Die 15. Aarauer Demokratietage vom Donnerstag, 30. März 2023 finden unter dem Titel «Klimakrise und Demokratie» im Kultur- und Kongresshaus Aarau statt. Für den beliebten Publikumsanlass konnte als Hauptreferentin Frau Prof. Dr. iur. Helen Keller mit einem Beitrag über Gerichte und Klimakrise gewonnen werden. Ihrem Beitrag folgt eine Podiumsdiskussion. Gleichentags findet die wissenschaftliche Konferenz statt, die in drei Panels verschiedene Aspekte zum Thema beleuchtet. Neu bieten wir im Anschluss an die wissenschaftlichen Panels ein Barcamp exklusiv für Schüler*innen an, in dem sie ihre Fragen und Anliegen mit Expert*innen diskutieren können.
Der Klimawandel und sein Verhältnis zur Demokratie
«The global climate fight will be won or lost in this crucial decade – on our watch.»
(Antonio Guterres, UN-Generalsekretär beim Klimagipfel 2022 am 7. November 2022 in Sharm El-Sheikh)
Der Klimawandel stellt eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit dar. Nur mit gemeinsamen Anstrengungen kann es der Menschheit gelingen, die weltweite Klimaerwärmung zu begrenzen und die Folgen des Klimawandels so zu gestalten, dass weite Teile der Erde bewohnbar bleiben. Pläne für den Klimaschutz gibt es viele. Oftmals sind damit Nutzungskonflikte verbunden – etwa dann, wenn gleichzeitig natürliche Ressourcen geschützt und die Energieversorgung garantiert werden sollen. Immer deutlicher wird, dass technologische Entwicklungen allein nicht reichen werden. Sich selbst zu einem nachhaltigen Lebensstil zu verpflichten, kann sich mit Grundsätzen der Marktwirtschaft und politischen Ideen eines liberalen Staates reiben. Internationale Abkommen zur Zusammenarbeit sind ambitioniert, doch werden die Ziele häufig nicht erreicht. Immer lauter werden die Rufe, dass die Zeit drängt. Gleichzeitig sehen sich Demokratien mit dem Vorwurf konfrontiert, ihre Prozesse seien zu langsam.
Trotzdem: Die Schweiz soll klimafreundlicher werden. Viele Gemeinden haben sich dem Ziel Netto-Null bis 2050 verpflichtet. Was ist nötig, um vernünftige Lösungsvorschläge zu entwickeln und auf demokratischem Weg zu legitimieren? Wer sind die entscheidenden politischen Akteur*innen – und welche Rolle sollen die Gerichte spielen? Erlaubt die Wahrnehmung der Klimakrise undemokratische Mittel, um demokratische Prozesse anzustossen? Welche Bedeutung kommt der Kreislaufwirtschaft zu? Sind die europäischen Staaten in der Lage, die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels für ihre Bürger*innen sozial abzufedern? Welche moralische Verpflichtung besteht gegenüber dem globalen Süden, der bereits jetzt stärker von Klimafolgen betroffen ist? Inwiefern kann Bildung für Nachhaltige Entwicklung in Kooperation mit Politischer Bildung dazu beitragen, das Bewusstsein für Problemlagen sowie individuelle und kollektive Handlungsmöglichkeiten zu schärfen? Diese und weitere brennende Fragen sollen an den Aarauer Demokratietagen 2023 interdisziplinär diskutiert werden.
Organisation der Veranstaltung
An den Aarauer Demokratietagen werden aktuelle politische Themen aufgegriffen und debattiert. Die jährlich stattfindende Veranstaltung umfasst eine Podiumsdiskussion (ohne Anmeldung) und eine wissenschaftliche Konferenz (Online-Anmeldung). Die Aarauer Demokratietage richten sich an Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Medien und an eine interessierte Öffentlichkeit.
Das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) ist ein Forschungszentrum der Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz. Weitere Träger sind der Kanton Aargau und die Stadt Aarau. Das ZDA betreibt Grundlagenforschung und befasst sich mit aktuellen Fragen zur Demokratie – in der Schweiz, in Europa und weltweit.
