Wachsende Frauenvertretung in den Kantonen

Seit den eid­ge­nös­si­schen Wah­len vom Herbst 2019 ist der Anteil der Frau­en in den kan­to­na­len Par­la­men­ten um fast vier Pro­zent­punk­te auf 33 Pro­zent gestie­gen und in den kan­to­na­len Regie­run­gen um gut drei Punk­te auf 28 Pro­zent. Die­se Stei­ge­run­gen gehö­ren zu den gröss­ten der letz­ten fünf­zig Jah­ren; sie wer­den im Wesent­li­chen nur noch von den Neun­zi­ger­jah­ren über­trof­fen, als die Frau­en im Zuge des «Brunner»-Effekts bei den Wah­len phä­no­me­nal stark zuleg­ten. Trotz­dem sind auch eini­ge Rück­schlä­ge zu verzeichnen.

Deutliches Wachstum und drei Rückfälle

Am gröss­ten war die Stei­ge­rung bei den kan­to­na­len Par­la­ments­wah­len in Neu­en­burg (+24 Pro­zent­punk­te): Die Frau­en erober­ten hier erst­mals in einem kan­to­na­len Par­la­ment die Mehr­heit (58%). In den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren stieg der Frau­en­an­teil in Basel-Stadt, Grau­bün­den und im Wal­lis um 11 bis 15 Pro­zent­punk­te, in Nid­wal­den, im Thur­gau und in St. Gal­len um fünf bis acht Punk­te. In acht wei­te­ren Kan­to­nen wuchs der Frau­en­an­teil um 1 bis 4,5 Pro­zent­punk­te, im Jura sta­gnier­te er. Rück­schlä­ge gab es dage­gen in drei Kan­to­nen: im Aar­gau und in Schwyz sank der Frau­en­an­teil um je fünf Pro­zent­punk­te und in Obwal­den um rund sieben.

Abge­se­hen von Neu­en­burg haben die Frau­en in kei­nem kan­to­na­len Par­la­ment die Mehr­heit inne. Am höchs­ten ist der Frau­en­an­teil – mit Wer­ten zwi­schen 40 und 42 Pro­zent – in drei Kan­to­nen (BL, ZH, BS). In Bern liegt er bei 39 Pro­zent, in der Waadt bei 36 und im Wal­lis bei 35 Prozent.

In den Kan­to­nen Gla­rus, Uri, Jura sowie Appen­zell Inner­rho­den wird dage­gen nur rund jeder vier­te Sitz von einer Frau besetzt. In Obwal­den beträgt der Frau­en­an­teil 18 Pro­zent und in Schwyz liegt er gar nur bei neun Prozent.

Abbildung 1. Kantonale Parlamentswahlen 2020–2022: Gewählte Frauen in Prozent (Stand: Jüngste Wahlen und Veränderung)

N.B. Geordnet nach Frauenanteil bei den jüngsten Wahlen
Datenbasis: Bundesamt für Statistik
Frauenmehrheit bei Rotgrün

Der Anteil der gewähl­ten Frau­en ist bei allen grös­se­ren Par­tei­en ange­stie­gen, am stärks­ten bei den Grü­nen und der SP (um 6 bzw. 5 Pro­zent­punk­te auf 51% bzw. 52%). Bei der «Mit­te» betrug der Zuwachs vier Pro­zent­punk­te (auf knapp 30%), bei der FDP, inkl. LP-BS, drei Punk­te (auf rund 26%) und bei Grün­li­be­ra­len und SVP je rund zwei Punk­te (auf rund 40% bzw. 16%).

Ein Blick auf die par­tei­po­li­ti­sche Ver­tei­lung der Frau­en in sämt­li­chen Kan­tons­par­la­men­ten zeigt das alt­be­kann­te Bild: Je wei­ter links sich eine Par­tei posi­tio­niert, des­to grös­ser ist ihr Frau­en­an­teil. So sind die Frau­en bei der SP und bei den Grü­nen in der Mehr­heit, wäh­rend sie bei der SVP auf einen Anteil von 16 Pro­zent kommen.

