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Warum Kleinstparteien bei Wahlen irrational sind

Jan-Eric Bartels
16th März 2023

Auf Basis von Wahlteilnahme, Wahlkampfausgaben und Wahlprogrammen wurde das Verhalten von Kleinstparteien bei Wahlen auf unterschiedlichen Ebenen untersucht. Das Resultat: Kleinstparteien agieren irrational, indem sie Europawahlen nicht konsequent als die für sie überlebenswichtigeren Wahlen einstufen.

Grosse, parlamentarische Parteien sind der Wahlbevölkerung in der Regel bekannt. Ihre Position, ihr Verhalten und ihre Mitgliedschaft sind zudem übergreifend und in den einzelnen Ländern in der Regel gut erforscht. Darüber hinaus gibt es jedoch weitere Akteure bei Wahlen: Kleinstparteien. Diese sind ein Phänomen, das in allen demokratischen Systemen auftaucht, jedoch aufgrund ihrer geringen politischen Relevanz wenig erforscht wird. Einige Vertreter dieser Gruppe sind hierbei bekannter, wie die Piratenpartei oder auch Volt, andere weisen eine deutlich geringere Bekanntheit auf, wie Menschliche Welt oder die Bayernpartei.

Wahlen zu nationalen Parlamenten sind bedeutender als Europawahlen

Grundsätzlich wird bei Parteien davon ausgegangen, dass diese rational agieren. Sie nutzen ihre Ressourcen wie beispielsweise ihre finanziellen Mittel so, dass diese ihnen den grösstmöglichen Nutzen bringen. Dies zeigt sich beispielsweise bei Vergleichen von Wahlen der nationalen Parlamente und den als Nebenwahlen eingestuften Europawahlen. Hierbei zeigt sich durchgehend, dass für die Europawahlen weniger Ressourcen aufgewendet werden.

Der kleinere Ressourcenaufwand liegt mitunter auch daran, dass die Medienberichterstattung für Europawahlen deutlich geringer ausfällt als für die Wahlen der nationalen Parlamente. Dies führt dazu, dass die Parteien beispielsweise weniger profilierte Kandidierende in das Rennen um die Europawahlen schicken, da diese weniger Beachtung finden. Im gleichen Zuge sind die Wahlkampagnen der Parteien auch deutlich weniger professionalisiert, als dies bei Wahlen der nationalen Parlamente der Fall ist.

Wo jedoch ein Akteur weniger investiert, bietet sich eine Lücke für andere Akteure. Kleinstparteien sind grundsätzlich bei Wahlen im Nachteil: Sie sind weniger bekannt und werden unter anderem aus Angst vor einer verschenkten Stimme weniger gewählt, da sie drohen, an den Wahlhürden zu scheitern. Bei Europawahlen haben sie durch diese Lücke, in Verbindung mit der Tendenz der Wählerschaft bei Nebenwahlen auch eher zum Protestwählen zu greifen, jedoch bessere Chancen. Dies ist nicht nur Theorie, Mandatsgewinne für die Piratenpartei, Volt, ÖDP oder auch Die PARTEI sind bei Europawahlen bisher schon zu verzeichnen gewesen.

Dabei ist jedoch fraglich, ob die Kleinstparteien auch gut genug über ihre Situation und ihre Chancen informiert sind, als dass sie sich den Gegebenheiten auch strategisch so anpassen, dass sie ihren Fokus auf die Wahlen legen, die ihnen mehr einbringen können. Bei den Kleinstparteien versammelt sich naturgemäss zumeist nur begrenztes politisches Know-how, wenngleich einige dieser Kleinstparteien auf Kommunalebene dieses zumindest in Ansätzen erwerben konnten.

Ressourcen bei Wahlen

Die Studie ging hierbei der Frage nach, inwieweit die Parteien ihre Ressourcen effizient nutzen. Drei Aspekte der effizienten Nutzung der eigenen Ressourcen wurden hierbei untersucht: Das Antreten bei Wahlen, die Ausgaben für Wahlkampfmittel und die Ausführlichkeit des Wahlprogrammes.

Grundsätzlich war davon auszugehen, dass Kleinstparteien in allen drei Bereichen mehr für Europawahlen aufwenden. Doch dies zeigte sich nicht. So treten weniger Kleinstparteien bei Europawahlen an. Wenngleich diejenigen, die antraten, insgesamt mehr für Wahlkämpfe ausgaben, galt dies auch nicht für alle. Zudem zeigte sich, dass die Kleinstparteien auch eher kürzere Programme verfassten.

Kleinstparteien nutzen ihre Ressourcen nicht sinnvoll

Dabei ist kaum verständlich, weshalb Kleinstparteien weniger bei Europawahlen antreten, da gerade das Antreten für das Überleben und eventuelle Vergrösserung der Partei dienlich sein könnte. Beispielsweise kann hierdurch aufgrund der besseren Ausgangslage ein Mandat gewonnen werden oder zumindest die Hürde für die Parteienfinanzierung gerissen werden. Hier könnte höchstens argumentiert werden, dass die Kleinstparteien, die nicht antreten, eher ideologische Motivationen als antreibende Kraft haben. Dennoch müssen auch solche Parteien, die Politiken umsetzen wollen, eine gewisse Stärke erreichen, welche sie ohne aussichtsreiche Wahlteilnahmen nicht erreichen können. Auf der anderen Seite haben die Parteien, die jedoch antraten, scheinbar genügend Informationen, um Europawahlen zumindest in einem gewissen Rahmen als wichtiger anzusehen, als es bei den grossen Parteien der Fall ist. Andererseits auch nur in begrenztem Umfang, da sie Europawahlen nicht gänzlich als die wichtigeren Wahlen ansehen und dementsprechend nicht konsequent in allen Bereichen mehr Ressourcen für diese aufwenden.

Die Studie zeigt damit mitunter einen Grund auf, warum die Kleinstparteien in der Regel auch in diesem Zustand als Kleinstpartei verharren: Sie agieren zum Teil irrational. So nutzen sie ihre Ressourcen nicht effizient und setzen diese eher für Wahlen ein, bei welchen sie geringe Chancen haben.


Referenz:

  • Bartels, J.-E. (2023). Are European Elections Second-Order Elections for Everyone? Swiss Political Science Review, zunächst online erschienen. https://doi.org/10.1111/spsr.12559

Bild: unsplash.com