Mehr Politisches, weniger Persönliches – wie sich Politiker*innen auf Twitter verhalten sollten

Sozia­le Medi­en erlau­ben den direk­ten Kon­takt zwi­schen Reprä­sen­tan­ten und den Reprä­sen­tier­ten. Was den Wert die­ser direk­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on via sozia­le Medi­en beein­flusst, ist jedoch der Inhalt, der von Politiker*innen geteilt wird. Doch wie prä­sen­tie­ren sich Politiker*innen? Und wel­ches Ver­hal­ten wird von den Bürger*innen am bes­ten bewertet?

Politiker*innen haben die Wahl: Auf den sozia­len Medi­en kön­nen sie frei ent­schei­den, wie sie mit der Öffent­lich­keit in Kon­takt tre­ten wol­len und was sie dabei kom­mu­ni­zie­ren. Doch wie kommt dies bei der Bevöl­ke­rung an? Zu den Inhal­ten die­ser Kom­mu­ni­ka­ti­on und den Reak­tio­nen dar­auf gibt es bis­her noch kaum For­schung. Die­ser Bei­trag geht der Fra­ge auf den Grund, wie sich Politiker*innen prä­sen­tie­ren und wel­ches Ver­hal­ten von den Bürger*innen am bes­ten bewer­tet wird.

Wenig Persönliches in Tweets

Die Ergeb­nis­se der Obser­va­ti­ons­stu­die zei­gen, dass pri­va­ti­sier­te Tweets deut­lich sel­te­ner sind als erwar­tet. Politiker*innen ten­die­ren auf der Social Media-Platt­form also mehr dazu zu netz­wer­ken und Poli­tik­in­hal­te zu twee­ten. In der Schweiz (4.6% der Tweets) twee­ten die Poli­ti­ker noch etwas mehr über pri­va­te The­men als in Deutsch­land (4.4% der Tweets). Eine Erklä­rung für die­sen Unter­schied kön­ne mög­li­cher­wei­se in der höhe­ren Pro­fes­sio­na­li­sie­rung des Par­la­ments in Deutsch­land liegen.

Inter­es­sant scheint zudem, dass sich wenig Vari­anz zwi­schen den ver­schie­de­nen Par­tei­grup­pen im Ver­hal­ten auf Twit­ter beob­ach­ten lässt. Die Ver­tei­lung der Antei­le von pri­va­ten, Netz­werk- und Poli­tik-Tweets ist über alle Par­tei­en hin­weg ähn­lich verteilt.

Die Reak­tio­nen auf die Tweets schei­nen Poli­tik- und Netz­werk-Tweets wei­ter zu ver­stär­ken. So wer­den die­se häu­fi­ger «gelik­ed», spre­chen also eine höhe­re «enga­ge­ment-rate» auf, als per­sön­li­che Tweets. («Enga­ge­ment-rate» = Anzahl Likes der Tweets divi­diert durch die Anzahl Fol­lo­wers der* Politiker*in.

Die Mischung macht’s

Und wie kommt das bei der Bevöl­ke­rung an? Die Ergeb­nis­se der Umfra­ge zei­gen, dass pri­va­te Tweets der Politiker*innen eher abge­lehnt wer­den, poli­ti­k­ori­en­tier­te Tweets aller­dings gut ankom­men. Gene­rell hat sich gezeigt, dass Politiker*innen mit einer gemisch­ten Stra­te­gie am bes­ten fah­ren. Wenn sie nur eine Netzwerk‑, Poli­tik- oder per­sön­li­che Tweets ver­öf­fent­li­chen, sinkt die Zustim­mung der Bürger*innen.

Sowohl in Deutsch­land wie auch in der Schweiz gibt es eine Art «Par­ty-Penal­ty»: Wenn der in der Umfra­ge gezeig­te, fik­ti­ve Poli­ti­ker nicht der poli­ti­schen Ideo­lo­gie der Befrag­ten ent­spricht («fal­sche Par­tei»), wird er schlech­ter bewer­tet als bei einer Über­ein­stim­mung. Die­ser Effekt ist in Deutsch­land jedoch viel höher und über­steigt sogar den Zustim­mungs­ge­winn, wel­chen man durch mehr poli­ti­schen Inhal­te erhal­ten kann.

Wich­tig zu wis­sen ist dabei, dass bei deut­sche Wähler:innen die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit einer Par­tei sich stär­ker auf die Ein­schät­zung von Politiker*innen aus­wirkt. Dies liegt mög­li­cher­wei­se dar­an, dass die Par­tei­en in Deutsch­land deut­lich stär­ker sind als in der Schweiz. Zudem lässt das Schwei­zer Wahl­sys­tem per­so­na­li­sier­te­re und weni­ger par­tei­ori­en­tier­te Ein­schät­zun­gen zu.

