Steigende Bedeutung des Journalismus in Zeiten von Desinformation

Pro­fes­sio­nel­le Qua­li­täts­me­di­en hel­fen beson­ders in Kri­sen­zei­ten, Fak­ten und Zah­len ein­zu­ord­nen und die Ver­brei­tung von Des­in­for­ma­ti­on ein­zu­däm­men. Doch die öko­no­mi­sche Situa­ti­on des Jour­na­lis­mus hat sich wei­ter ver­schlech­tert. Erst­mals sind auch die Ein­nah­men aus dem Online-Wer­be­markt rück­läu­fig. In der Schweiz ist die Akzep­tanz für Medi­en­för­de­rung rela­tiv hoch. Dies zeigt das Jahr­buch Qua­li­tät der Medi­en 2021 des For­schungs­zen­trums Öffent­lich­keit und Gesell­schaft fög der Uni­ver­si­tät Zürich.

Bevölkerung zeigt sich besorgt über Desinformation

Mit der Coro­na-Pan­de­mie ist das The­ma Des­in­for­ma­ti­on – d.h. absicht­lich ver­brei­te­te Fal­sch­nach­rich­ten – defi­ni­tiv in der Schweiz ange­kom­men. Dies zei­gen die Ergeb­nis­se einer reprä­sen­ta­ti­ven Befra­gung, die das For­schungs­zen­trum Öffent­lich­keit und Gesell­schaft (fög) Ende 2020 in der Schweiz durch­ge­führt hat. Fast die Hälf­te der Befrag­ten (49%) schätzt Des­in­for­ma­ti­on als «gros­ses» bis «sehr gros­ses» Pro­blem ein, dies vor allem für die Bewäl­ti­gung von gesell­schaft­li­chen Kri­sen. Knapp ein Vier­tel gibt an, «oft» bis «sehr oft» auf Fal­sch­nach­rich­ten zu stos­sen. Als Haupt­quel­len von Des­in­for­ma­ti­on geben die Stu­di­en-Teil­neh­men­den sozia­le Medi­en (62%), Alter­na­tiv­me­di­en (39%), Video­por­ta­le (36%) oder Mes­sen­ger-Apps (28%) an. Pro­fes­sio­nel­le jour­na­lis­ti­sche Medi­en wie News­si­tes (20%) oder das Fern­se­hen (13%) wer­den weni­ger oft als Quel­le von Des­in­for­ma­ti­on genannt. Im Gegen­teil: Die Bevöl­ke­rung nutzt Infor­ma­tio­nen aus jour­na­lis­ti­schen Medi­en (61%) sowie von Bund und Behör­den (68%), um den Inhalt von Fake News zu überprüfen.

 

Mehr Einordnung durch die Medien

Auch in der zwei­ten Wel­le der Pan­de­mie schen­ken die Medi­en dem The­ma Coro­na eine sehr hohe Beach­tung – aller­dings weni­ger als in der ers­ten Wel­le (sie­he Stu­die 2020), trotz stei­gen­der Fall­zah­len. Das Coro­na­vi­rus wird auch sel­te­ner expli­zit als Bedro­hung dar­ge­stellt (6%) als in der ers­ten Wel­le (16%). «Eine «Panik­ma­che», wie dies den Medi­en häu­fig vor­ge­wor­fen wird, lässt sich somit empi­risch nicht fest­stel­len», sagt Medi­en-Exper­te und fög-Direk­tor Mark Eisen­eg­ger. Der Anteil Medi­en­bei­trä­ge, die gegen­über den Behör­den sehr posi­tiv aus­fal­len, bleibt wei­ter­hin tief (0.3%). Somit bestä­tigt sich der Vor­wurf einer unkri­ti­schen «Hof­be­richt­erstat­tung» nicht. Zah­len und Sta­tis­ti­ken wer­den im Ver­gleich zur ers­ten Wel­le von den Medi­en häu­fi­ger ein­ge­ord­net (21% vs. 12% in der ers­ten Wel­le), was posi­tiv zu wer­ten ist.

