US-Notenbank Fed bald wieder komplett

US-Prä­si­dent Biden ist seit drei Mona­ten im Amt. Für den vakan­ten Sitz im Füh­rungs­gre­mi­um der US-Noten­bank hat er noch nie­man­den nomi­niert. Das wäre in der Schweiz undenkbar.

Seit über drei Jah­ren ist der geld­po­li­ti­sche Aus­schuss der US-Noten­bank Fed unter­be­setzt. Und der US-Prä­si­dent Joe Biden macht kei­ne Anstal­ten, das zu ändern. Für sei­ne Untä­tig­keit wird er mitt­ler­wei­le kri­ti­siert.

Undenk­bar ist eine mehr­jäh­ri­ge Vakanz im Direk­to­ri­um der Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­bank. Der Grund: Die Natio­nal­bank ist völ­lig anders orga­ni­siert als das Fed.

Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen SNB und Fed? — In den USA redet das Parlament mit

Die Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­bank wird von einem drei­köp­fi­gen Direk­to­ri­um geführt. Nomi­niert wer­den die Mit­glie­der des SNB-Direk­to­ri­ums vom Bank­rat, dem Auf­sichts­gre­mi­um der Natio­nal­bank. Der Bun­des­rat kann die vor­ge­schla­ge­nen Per­so­nen nur bestä­ti­gen oder ablehnen.

Die Füh­rungs­struk­tur der Natio­nal­bank ist also ein­fach. Die Schwei­zer Poli­tik scheint auf den ers­ten Blick nur wenig Ein­fluss zu haben auf die SNB.

Ungleich kom­pli­zier­ter ist die Füh­rungs­struk­tur der US-Noten­bank Fed. Dort bestimmt das Federal Open Mar­ket Com­mit­tee (FOMC) den geld­po­li­ti­schen Kurs. Das FOMC hat zwölf Mit­glie­der. Davon sind sie­ben auch im Fed-Gou­ver­neurs­rat. Der Gou­ver­neurs­rat führt die Geschäf­te der Noten­bank in Washington.

Die übri­gen Sit­ze im FOMC gehö­ren den regio­na­len Fed-Vor­sit­zen­den. Sie alle sit­zen alle am Tisch, wenn über die Geld­po­li­tik der US-Noten­bank bera­ten wird. Abstim­men dür­fen aber nur fünf der ins­ge­samt zwölf regio­na­len Fed-Vor­sit­zen­den. Das Stimm­recht rotiert im Jah­res­rhyth­mus. Ein­zig das New-York-Fed hat eine per­ma­nen­te Stim­me, weil es für die Umset­zung der Geld­po­li­tik zustän­dig ist.

Die Schweizer Politik hat nur wenig Einfluss auf die SNB

Die kom­pli­zier­te Füh­rungs­struk­tur des US-Noten­bank spie­gelt sich auch im Beru­fungs­ver­fah­ren. Vor allem die Wah­len in den Fed-Gou­ver­neurs­rat sind stark poli­ti­siert. Die Mit­glie­der des Gou­ver­neurs­rats wer­den vom US-Prä­si­den­ten nomi­niert und vom Senat bestä­tigt. Regel­mäs­sig fin­den Kan­di­da­ten der Regie­rung im ame­ri­ka­ni­schen «Stän­de­rat» kei­ne Mehrheit.

Ein­fa­cher ist die Ernen­nung der regio­na­len Fed-Vor­sit­zen­den. Sie wer­den von ihren eige­nen Zweig­nie­der­las­sun­gen ernennt und vom Fed- Gou­ver­neurs­rats bestätigt.

Die US-Noten­bank ist im Ver­gleich zur SNB also aus min­des­tens zwei Grün­den stär­ker poli­ti­siert: Ers­tens schickt die US-Regie­rung ihre eige­nen Kan­di­da­ten und Kan­di­da­tin­nen für den Fed-Gou­ver­neurs­rat ins Ren­nen. Zwei­tens ist das ame­ri­ka­ni­sche Par­la­ment in die Per­so­nal­ent­schei­de involviert.

Die Ein-Mann-Show in der Schweiz …

Doch auch der Schwei­zer Poli­tik hat Ein­fluss auf die Ent­schei­de der SNB. Der Bun­des­rat kann näm­lich wäh­len, wen er aus dem Direk­to­ri­um zum Prä­si­den­ten oder zur Prä­si­den­tin ernen­nen möch­te. Das gibt der Regie­rung einen unmit­tel­ba­ren Hebel auf die Geldpolitik.

Bei Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten im Direk­to­ri­um ent­schei­det näm­lich de fac­to der SNB-Prä­si­dent allei­ne über die Geld­po­li­tik. Wenn die geld­po­li­ti­sche Stoss­rich­tung des Prä­si­den­ten den bei­den ande­ren Direk­to­ri­ums­mit­glie­dern näm­lich nicht passt, müs­sen sie gemein­sa­me Sache machen gegen den Vor­sit­zen­den. Das ist ris­kant: Ein Rück­tritt des Prä­si­den­ten ist in die­sem Fall nicht ausgeschlossen.

Eine ein­zi­ge Per­son kann dadurch die geld­po­li­ti­sche Aus­rich­tung der Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­bank über lan­ge Zeit mass­geb­lich prä­gen. Das macht die SNB bere­chen­bar, birgt aber auch das Risi­ko von insti­tu­tio­nel­lem Stillstand.

… und die Kakophonie der Meinungen in den USA

Die­sem Risi­ko ist die US-Noten­bank weni­ger aus­ge­setzt. Die Grös­se des FOMC führt zu einer rei­che­ren Mei­nungs­viel­falt. Sogar der als «Maes­tro» in die Geschich­te ein­ge­gan­gen Fed-Prä­si­dent Alan Green­span muss­te sich wäh­rend sei­ner Amts­zeit von 1987 bis 2006 ver­ein­zelt der Mehr­heits­mei­nung im FOMC beu­gen.

Das gros­se Ent­schei­dungs­gre­mi­um in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten hat aber auch Nach­tei­le. In der Schweiz ist klar, wer die Ver­ant­wor­tung für die Geld­po­li­tik trägt: Es ist der SNB-Prä­si­dent. Im Gegen­satz dazu kön­nen sich die FOMC-Mit­glie­der hin­ter dem Mehr­heits­ent­scheid verstecken.

Bei der Regierungsform ist alles anders

Inter­es­san­ter­wei­se herr­schen bei den Regie­rungs­for­men der bei­den Län­der genau die umge­kehr­ten Vor­zei­chen: In den Ver­ei­nig­ten Staa­ten trägt der US-Prä­si­dent die allei­ni­ge Regie­rungs­ver­ant­wor­tung. In der Schweiz setzt man beim Bun­des­rat auf eine gros­se Mei­nungs­viel­falt und geteil­te Verantwortung.

Wäre die SNB also orga­ni­siert, wie das Fed, müss­te sich der SNB-Prä­si­dent gegen ein diver­ses Ent­schei­dungs­gre­mi­um durch­set­zen. Wie heu­te eine Bundesrätin.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag erschien am 28. April 2021 auf SWI swissinfo.ch

Bild: Haupt­sitz der Fed: Mar­ri­ner S. Eccles Federal Reser­ve Board Buil­ding, Washing­ton, D.C., 2007

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