Einblick in die Facebook-Werbebibliothek — Die online Kampagne zu den Vorlagen vom 13. Juni 2021

Poli­ti­sche Wer­bung auf den sozia­len Medi­en gewinnt immer mehr an Bedeu­tung für Wah­len und Abstim­mun­gen. Dies zeigt sich auch bei den Abstim­mun­gen vom 13. Juni. Die­ser Blog­bei­trag bie­tet eine kur­ze Über­sicht zur Abstim­mungs­kam­pa­gne auf Face­book und Insta­gram, basie­rend auf den Daten der Face­book Werbebibliothek.

Daten
Bevor wir zur Ana­ly­se kom­men, ein paar kri­ti­sche Wor­te zu den Daten. Die Ana­ly­se basiert auf Daten der Face­book Wer­be­bi­blio­thek[1], wel­che im Fal­le der Schweiz seit den Wah­len 2019 poli­ti­sche Inse­ra­te sam­melt, wel­che auf Face­book oder Insta­gram erschie­nen sind. Das Archiv ist nicht zwin­gend voll­stän­dig. In der Schweiz, anders als in der EU, ist das Dekla­rie­ren von poli­ti­scher Wer­bung als sol­ches nicht ver­bind­lich und wird auch nicht aktiv von Face­book über­prüft.[2] V.a. beim CO2-Gesetz scheint es der Fall zu sein, dass meh­re­re finanz­star­ke Akteu­re auf der Geg­ner­sei­te die Inse­ra­te nicht als poli­tisch dekla­riert haben und sich damit der weit­rei­chen­de­ren Trans­pa­renz ver­schlies­sen. So fin­den sich in der all­ge­mei­nen Wer­be­bi­blio­thek, wel­che auch nicht-poli­ti­sche Inse­ra­te ein­schliesst, Inse­ra­te des Refe­ren­dums­ko­mi­tees (Wirt­schafts­ko­mi­tee «Nein zum CO2-Gesetz») und des Ener­gie Clubs Schweiz.[3] Das­sel­be trifft auch auf die Geg­ner des Covid-19 Geset­zes zu (“C19-Gesetz NEIN”). Da die­se Inse­ra­te nicht als poli­ti­sche Ads aus­ge­wie­sen wur­den, feh­len dazu detail­lier­te­re Infor­ma­tio­nen (z.B. zu den Ausgaben).
Analyse

Der gröss­te Teil der Kam­pa­gne in den sozia­len Medi­en fokus­siert sich auf das CO2-Gesetz und die Agrar-Initia­ti­ven. Die Inse­ra­ten­kam­pa­gnen zum Covid-19 und Anti-Ter­ror Gesetz belau­fen sich auf weni­ge Tau­send Fran­ken und wer­den des­halb hier nicht wei­ter behan­delt. Ein ähn­li­ches Ungleich­ge­wicht wur­de bereits für Print-Inse­ra­te beob­ach­tet (sie­he Hei­del­ber­ger und Bühl­mann 2021). Die Aus­ga­ben pro Inse­rat wer­den in der Wer­be­bi­blio­thek durch eine Spann­brei­te ange­ge­ben. Die Gra­phik gibt des­halb unter­schied­li­che Schät­zun­gen der Gesamt­aus­ga­ben an — basie­rend auf dem unte­ren Grenz­wert, dem Mit­tel­wert und dem obe­ren Grenz­wert. Die­se Aus­ga­ben­schät­zun­gen zei­gen, dass die Gesamt­aus­ga­ben für die Agrar­in­itia­ti­ven zwi­schen 150’000 und 340’000 CHF lie­gen und für das CO2-Gesetz zwi­schen 90’000 und 150’000. Nimmt man jeweils den Mit­tel­wert, erge­ben sich Gesamt­aus­ga­ben von rund 250’000 und 120’000. Die­se Zah­len ein­zu­ord­nen ist nicht ganz ein­fach, da uns Zah­len von ande­ren Abstim­mungs­kämp­fen feh­len. Es ist anzu­neh­men, dass dies ein aus­ser­ge­wöhn­lich teu­rer Abstim­mungs­kampf war. Bei Print-Inse­ra­ten gab es aus­ser der Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve seit 2013 kei­ne Vor­la­ge, bei der mehr Inse­ra­te als zum CO2-Gesetz geschal­tet wur­den (Hei­del­ber­ger und Bühl­mann 2021). Nimmt man die bei­den Agrar­in­itia­ti­ven zusam­men, über­tref­fen sie klar alle ande­ren Kam­pa­gnen (Hei­del­ber­ger und Bühl­mann 2021).

Hin­weis: Nur Akteu­re mit Gesamt­aus­ga­ben (Mit­tel­wert) über 1’000 CHF wur­den berück­sich­tigt. Stand: 08.06.2021