Programm der 15. Aarauer Demokratietage
Publikumsanlass, ohne Anmeldung
Donnerstag, 30. März 2023, 18.00 bis 20.00 Uhr
Kultur- und Kongresshaus Aarau
Klimakrise und Demokratie
Begrüssung
Dr. Hanspeter Hilfiker, Stadtpräsident Aarau, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung Zentrum für Demokratie Aarau
Referat
Prof. Dr. iur. Helen Keller, Professorin für öffentliches Recht an der Universität Zürich, Richterin am Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina
Gerichte und die Klimakrise – ein Blick zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Podiumsdiskussion
- Dr. iur. Helen Keller, Professorin für öffentliches Recht an der Universität Zürich, Richterin am Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina
- Dr. Thomas Bernauer, Politikwissenschaftler, ETH Zürich
- Dr. Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik, Präsident des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung, Universität Bern
Fragen aus dem Publikum
Moderation
Nadine Jürgensen, Juristin und Moderatorin
Anschliessend sind die Gäste zu einem Apéro Riche im Foyer des Kultur- und Kongresshauses Aarau eingeladen. Diese Veranstaltung ist ein öffentlicher Anlass. Es ist keine Anmeldung nötig.
Wissenschaftliche Konferenz, mit Anmeldung
Donnerstag, 30. März 2023, 9.00 bis 17.30 Uhr
Kultur- und Kongresshaus Aarau
8.15 Uhr: Einlass, Kaffee und Gipfeli
9.00 bis 10.30 Uhr: Der Klimawandel vor Gericht
Bisher wurden wegweisende Entscheide in Sachen Klimaschutz primär von der Politik getroffen. Immer öfter wird nun aber auch versucht, mit teilweise transnational koordinierten Klagen und unter Berufung auf Grund- und Menschenrechte den Klimaschutz auf dem Rechtsweg durchzusetzen. Die Gerichte werden so zu zentralen Akteuren in der Klimadiskussion, und verschiedentlich haben sie in aufsehenerregenden Urteilen der Politik bereits auch verbindliche klimapolitische Vorgaben gemacht. Dabei lässt sich die traditionelle Unterscheidung zwischen Rechtsprechung als Entscheid des Einzelfalls und Politik als Regelung zukünftiger Entwicklungen kaum noch aufrechterhalten. Das Panel geht der Frage nach, welche Rolle Gerichte im Kontext des Klimawandels spielen können oder müssen. Darf die demokratisch nur schwach legitimierte richterliche Gewalt dem gesetzgeberischen Prozess vorgreifen? Oder ist sie angesichts des politischen Stillstands sogar zum Eingreifen verpflichtet?
Referierende
- Dr. Christian Bickenbach, Professur für Verwaltungsrecht, Universität Potsdam
Klimaschutzklagen – Herausforderung für die deutsche Judikative - (FH) Dr. Mirina Grosz, Professur für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht an der Kalaidos Law School, Rechtsanwältin bei Poledna RC
Klimaschutz vor Schweizer Gerichten - Dr. Andreas Müller, Professur für Europarecht, Völkerrecht und Menschenrechte, Universität Basel
Klimaklagen vor den Gerichten der EU
Moderation
Prof. Dr. iur. Lorenz Langer, Assistenzprofessor für Öffentliches Recht und Völkerrecht unter besonderer Berücksichtigung europäischer Demokratiefragen, Zentrum für Demokratie Aarau
10.30 bis 11.00 Uhr: Pause
11.00 bis 12.30 Uhr: Weniger oder mehr Demokratie beim Klimaschutz?
Für unsere Demokratie ist die Klimakrise eine Herausforderung. Die Dringlichkeit von wirksamen Klimaschutzmassnahmen hat zu Kritik an traditionellen demokratischen Prozessen und Institutionen geführt. Zu langsam seien sie, zu zaghaft die Entscheidungen, die sie hervorbringen. Einerseits erschallt deshalb der Ruf nach autokratischen Vorgehensweisen immer lauter, Stichwort: «authoritarian environmentalism». Andererseits wird vielerorts mit neuen Instrumenten der politischen Beteiligung experimentiert, die geeignete Massnahmen vorschlagen und legitimieren sollen.
Brauchen wir weniger oder mehr Demokratie für einen wirksamen Klimaschutz? Wie funktionieren die Klima-Bürger*innenräte, die in einigen europäischen Ländern durchgeführt wurden? Welche Erfahrungen hat man mit ähnlichen Bürger*innenräten in der Schweiz gemacht? Das Panel diskutiert diese Fragen auf der Grundlage von aktuellen Studien, die von ihren Autorinnen und Autoren vorgestellt werden.