Interaktion als wichtiger Wahlfaktor

Wei­te­re im Rah­men der Stu­die durch­ge­führ­te Umfra­ge­ex­pe­ri­men­te zei­gen, dass eine erhöh­te Inter­ak­ti­vi­tät von Parlamentarier*innen in den Kom­men­ta­ren auf Twit­ter die Wahr­schein­lich­keit, die Stim­me der Bür­ger zu erhal­ten, um rund 10 Pro­zent stei­gern kann.

Die Inter­ak­ti­vi­tät scheint gar der grös­se­re Ein­fluss­fak­tor als das Geschlecht der Teilnehmer*innen und Politiker*innen zu sein. Ist die Inter­ak­ti­vi­tät hoch, steigt also die Zustim­mung, egal ob eine Frau auf einen Mann trifft oder ob bei­de das glei­che Geschlecht tei­len. Ein­zi­ge Aus­nah­me die­ses Trends: Bür­ge­rin­nen schei­nen indif­fe­rent zu sein, wenn sie damit kon­fron­tiert wer­den, dass eine Poli­ti­ke­rin in den Kom­men­ta­ren auf einen Mann reagiert.

Fazit: Abwechslung ist gefragt

Die sozia­len Medi­en schei­nen einen nivel­lie­ren­den Effekt bezüg­lich des Geschlechts zu haben. In bei­den Expe­ri­men­ten beein­flusst das Geschlecht der Teilnehmer*innen und Politiker*innen die Eva­lua­ti­on nicht signi­fi­kant. Die bes­te Stra­te­gie für Politiker*innen in den sozia­len Medi­en hängt also nicht von deren Geschlecht ab. Zudem ist die Par­tei­zu­ge­hö­rig­keit je nach Land entscheidend.

Gene­rell mögen es Bürger*innen, wenn Parlamentarier*innen über Poli­tikthe­men twee­ten und weni­ger über pri­va­te The­men. Jedoch: Abwechs­lung wird bes­ser bewer­tet als ein Fest­hal­ten am glei­chen Tweet-Stil. Und Inter­ak­ti­vi­tät in den sozia­len Medi­en wird sei­tens Wähler*innen bes­ser bewer­tet als ein pas­si­ves Verhalten.

Daten und Methode
Um her­aus­zu­fin­den, wie sich Politiker*innen prä­sen­tie­ren und ob die­se Kom­mu­ni­ka­ti­on auch von den Bürger*innen geschätzt wird, wur­de ein Umfra­ge­ex­pe­ri­ment in der Schweiz und Deutsch­land (n=4358), in wel­chen gra­du­ell der Anteil von Poli­tik-Inhal­ten gegen­über pri­va­ten Inhal­ten erhöht wur­de und anschlies­send die Zustim­mung und die Wahr­schein­lich­keit zur Wahl die­ser Per­son abge­fragt wird.

Zusätz­lich wur­de eine Obser­va­ti­ons­stu­die durch­ge­führt, bei wel­cher Tweets von Parlamentarier*innen in der Schweiz und Deutsch­land dar­auf­hin unter­sucht wur­den, wie häu­fig die Kate­go­rien «Poli­tik­in­halt», «Pri­vat» und «Netz­werk» ver­wen­det wor­den sind.

Um zudem eine Ein­schät­zung zu erhal­ten, wie sich die Inter­ak­ti­vi­tät von Parlamentarier*innen in den Kom­men­tar­spal­ten aus­wirkt, wur­de ein wei­te­res Umfra­ge­ex­pe­ri­ment (n=490) durch­ge­führt. In die­sem wur­den ver­schie­de­ne Gra­de der Inter­ak­ti­vi­tät der fik­ti­ven Parlamentarier*innen in der Kom­men­tar­spal­te gezeigt. Anschlies­send wur­de die Zustim­mung und die Wahr­schein­lich­keit der Wahl die­ser Parlamentarier*innen abgefragt.


Refe­renz: 

  • «New Rela­ti­ons Bet­ween Voters and Repre­sen­ta­ti­ves in the Age of Social Media» (Prof. Dr Ste­fa­nie Bai­ler, Uni­ver­si­tät Basel, Prof. Dr. Natha­lie Giger, Uni­ver­si­tät Genf), finan­ziert vom Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­fonds (SNF), Nr. 10DL17_183248 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0261379421001177#

Bild: pixabay.com

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