Eingeschränkte Vielfalt der Expertinnen und Experten

Die Viel­falt der Exper­tin­nen und Exper­ten bleibt in der zwei­ten Pan­de­mie­wel­le jedoch stark ein­ge­schränkt. So domi­nie­ren wei­ter­hin Stim­men aus der Medi­zin, Viro­lo­gie und Epi­de­mio­lo­gie, obwohl fast alle gesell­schaft­li­chen Berei­che von der Pan­de­mie betrof­fen sind. Weib­li­che Wis­sen­schaft­le­rin­nen sind zwar sicht­ba­rer gewor­den (21% vs. 12% in der ers­ten Wel­le), blei­ben jedoch wei­ter­hin deut­lich unter­ver­tre­ten gegen­über ihren männ­li­chen Kol­le­gen. Die­se Unter­re­prä­sen­ta­ti­on von Frau­en besteht in der Medi­en­be­richt­erstat­tung auch jen­seits der Coro­na-Bericht­erstat­tung, wie eine wei­te­re fög-Stu­die zur Dar­stel­lung von Frau­en in Schwei­zer Medi­en zeigt. Eine ein­ge­schränk­te Diver­si­tät bestä­tigt sich eben­falls bei der Unter­su­chung des Abstim­mungs­kampfs zum Ver­hül­lungs­ver­bot vom 7. März 2021. Die betrof­fe­ne mus­li­mi­sche Min­der­heit ist auf Twit­ter (13%) und in den Medi­en (11%) wenig sicht­bar. Anstatt die­se selbst zu Wort kom­men zu las­sen, wur­de öfter nur gene­rell über Mus­li­min­nen und Mus­li­me gesprochen. 

Verbesserte Qualität bei Pendler- und Boulevardmedien online

Die Medi­en­qua­li­tät bleibt ins­ge­samt sta­bil. Sie ver­än­dert sich jedoch in ein­zel­nen Dimen­sio­nen. Die Medi­en infor­mie­ren mehr über Poli­tik (37%, +5 Pro­zent­punk­te PP gegen­über dem Vor­jahr) und weni­ger über Soft-News wie Sport (10%, ‑1,5 PP) und Human Inte­rest (30%, ‑1,3 PP). Der Anteil Ein­ord­nungs­leis­tun­gen in Form von Hin­ter­grund­bei­trä­gen geht zum ers­ten Mal seit sechs Jah­ren nicht mehr zurück. Medi­en­ty­pen wie der öffent­li­che Rund­funk und die abon­nier­ten News­si­tes zeich­nen sich wei­ter­hin durch eine höhe­re Qua­li­tät aus. Doch die Pend­ler- und Bou­le­vard­me­di­en online kön­nen ihre Qua­li­tät auf­grund der Ereig­nis­la­ge und dem stär­ke­ren Fokus auf Poli­tik ver­bes­sern. Die inhalt­li­che Kon­zen­tra­ti­on, d.h. das Tei­len von iden­ti­schen Bei­trä­gen in meh­re­ren Medi­en, hat sich in der Deutsch­schweiz wei­ter akzen­tu­iert. 2020 zeigt sich dies in fast allen The­men­be­rei­chen, ins­be­son­de­re jedoch bei der Kulturberichterstattung.

Hohe Akzeptanz von Medienförderung im internationalen Verlgeich

Die Coro­na-Pan­de­mie hat die öko­no­mi­sche Situa­ti­on der Medi­en wei­ter ver­schlech­tert. Erst­mals seit 2014 sind auch die Ein­nah­men aus dem Online-Wer­be­markt rück­läu­fig. Zwar wächst die Zah­lungs­be­reit­schaft für Online-News leicht (17%, +4 PP), doch dies reicht nicht aus, um den Jour­na­lis­mus nach­hal­tig zu finan­zie­ren. Eine akti­ve­re Medi­en­för­de­rung stösst nicht auf grund­sätz­li­che Ableh­nung. 37% der Befrag­ten sind der Mei­nung, dass der Staat pri­va­te Medi­en unter­stüt­zen soll, wenn die­se in Schief­la­ge gera­ten; 37% sind dage­gen, 26% sind unschlüs­sig. Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich ist die Akzep­tanz für eine direk­te Medi­en­för­de­rung in der Schweiz damit auf­fal­lend hoch.

Guter Journalistmus brauch Ressourcen

Die Resul­ta­te des Jahr­buchs zei­gen, dass pro­fes­sio­nel­le Medi­en durch die Pan­de­mie noch­mals an Bedeu­tung gewon­nen haben. Medi­en bie­ten Ori­en­tie­rung, ver­sor­gen die Bevöl­ke­rung mit zuver­läs­si­gen Infor­ma­tio­nen und sind auch in der Lage, Fal­sch­nach­rich­ten zu prü­fen und zu wider­le­gen. Guter Jour­na­lis­mus, der sei­nen demo­kra­ti­schen Funk­tio­nen nach­kom­men soll, braucht Res­sour­cen. «Es zeich­net sich immer mehr ab, dass qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ger Jour­na­lis­mus nur durch eine direk­te Medi­en­för­de­rung zu finan­zie­ren ist», ist Eisen­eg­ger über­zeugt. Die­se soll­te ins­be­son­de­re auch klei­ne­re media­le Anbie­ter und Start-Ups unter­stüt­zen, die zur Stim­men­viel­falt und zur Infor­ma­ti­on der Bevöl­ke­rung beitragen.


Refe­renz:

Das Jahr­buch 2021 sowie die Haupt­be­fun­de und Ver­tie­fungs­stu­di­en sind auf www.foeg.uzh.ch als PDF erhältlich.

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