Referierende
- Dr. Hannah Werner, Assistenzprofessorin für Vergleichende Politikwissenschaft, Zentrum für Demokratie Aarau
Demokratische Einstellungen in Zeiten der Klimabedrohung - Rikki Dean, Forschungsstelle Demokratische Innovationen, Goethe-Universität Frankfurt
Integrating Citizen Deliberation into Climate Governance: Lessons from the European Wave of Climate Assemblies - Andri Heimann, Zentrum für Demokratie Aarau
Bürgerpanels für mehr Klimaschutz im Kanton Zürich. Ein Erfahrungsbericht
Diskussion
Prof. Dr. Karin Ingold, Professorin für Umweltpolitik, Institut für Politikwissenschaft und Oeschger-Zentrum für Klimaforschung, Universität Bern; Umweltsozialwissenschaften, Eawag
Moderation
Prof. Dr. Daniel Kübler, Co-Direktor Zentrum für Demokratie Aarau, Leiter Abteilung Allgemeine Demokratieforschung
12.30 bis 14.00 Uhr: Lunch
14.00 bis 15.30 Uhr: Politische Bildungsprozesse und Klimawandel
Ursachen und Folgen des Klimawandels stellen aktuell eine der bedeutendsten, globalen Herausforderungen dar. Nebst der Forderung der Begrenzung des Temperaturanstiegs sind neue Fragen zu Folgen der Klimaveränderung und der Anpassung an den Klimawandel getreten. Bürger*innen können sich auf politischer Ebene für Problemlösungen engagieren, reflektierte Konsumentscheidungen treffen oder sich im Privaten für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen entscheiden. Dem Gefühl, persönlich nichts ausrichten zu können, stehen eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten gegenüber. Mit «Fridays for Future» haben sich Junge mit ihrem Anliegen weltweit Gehör verschafft. Wie wird das Politische im Umgang mit dem Klimawandel in der Schule thematisiert? Welche (Selbst-)Lernprozesse finden in der Bewegung «Fridays for Future» statt? Wie kann es gelingen, trotz Bedrohungsszenarien Kindern und Jugendlichen eine Perspektive für die Zukunft zu geben?
Referierende
- Dr. Kai Niebert, Nachhaltigkeitsforscher an der Universität Zürich (sowie Präsident des Deutschen Naturschutzrings und Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Bundesstiftung Umwelt)
Zeitenwende für die Klimabildung. Warum Schule und Gesellschaft Mut haben müssen politischer zu werden - Dr. Sibylle Reinfried, Geowissenschaftlerin und emeritierte Professorin an der Pädagogischen Hochschule Luzern
Die Vermittlung des Klimawandels in der schulischen Bildung: Ziele, Herangehensweisen und Hürden im Fachunterricht - Anna Deutschmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Soziale Innovation und Lektorin an der Universität Wien
Lern- und Bildungsprozesse in (Protest-)Bewegungen am Beispiel von Umwelt- und Klimaschutzbewegungen in Österreich
Moderation
Prof. Dr. Monika Waldis, Direktionsvorsitzende Zentrum für Demokratie Aarau, Leiterin Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der PH FHNW
15.30 bis 16.00 Uhr: Pause
16.00 bis 17.30 Uhr: Barcamp für Schüler*innen
Interessierte Schulkassen der Stufe Sek II sind eingeladen, sich zum Thema der Aarauer Demokratietage 2023 untereinander auszutauschen und mit Expert*innen eine geleitete Debatte zu führen. Das Barcamp soll jungen Menschen und ihren Fragen und Anliegen zum Thema «Klimakrise und Demokratie» Gehör schenken. Ein Barcamp ist ein offener Workshop, in dem die Teilnehmenden die detaillierten Themen zu Beginn selbst bestimmen.
Moderation
- Dr. Monika Waldis, Direktionsvorsitzende Zentrum für Demokratie Aarau, Leiterin Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der PH FHNW
- Andri Heimann, Zentrum für Demokratie Aarau
Kontakt für interessierte Schulklassen
Programm und Anmeldung
Alle Veranstaltungen sind öffentlich und kostenlos. Zum detaillierten Programm und zur Anmeldung: www.demokratietage-zda.ch, Anmeldeschluss ist der 26. März 2023.