Die Qualität der Stimmentscheide ist auf kantonaler Ebene höher als auf nationaler

Eine Unter­su­chung im Kan­ton Aar­gau zeigt, dass die Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger rela­tiv gut infor­miert sind und die gefäll­ten Stimm­ent­schei­de mit den eige­nen Prä­fe­ren­zen über­ein­stim­men. Das soge­nann­te «cor­rect voting» ist bei kan­to­na­len Abstim­mun­gen aus­ge­präg­ter als bei natio­na­len. Ins­ge­samt kön­nen rund drei Vier­tel der unter­such­ten Stimm­ent­schei­de als «kor­rekt» bezeich­net wer­den in dem Sin­ne, dass sie den Wert­hal­tun­gen und Inter­es­sen der Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­ger entsprechen.

Im Nach­gang zu kon­flikt­rei­chen und emo­tio­na­len Abstim­mun­gen wird oft die Qua­li­tät der Stimm­ent­schei­de in Fra­ge gestellt. Die Kri­ti­ker wer­fen einem Teil der Stimm­be­rech­tig­ten vor, unin­for­miert und ent­ge­gen den eige­nen Prä­fe­ren­zen abge­stimmt zu haben. Wie eine neue Unter­su­chung des Zen­trums für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) zeigt, sind die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger jedoch über­ra­schend gut infor­miert und kön­nen sich eine eige­ne Mei­nung bil­den. Anhand von Daten aus den Umfra­ge-Rei­hen FOKUS Aar­gau und VOTO konn­te gezeigt wer­den, dass die Qua­li­tät der Stimm­ent­schei­de sehr hoch sein kann, vor allem bei emo­tio­na­len und kon­flikt­rei­chen Vor­la­gen.

Ein über­ra­schen­der Befund ist, dass die unter­such­ten kan­to­na­len Ent­schei­de eine leicht höhe­re Qua­li­tät auf­wei­sen als die natio­na­len. Das könn­te zwei Ursa­chen haben: Einer­seits ist das durch­schnitt­li­che Inter­es­se an Poli­tik und die durch­schnitt­li­che Infor­miert­heit bei Teil­neh­men­den an kan­to­na­len Abstim­mun­gen höher, da kan­to­na­le Vor­la­gen aus ver­schie­de­nen Grün­den wie zum Bei­spiel gerin­ger media­ler Auf­merk­sam­keit in der Regel ein gerin­ge­res Mobi­li­sie­rungs­po­ten­zi­al haben. Dadurch neh­men eher stark inter­es­sier­te oder betrof­fe­ne Stimm­be­rech­tig­te teil. Ande­rer­seits sind die Inhal­te bei kan­to­na­len Vor­la­gen näher am All­tag der Abstim­men­den, wodurch sie eher mit den Inhal­ten der Vor­la­ge ver­traut, stär­ker betrof­fen und bes­ser infor­miert sind. Alle die­se Fak­to­ren erleich­tern eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Stimm­ent­schei­dung.

Zur Unter­su­chung der Qua­li­tät des Stimm­ent­schei­des wur­de das Kon­zept des cor­rect voting ver­wen­det. Dabei wird die kor­rek­te Stimm­ent­schei­dung als eine nahe­zu voll­stän­dig infor­mier­te Stimm­ent­schei­dung defi­niert. Kon­kret wur­de cor­rect voting mit Umfra­ge­da­ten gemes­sen, indem die Stimm­ent­schei­dung mit der Zustim­mung respek­ti­ve Ableh­nung von vier inhalt­li­chen Argu­men­ten ver­gli­chen und bei einer Über­ein­stim­mung der Stimm­ent­schei­dung mit die­ser Argu­ment­po­si­ti­on als kor­rekt gewer­tet wur­de. 

Zusam­men­ge­fasst legen die Befun­de die­ser Stu­die nahe, dass Aar­gau­er Bür­ge­rin­nen und Bür­ger grund­sätz­lich in der Lage sind auch bei kan­to­na­len Vor­la­gen eigen­stän­dig eine Mei­nung zu bil­den und so die Stimm­ent­schei­dung anhand der eige­nen Prä­fe­ren­zen aus­zu­rich­ten. Dies ist eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für eine funk­tio­nie­ren­de direk­te Demokratie.


Refe­renz:

  • Gabri­el Hof­mann (2021): Kom­pe­tent oder Mani­pu­lier­bar? Empi­ri­sche Befun­de zu cor­rect voting aus fünf kan­to­na­len und elf natio­na­len Vor­la­gen im Kan­ton Aar­gau. FOKUS Aar­gau Spe­cial. Aar­au, Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au. fokus.ag/special_3
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