Bei der Kam­pa­gne zu den Agrar-Initia­ti­ven spielt die “Alli­anz gegen die extre­men Agrar­in­itia­ti­ven”, ange­führt vom Schwei­ze­ri­schen Bau­ern­ver­band, eine her­aus­ra­gen­de Rol­le. Über die Hälf­te der Aus­ga­ben gehen auf ihr Kon­to. Gemein­sam mit der Kam­pa­gne der “IG Zukunft Pflan­zen­schutz” (u.a. Ver­band Schwei­zer Gemü­se­pro­du­zen­ten) führt dies zu einer kla­ren Domi­nanz der Geg­ner­schaft der Agrar­in­itia­ti­ven. Aber auch die Befürworter:innen haben stark inves­tiert, v.a. der Ver­ein für eine Schweiz ohne Pes­ti­zi­de und der Schwei­ze­ri­scher Fische­rei-Ver­band, wel­cher für ein zwei­fa­ches Ja wirbt. Beim CO2-Gesetz sind die Befürworter:innen klar bestim­mend. Jedoch gilt es zu berück­sich­ti­gen, dass hier die Gegner:innen nur unge­nü­gend abge­bil­det wer­den, da meh­re­re Akteu­re ihre Inse­ra­te nicht dekla­riert haben (sie­he oben). Das Kräf­te­ver­hält­nis bei Print-Inse­ra­ten, bei wel­chen die Pro-Sei­te 2,5 Mal mehr Inse­ra­te geschal­tet hat als die Geg­ner­schaft (Hei­del­ber­ger und Bühl­mann 2021), lässt ver­mu­ten, dass hier die Daten der Wer­be­bi­blio­thek die Con­tra-Inse­ra­te klar unter­schät­zen, auch wenn davon aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass die Pro-Inse­ra­te die Mehr­heit stellen.

Die Wer­be­bi­blio­thek gibt uns auch Anga­ben dazu, wo die Inse­ra­te geschal­tet wur­den und wer sie gese­hen hat. Die­ser Abstim­mungs­kampf zeigt, dass Insta­gram eine zen­tra­le Rol­le spielt als Platt­form für poli­ti­sche Wer­bung und dies­be­züg­lich nur noch wenig hin­ter Face­book zurück liegt. Rund 33 % der Inse­ra­te wur­den nur auf Face­book gezeigt, 22 % nur auf Insta­gram und mit 45 % der gröss­te Anteil auf bei­den Platt­for­men. Alter und Geschlecht der Per­so­nen, wel­che erreicht wur­den, unter­schei­den sich all­ge­mein nicht sehr stark, v.a. wenn man die Akteu­re mit den gröss­ten Aus­ga­ben betrach­tet. Die Vor­la­ge und die Sei­te, für wel­che eine Kam­pa­gne wirbt, scheint nur begrenzt eine Rol­le zu spie­len. Dies ist beson­ders bemer­kens­wert bei der Ja-Kam­pa­gne zum CO2-Gesetz, wel­che sich nicht beson­ders auf die «Kli­ma­ju­gend» fokus­siert und im Durch­schnitt weni­ger oft U‑24-Jäh­ri­ge anspricht als die bei­den Kam­pa­gnen (pro/contra) zu den Agrar­in­itia­ti­ven. Auf der Geg­ner­sei­te scheint man sich aber viel­leicht durch­aus am Alter und den Prä­fe­ren­zen zum Kli­ma­wan­del ori­en­tiert zu haben. Das wel­sche Nein-Komi­tee ist die Orga­ni­sa­ti­on mit dem stärks­ten Fokus auf die über 55-Jäh­ri­gen. Eini­ge Unter­schie­de bei der Ziel­grup­pen­an­spra­che schei­nen orga­ni­sa­ti­ons-spe­zi­fisch bedingt. So fokus­sie­ren sich nicht über­ra­schend die Jung­par­tei­en haupt­säch­lich auf die unter 34-Jäh­ri­gen. Die Grü­ne Par­tei, wel­che bekann­ter­mas­sen eine jün­ge­re und weib­li­che­re Wäh­ler­ba­sis besitzt, fokus­siert sich bei ihren Kam­pa­gnen auch stär­ker auf jün­ge­re Per­so­nen und auf Frau­en. Dies hat wohl damit zu tun, dass Orga­ni­sa­tio­nen oft Inse­ra­te schal­ten, die ihren Fol­lo­wers oder Fol­lo­wers von ver­wand­ten Sei­ten gezeigt werden.

Hin­weis: Die Berech­nung des durch­schnitt­li­chen Anteils basiert auf einer Gewich­tung der Ads nach Aus­ga­ben. Stand: 08.06.2021.

Die Schweiz tut sich tra­di­tio­nell schwer mit Trans­pa­renz in der Poli­tik. Es ist des­halb nicht ganz über­ra­schend, dass selbst in die­sem inter­na­tio­nal ange­wand­ten Instru­ment Schwei­zer Akteu­re sich stren­ge­ren Trans­pa­renz­re­geln ent­zie­hen kön­nen. Trotz­dem zeigt die­se Ana­ly­se, dass das Archiv auch in die­ser Form einen gewis­sen Bei­trag zu mehr Trans­pa­renz im Abstim­mungs­kampf leis­ten kann. Dies gilt umso mehr, als dass zu hof­fen ist, dass der Druck auf alle Akteu­re steigt, poli­ti­sche Inse­ra­te auch als sol­che zu deklarieren.


[1] Nach einer Iden­ti­fi­ka­ti­ons­prü­fung durch Face­book kann auf die Wer­be­bi­blio­thek über eine API (Pro­gram­mier­schnitt­stel­le) zuge­grif­fen werden.

[2] https://www.facebook.com/business/help/2150157295276323

[3] Die all­ge­mei­ne Wer­be­bi­blio­thek ent­hält nur akti­ve Inse­ra­te. Die Inse­ra­te der Sei­te “FCK Off CO2 Gesetz”, über die von meh­re­ren Zei­tun­gen berich­tet wur­den, las­sen sich beim Zeit­punkt des Schrei­bens die­ses Blogs nicht mehr auffinden.

Bild: unsplash.com

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