Frauen

Frauen in der Politik: Warum es Frauen nicht gelingt, in (Jung-)Parteien aufzusteigen

Frau­en sind nach wie vor unter­ver­tre­ten in der Poli­tik. Mit einem Umfra­ge­ex­pe­ri­ment haben wir indi­vi­du­el­le Prä­fe­ren­zen von Jung­par­tei­mit­glie­dern und struk­tu­rel­le Fak­to­ren gleich­zei­tig unter­sucht, um die andau­ern­de Reprä­sen­ta­ti­ons­lü­cke von Frau­en in der Poli­tik zu erklä­ren. Das Ergeb­nis: Weib­li­che Mit­glie­der zögern, Arbeits­grup­pen bei­zu­tre­ten, die ihnen Macht ver­lei­hen und ent­schei­den sich sel­te­ner für viel­ver­spre­chen­de Ver­net­zungs­mög­lich­kei­ten als ihre männ­li­chen Par­tei­kol­le­gen, beson­ders in rech­ten Parteien.

Trotz star­kem Zuwachs der Frau­en in der Poli­tik, blei­ben sie unter­ver­tre­ten. Die For­schung ist sich über die Ursa­chen dafür unei­nig. Es wer­den sowohl struk­tu­rel­le, als auch indi­vi­du­el­le Fak­to­ren der Frau­en als Grün­de für die bestehen­de Ungleich­heit ver­mu­tet. Das fort­wäh­ren­de Reprä­sen­ta­ti­ons­ge­fäl­le zwi­schen den Geschlech­tern bes­ser zu ver­ste­hen, ist beson­ders im Hin­blick auf das Wahl­jahr 2023 span­nend. Dar­um unter­su­chen wir die ver­schie­de­nen Erklä­rungs­an­sät­ze erst­mals gleichzeitig.

Warum Frauen in der Politik nicht aufsteigen

Bis­he­ri­ge For­schungs­bei­trä­ge nann­ten ins­be­son­de­re man­geln­den Ehr­geiz und eine gerin­ge­re Selbst­ein­schät­zung der eige­nen Kom­pe­tenz als mög­li­che Erklä­rung für die Unter­ver­tre­tung von Frau­en in der Poli­tik. Auch in unse­rer Ana­ly­se berück­sich­ti­gen wir dies. Um die Kar­rie­re­we­ge von Frau­en in der Poli­tik zu ver­ste­hen, sind wir jedoch der Ansicht, dass die Prä­fe­ren­zen zu Zweck, Netz­wer­ke und Wahl­re­geln in einer Arbeits­grup­pe einer genaue­ren Ana­ly­se bedür­fen. Bis­he­ri­ge Stu­di­en befas­sen sich jeweils mit nur einem die­ser Aspek­te. Wir argu­men­tie­ren statt­des­sen, dass die gleich­zei­ti­ge Unter­su­chung die­ser Fak­to­ren neben Ehr­geiz und Selbst­ein­schät­zung der Qua­li­fi­ka­ti­on einen bes­se­ren Ver­gleich ihrer jewei­li­gen Aus­wir­kun­gen ermöglicht.

Wie wir bereits in einer frü­he­ren Unter­su­chung zu vor­par­la­men­ta­ri­schen Kar­rie­re­we­gen zei­gen konn­ten, sind Ämter in Jung­par­tei­en ein wich­ti­ger Schritt in der poli­ti­schen Kar­rie­re. Aus die­sem Grund fokus­sie­ren wir uns in der vor­lie­gen­den Unter­su­chung auf Mit­glie­der von Jungparteien.

