischen Bedürfnissen der Bevölkerung besser gerecht zu werden.

Tatsächlich versuchen einige Verwaltungen, ihre Kommunikation zu verbessern, indem sie auf Formen der Vereinfachung der Verwaltungssprache zurückgreifen. Historisch gesehen entstand die Vereinfachung der Sprache aus der Forderung nach Barrierefreiheit und Teilhabe. Seit den 1940er Jahren wird in den USA in Wirtschaftskreisen die Einführung der “plain language” propagiert. Im Jahr 2010 ging die Obama-Regierung so weit, den “Plain Writing Act” zu verabschieden, der einfache Sprache für alle Leistungen der Bundesverwaltung verbindlich machen sollte. Ab den 1970er Jahren forderten die in den skandinavischen Ländern entstandenen Bewegungen zur Demokratisierung der Gesellschaft die Verwendung von leichter Sprache, um den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen besser gerecht zu werden. Tabelle 1 zeigt die Regeln für Texte in leichter Sprache, die zur Kommunikation mit allen Menschen mit eingeschränkten Lesefähigkeiten verwendet werden können.

Tabelle 1. Grundregeln für leichte Sprache mit Beispielen

(Quelle: Pro Infirmis, Textoh, BAG)

Forschungsansatz

Um die Forschungsfrage zu beantworten, beschäftigten wir uns mit der Verwendung von leichter Sprache in der Schweiz. Wir führten eine Literaturrecherche über die Schweizer Kantone durch, um zu verstehen, wie viele Dokumente verfügbar sind, welche Art von Inhalt übersetzt wurde und von wem (kantonale öffentliche Verwaltung, Gemeindeverwaltung oder gemeinnütziges Umfeld). Da sich das Forschungsprojekt in der Anfangsphase befand, wurden im Laufe des Jahres 2021 nur Dokumente konsultiert, die im Internet verfügbar waren.

Die Einführung von leichter Sprache in der Schweiz

In der öffentlichen Verwaltung der Schweiz im Allgemeinen hat sich die Einführung der leichten Sprache nach der Coronavirus-Krise etwas beschleunigt, auch wenn sie im Vergleich zu Nachbarländern wie Frankreich immer noch langsam voranschreitet. So finden wir beispielsweise die wichtigsten Informationen über das Coronavirus, die auf der Webseite des BAG veröffentlicht wurden, in leichter Sprache wieder, ebenso wie eine Beschreibung der Funktionsweise des politischen Systems der Schweiz, die auf dem Portal der Bundesversammlung verfügbar ist.

Auf kantonaler Ebene sind derzeit sechs Kantone proaktiv bei der Einführung von leichter Sprache. Die Kantone Freiburg, Genf, Bern, Aargau, Luzern und St. Gallen haben ein oder mehrere Dokumente veröffentlicht, die unter anderem den Erwachsenenschutz, die Zugänglichkeit kantonaler Dienstleistungen oder praktische Informationen für Neuankömmlinge betreffen. Die Forderungen nach einer Vereinfachung der Verwaltungssprache werden jedoch immer lauter, sowohl in der Politik als auch in den Verbänden. In den Westschweizer Kantonen gibt es zahlreiche Debatten zu diesem Thema in den kantonalen gesetzgebenden Organen, insbesondere in Genf, Waadt und Freiburg. Auch einige Gemeinden sind aktiv geworden: Die Stadt Bern hat zum Beispiel ihre Webseite vollständig übersetzt, und die Gemeinde Bourg-en-Lavaux hat vergleichbare Arbeiten in Angriff genommen. Auch im kulturellen Bereich werden Massnahmen ergriffen: In Genf bietet das Ariana-Museum beispielsweise einen Rundgang vollständig in leicht zu lesender und verständlicher Sprache an.

Angesichts der zunehmenden Vielfalt an spezifischen Bedürfnissen innerhalb der Bevölkerung stellt sich die Verwaltung die Frage, wie die öffentlichen Dienstleistungen an diese Zielgruppen angepasst werden können. Diese Untersuchung zeigt, dass sich bis heute immer mehr kantonale Verwaltungen in der Schweiz für eine Vereinfachung der Sprache entscheiden, und auch in der Politik werden immer mehr Fragen gestellt.


Bemerkung: Dieser Artikel wurde im Rahmen des IDHEAP Policy Brief No. 5 veröffentlicht.

Referenz:

Bild: unsplash.com

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