Ob politische Vermittlung, Einsatz für Sprache und Kultur oder wissenschaftliche Analyse; ob schweizweite Strahlkraft oder bedeutendes Engagement im Kleinen; ob langwährender Einsatz oder ein neues Projekt: Seit 2014 zeichnet die ch Stiftung jährlich eine Person oder Organisation aus, die sich für Vielfalt und Zusammenhalt in der Schweiz einsetzt – politisch, gesellschaftlich, wissenschaftlich oder kulturell. Die Bewerbungsfrist für den mit 10’000 Schweizer Franken dotierten Föderalismuspreis 2023 läuft bis am 28. Februar.
«Die Besonderheit des schweizerischen politischen Systems liegt […] unumstritten im Dreiklang der machtteilenden Elemente Konkordanz, Föderalismus und direkte Demokratie», so Markus Freitag und Alina Zumbrunn (2022: 92) in Zusammenfassung des Standes der Forschung (siehe u. a. Linder und Mueller 2017 sowie Vatter 2020). Diese drei Pfeiler der Schweizer Politik, allen voran der Föderalismus, liegen mitunter in der politisch-gesellschaftlichen Vielfalt als eine der zentralen Rahmenbedingungen begründet (Neidhart 2002: 99ff.). Dabei ist der erfolgreiche Umgang mit Vielfalt keine Selbstverständlichkeit, wie andere Staaten im internationalen Vergleich zeigen: «Die Schweiz ist anders. Sie gehört zu den wenigen mehrsprachigen Ländern, in denen das Zusammenleben der verschiedenen Sprachkulturen nie zu grösseren politischen Dauerproblemen geführt hat.» (Linder et al. 2008: 188–189).
Abb. 1: Mehrsprachigkeit in der Schweiz und den Kantonen, 2019
Anmerkung: Aufgrund von Mehrfachnennungen kann das Gesamttotal von 100% abweichen.
Quelle: Bundesamt für Statistik BFS (2021). Ausgewählte Indikatoren im regionalen Vergleich, 2021 (Kantone). BFS. URL: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/regionalstatistik/regionale-portraets-kennzahlen/kantone.assetdetail.15864476.html (zuletzt geöffnet am 31.01.2023).
Föderalismuspreis
Die Bundesverfassung von 1848, ein «pragmatisch-kompromisshaftes Werk» (Kölz 1992: 611), hat den modernen Bundesstaat begründet und feiert am 12. September ihren 175. Geburtstag. Dabei ist das föderale Zusammenleben keineswegs am Ausgangspunkt stehengeblieben, sondern entwickelt sich stetig weiter. Dies geschieht nicht von allein: Ob politische Vermittlung, Einsatz für Sprache und Kultur oder wissenschaftliche Analyse; ob schweizweite Strahlkraft oder bedeutendes Engagement im Kleinen; ob langwährender Einsatz oder ein neues Projekt – all dies dient der steten Erneuerung des Föderalismus und dem Ziel, auch in Zukunft in Einheit und Vielfalt zusammenzuleben.
Genau diesen Einsatz zeichnet die ch Stiftung seit 2014 mit dem Föderalismuspreis aus. 2023 prämiert sie somit zum 10. Mal eine Person oder Organisation, die sich für Vielfalt und Zusammenhalt in der Schweiz einsetzt: politisch, gesellschaftlich, wissenschaftlich oder kulturell. Bewerbungen oder Nominationen können via Onlineformular eingegeben werden: Jede in der Schweiz niedergelassene Person oder Organisation kann sich bewerben oder kann nominiert werden, auch wenn diese bereits an einer vergangenen Edition teilgenommen hatte. Entscheidend für die Vergabe ist ein Beitrag mit mindestens einem der folgenden Merkmale:
- Kommunikation: Aufzeigen der Vorteile und Besonderheiten des schweizerischen Föderalismus;
- Innovation: Anstossen einer konstruktiven Auseinandersetzung mit dem schweizerischen Föderalismus oder die Stärkung desselben auf innovative Weise;
- Partizipation: Förderung des Engagements sowie der Mitwirkung, insbesondere auf lokaler, regionaler und kantonaler Ebene;
- Tradition: Bekanntmachung der historischen Evolution des Föderalismus in der Schweiz;
- Kohäsion: Förderung des Zusammenlebens und der Verständigung der verschiedenen Sprachgemeinschaften der Schweiz und der Achtung von Minderheiten
Die Preisträgerin bzw. der Preisträger erhält 10’000 Schweizer Franken und ihr bzw. sein Name wird auf einer Tafel im Eingangsbereich des Hauses der Kantone eingraviert.
Jury: Persönlichkeiten aus Politik und Zivilgesellschaft
Über die Preisvergabe entscheidet eine Jury aus Vertreterinnen und Vertretern von Politik und Zivilgesellschaft. Namentlich sind dies Staatsrätin Florence Nater (NE), Präsidentin der ch Stiftung, Regierungsrat Dr. Markus Dieth (AG), Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), Staatskanzlerin Danielle Gagnaux-Morel (Kanton Freiburg) ebenso wie die Journalistin Gülsha Adilji, Marco Solari, Präsident des Locarno Film Festival, und die Professorin Tania Ogay (Departement für Erziehungswissenschaften der Universität Freiburg).
Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger: Von alt Bundesrat Arnold Koller bis zum Forum per l’italiano in Svizzera
Die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger sind easyvote (2021), der Circus Knie (2020), die Staatsrechtlerin Eva Maria Belser (2019), alt Regierungsrat Franz Marty (2018), die Interjurassische Versammlung (2017), das Neuenburger Bildungsprojekt PRIMA (2016), Kabarettist Emil Steinberger (2015) und alt Bundesrat Arnold Koller (2014). Zuletzt wurde das Forum per l’italiano in Svizzera für seinen Beitrag zugunsten der italienischen Sprache und Kultur in der Schweiz ausgezeichnet.
Hier können Sie sich bis 28. Februar 2023 für den Föderalismuspreis 2023 bewerben oder jemanden nominieren. Weitere Informationen finden Sie hier.
Referenzen:
- Freitag, Markus und Alina Zumbrunn (2022): «Politische Kultur». S. 85–109. In Handbuch der Schweizer Politik – Manuel de la politique Suisse, hrsg. v. Yannis Papadopoulos, Pascal Sciarini, Adrian Vatter, Silja Häusermann, Patrick Emmenegger und Flavia Fossati. Basel: NZZ Libro.
- Kölz, Alfred (1992): Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte: Ihre Grundlagen vom Ende der Alten Eidgenossenschaft bis 1848. Bern: Stämpfli.
- Linder, Wolf und Sean Mueller (2017): Schweizerische Demokratie: Institutionen, Strukturen, Prozesse, 4. Auflage. Bern: Haupt.
- Linder, Wolf, Regula Zürcher und Christian Bolliger (2008): Gespaltene Schweiz – geeinte Schweiz: Gesellschaftlich Spaltungen und Konkordanz bei den Volksabstimmungen seit 1874. Baden: hier + jetzt.
- Neidhart, Leonhard (2002): «Elementare Bedingungen der Entwicklung des schweizerischen Föderalismus». S. 111–133. In Föderalismus: Analysen in entwicklungsgeschichtlicher und vergleichender Perspektive, hrsg. v. Arthur Benz und Gerhard Lehmbruch. Wiesbaden: Springer.
- Vatter, Adrian (2020): Das politische System der Schweiz, 4. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Baden-Baden: Nomos.