Der christliche Glaube nimmt von Generation zu Generation ab

In der 27. Aus­ga­be der Zeit­schrift Social Chan­ge in Switz­er­land zeich­nen Jörg Stolz und Jere­my Senn die reli­giö­se Ent­wick­lung in der Schweiz von 1930 bis 2020 nach. Die Säku­la­ri­sie­rung in der Schweiz erklärt sich mit Kohor­ten-Erneue­rung. Die Gesell­schaft wird nicht des­halb weni­ger reli­gi­ös, weil Erwach­se­ne den Glau­ben ver­lie­ren, son­dern weil älte­re, reli­giö­se­re Genera­tio­nen durch neue, weni­ger gläu­bi­ge Genera­tio­nen ersetzt werden.

Die zwei For­scher der Uni­ver­si­tät Lau­sanne unter­su­chen auf der Basis von mehr als 30’000 befrag­ten Per­so­nen die Ver­än­de­rung der reli­giö­sen Pra­xis und Glau­bens­über­zeu­gun­gen in der Schweiz. Sie zei­gen, dass der wöchent­li­che Kirch­gang in der Schweiz seit den 1980er Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich abnimmt. Jede Genera­ti­on geht weni­ger häu­fig zur Kir­che als die vorherige.

Die zwei Autoren wider­le­gen die The­se, wonach es kei­ne gene­rel­le Abnah­me von Reli­gio­si­tät, son­dern viel­mehr einen Wan­del der reli­giö­sen For­men gäbe. Ein wach­sen­der Anteil der Leu­te ist nicht nur aus den Kir­chen aus­ge­tre­ten, son­dern hat auch das indi­vi­du­el­le Beten auf­ge­ge­ben. Zwi­schen 1988 und 2018 ging der Anteil der täg­lich Beten­den von 43% auf 14% der Befrag­ten zurück. Got­tes­glau­be und Glau­be an die Bibel haben eben­falls abge­nom­men – und wie­der­um ist die Erneue­rung der Kohor­ten ent­schei­dend. Aller­dings zei­gen die Indi­ka­to­ren christ­li­cher Reli­gio­si­tät ein unter­schied­li­ches Behar­rungs­ver­mö­gen. Die Säku­la­ri­sie­rung beginnt zuerst beim abneh­men­den Kirch­gang, dann folgt der Glau­be, zuletzt sinkt die Konfessionszugehörigkeit.

Die zwei Autoren fin­den auch kei­ne Hin­wei­se für eine holis­tisch-spi­ri­tu­el­le Revo­lu­ti­on der Reli­gi­on. Die Bedeu­tung von spi­ri­tu­el­ler Hei­lung oder Wahr­sa­gern hat im Zeit­ver­lauf nicht zu‑, son­dern abge­nom­men. Die Reli­gio­si­tät ent­wi­ckelt sich in der Schweiz sehr ähn­lich wie in den meis­ten west­li­chen Län­dern. Die Säku­la­ri­sie­rung ent­steht zu einem wich­ti­gen Teil durch eine Erset­zung von Kohor­ten. Es han­delt sich um “Genera­tio­nen abneh­men­den Glaubens”. 


Refe­renz

  • Stolz, Jörg & Senn, Jere­my (2021). Genera­tio­nen abneh­men­den Glau­bens: Reli­gi­on und Säkularisierung in der Schweiz 1930–2020. Social Chan­ge in Switz­er­land, N°27, www.socialchangeswitzerland.ch

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