Umfra­ge
Zwi­schen 2017 und 2018 haben wir eine Umfra­ge unter Mit­glie­dern aller deut­schen Jung­par­tei­en durch­ge­führt. Der zen­tra­le Teil der Umfra­ge besteht aus einem Umfra­ge­ex­pe­ri­ment, in dem wir den Umfra­ge­teil­neh­men­den eine hypo­the­ti­sche Ent­schei­dungs­si­tua­ti­on vor­le­gen und sie bit­ten, ihr Inter­es­se an einer Kan­di­da­tur für ver­schie­de­ne Arbeits­grup­pen zu bekun­den. Die­se Infor­ma­tio­nen ver­knüpft mit Daten auf indi­vi­du­el­ler Ebe­ne über die unter­schied­li­chen Ambi­tio­nen von Män­nern und Frau­en in Jung­par­tei­en ermög­li­chen es uns zu beur­tei­len, wel­che Erklä­run­gen für die geschlechts­spe­zi­fi­schen Unter­schie­de der Unter­re­prä­sen­ta­ti­on von Frau­en in der Poli­tik zugrun­de liegen.
Welche Faktoren sind die zentralen?

In unse­rer Unter­su­chung fokus­sier­ten wir erst­mals auf die drei Mecha­nis­men: Zweck, Netz­wer­ke und Wahl­re­geln und konn­ten die­se direkt ver­glei­chen. Ange­lehnt an die­se haben wir Fol­gen­des herausgefunden.

In der Unter­su­chung sys­te­ma­ti­scher Geschlech­ter­un­ter­schie­de von Jung­par­tei­mit­glie­dern rund um den Fak­tor Zweck zeigt sich, dass jun­ge Män­ner bevor­zugt in Arbeits­grup­pen arbei­ten, wo sie ihre poli­ti­schen Posi­tio­nen dis­ku­tie­ren kön­nen, z.B. Pro­gramm­ar­beits­grup­pen. Die­sel­be Prä­fe­renz konn­ten wir bei jun­gen Frau­en nicht nachweisen.

Abbildung 1. Geschätzte Marginalwerte des Zwecks der Arbeitsgruppe 95% KIs
Mitte und rechte Jungendparteien

Hin­sicht­lich der Netz­wer­ke und Ver­net­zung zeigt sich, dass vor allem jun­ge Män­ner in mit­te-rechts Jung­par­tei­en stra­te­gisch Ver­net­zungs­mög­lich­kei­ten mit der Mut­ter­par­tei wählen.

Abbildung 2. Geschätzte Marginalwerte des Zwecks der Arbeitsgruppe 95% KIs
Linke Jungendparteien

Beim drit­ten Fak­tor, den Wahl­re­geln, fokus­sier­ten wir auf die Unter­su­chung einer mög­li­chen Wett­be­werbs­aver­si­on. Dabei stellt sich her­aus, dass jun­ge Frau­en aus lin­ken Par­tei­en eine Par­tei­quo­te bevorzugen.

Fazit

Der Man­gel an jun­gen Frau­en in Füh­rungs­po­si­tio­nen scheint zum Teil auf unter­schied­li­che Prä­fe­ren­zen zur Mit­ar­beit in Arbeits­grup­pen, aber auch auf unter­schied­li­che Par­tei­struk­tu­ren zurück­zu­füh­ren zu sein. Par­tei­struk­tu­ren müs­sen geän­dert wer­den, um kon­kur­rie­ren­de Beför­de­rungs­ver­fah­ren und Netz­werk­um­ge­bun­gen zu besei­ti­gen. Dabei plä­die­ren wir für die Ver­wen­dung von Quo­ten. Ande­rer­seits will die­se Stu­die ins­be­son­de­re jun­gen Frau­en, die eine poli­ti­sche Kar­rie­re pla­nen, ver­deut­li­chen, wo ihr Enga­ge­ment erfor­der­lich ist, um die Ver­tre­tung von Frau­en auf allen Ebe­nen der Poli­tik zu verbessern.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag ist die schrift­li­che Kurz­fas­sung des fol­gen­den wis­sen­schaft­li­chen Arti­kels: Tama­ki Ohmu­ra und Ste­fa­nie Bai­ler (2022). Power-see­king, net­wor­king and com­pe­ti­ti­on: why women do not rise in par­ties, in: West Euro­pean Poli­tics (online­first, 16 Aug 2022).

 Bild: unsplash.com

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