Auch in abso­lu­ten Zah­len haben die Frau­en in jeder die­ser Par­tei­en ins­ge­samt zuge­legt, selbst bei den Bun­des­rats­par­tei­en, wel­che alle zum Teil mas­siv Man­da­te ver­lo­ren. Die­se Gewin­ne erfolg­ten bei den Bun­des­rats­par­tei­en auf Kos­ten von ehe­ma­li­gen «Män­ner­sit­zen». Bei den Öko­par­tei­en leg­ten dage­gen Frau­en wie Män­ner an Man­da­ten zu. Bei der GLP stei­ger­ten sich die Frau­en um 22 und die Män­ner um 29 Man­da­te, bei den Grü­nen leg­ten die Frau­en vier­zig Man­da­te zu, die Män­ner elf.

«Mitte» steigert Frauenvertretung in den Regierungen

Seit den eid­ge­nös­si­schen Wah­len 2019 ist die Frau­en­ver­tre­tung auch in den kan­to­na­len Regie­run­gen stär­ker gewor­den (+5). Die 43 Regie­rungs­rä­tin­nen beset­zen 28 Pro­zent aller Regie­rungs­sit­ze. Die­ser Zuwachs ist nament­lich auf zusätz­li­che Frau­en­man­da­te der «Mit­te» zurück­zu­füh­ren (+5): Die­se stellt nun zwölf Regie­rungs­rä­tin­nen und schliesst damit fast zur SP auf (13 Regie­rungs­rä­tin­nen, ‑2 Man­da­te). Die FDP (inkl. LP-BS) kommt auf acht Regie­rungs­rä­tin­nen (+1), die SVP auf fünf, die Grü­nen auf vier und die GLP auf eine (+1 Mandat).

Wer­den die Frau­en­an­tei­le inner­halb der Par­tei­en ver­gli­chen, so sind die Regie­rungs­rä­tin­nen bei den Grü­nen und bei der GLP pari­tä­tisch ver­tre­ten. Bei der SP kom­men die Frau­en auf 45 Pro­zent, bei der «Mit­te» auf 32, bei der FDP auf 22 und bei der SVP auf 18,5 Prozent.

Abbildung 2. Kantonale Regierungswahlen: Gewählte Frauen in Prozent 2022

Sechs (!) Kantone ohne Regierungsrätinnen

Ein Blick in die Kan­to­ne zeigt, dass die Frau­en, wie schon 2019, in drei Kan­tons­re­gie­run­gen in der Mehr­heit sind. Es sind wei­ter­hin die Kan­to­ne Waadt (71%) und Zürich (57%); der Kan­ton Thur­gau wur­de durch den Kan­ton Solo­thurn ersetzt (60%). Neben Solo­thurn ist die Ver­tre­tung in acht wei­te­ren Kan­to­nen um je eine Frau gestiegen.

Klei­ner wur­de die Frau­en­ver­tre­tung dage­gen im Thur­gau und im Wal­lis (je ‑1) sowie im Kan­ton Uri (-2). Mit den Ver­lus­ten im Wal­lis und in Uri gibt es zwei wei­te­re Kan­tons­re­gie­run­gen ohne Frau­en. Damit steigt die Zahl jener Kan­to­ne, die sich in einem solch ana­chro­nis­ti­schen Zustand befin­den, auf sechs. Im Tes­sin und in Luzern regie­ren die Män­ner bereits seit 2015 allei­ne, in Appen­zell Aus­ser­rho­den seit 2017 und im Aar­gau seit 2019. Grau­bün­den hat 2022 die­sen Miss­stand nach vier Jah­ren beho­ben. 2014 hat­ten in sämt­li­chen Kan­tons­re­gie­run­gen noch die Frau­en mitregiert.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag wur­de am 27. Okto­ber 2022 auf Journal21.ch erstpubliziert.

Bild: Hel­ve­tia ruft!

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