Vereinbarkeit von Familie und Beruf während des Lockdowns

Allgemein haben es Schweizer Paare und besonders Familien recht gut durch den Lockdown geschafft, was sich an einer sehr hohen Zufriedenheit in den Bereichen der Partnerschaft und des Familienlebens ablesen lässt. Allerdings hat er, vor allem für Familien und Alleinerziehende, Herausforderungen mit sich gebracht. Das sind die Ergebnisse einer zwischen Ende April und Mai 2020 durchgeführten Befragung von rund 2’000 Personen aus der Schweiz.

Väter mehr in Hausarbeit und Kinderbetreuung involviert

Eine der grössten Veränderungen während des Lockdowns war, dass Männer stärker zu Hause involviert waren. Auffällig ist, dass sich die Rollen vor allem in Haushalten mit höherem Einkommen (Bruttohaushaltseinkommen über 10’300 Franken) etwas verschoben haben.

Rund ein Drittel der Befragten gab an, dass der Partner vermehrt die Kinderbetreuung übernommen hat. Dennoch sagte immerhin jede fünfte Frau und jeder fünfte Mann, dass die Frau tendenziell mehr der Kinderbetreuung zuständig war. In den meisten Haushalten hat sich jedoch die Aufteilung der Kinderbetreuung vor und während des Lockdowns nicht verändert.

Doch nicht nur bei der Kinderbetreuung waren Männer stärker involviert, auch bei der Hausarbeit. Dies gaben ca. ein Viertel der befragten Frauen an. Die Antworten der männlichen Befragten spiegeln diese Einschätzung wider. Dass der Partner mehr an Hausarbeit übernommen hat, scheint des Weiteren vor allem auf Haushalte mit Kindern zuzutreffen. Auch hier gab allerdings ein Fünftel an, selber mehr an Hausarbeit geleistet zu haben. Mehrheitlich ist die Aufteilung aber gleich geblieben. Vor allem in Haushalten ohne Kinder scheint eine Veränderung kaum spürbar gewesen zu sein (70 Prozent).

Deutlicher Anstieg der ausserhäuslichen Betreuungsleistungen

Doch auch die Versorgung pflegebedürftiger Menschen wurde während des Lockdowns zur Herausforderung. Viele von ihnen werden durch ihre Angehörigen zu Hause versorgt. Unter den Befragten, die sich um Angehörige kümmern, berichten 51 Prozent von einer Mehrbelastung während des Lockdowns (Abb. 1). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass während Wochen Dienstleistungen und Hilfestrukturen im nahen Wohnumfeld entfallen sind.

Die Geschlechtsunterschiede sind hierbei gering. Es scheint jedoch, dass tendenziell mehr Frauen einen Anstieg in der ausserhäuslichen Betreuung während des Lockdowns erfahren haben (56 Prozent gegenüber 46 Prozent bei den Männern). Weitere Unterschiede zeigen sich bei Haushalten mit höherem Einkommen, die ebenfalls von einem Anstieg der ausserhäuslichen Betreuungslast betroffen waren, während fast ein Fünftel der Familien mit niedrigerem Einkommen angaben, dass die Betreuungslast abgenommen hätte. Unterscheidet man nach Familientypen, so fällt auf, dass vor allem für Familien mit Kindern und für Alleinerziehende (N=50) die ausserhäusliche Betreuungslast während des Lockdowns zugenommen hat. Allerdings sind diese Ergebnisse erneut mit gewisser Vorsicht zu lesen, da die Fallzahlen – gerade bei Alleinerziehenden – eher gering sind.

Abbildung 1: Veränderung in der Betreuung und Unterstützung von Angehörigen nach Geschlecht, Einkommen und Haushalttyp (in % der Befragten)

N=50-1,144, eigene Berechnung gewichtet; Fragestellung: Es kann sein, dass Sie Kinder, Angehörige oder andere Personen, die nicht im eigenen Haushalt wohnen, betreuen oder unterstützen. Bitte geben Sie an, ob bei Ihnen oder einer anderen Person in ihrem Haushalt solche Aufgaben während der Coronakrise dazugekommen oder weggefallen sind. Es geht hier um unentgeltliche Betreuung oder Unterstützung. Die Unterstützung von Angehörigen oder anderen erwachsenen Personen (z.B. Unterstützung im Haushalt, Einkäufe erledigen), die nicht im selben Haushalt wohnen, hat…)?
Emotionale und praktische Unterstützung in Zeiten von Corona

Wie schon im Faktenblatt Nr. 1 zum Wohlbefinden deutlich wurde, hat die Zeit des Lockdowns Spuren der Einsamkeit und der sozialen Isolation hinterlassen – aber auch gezeigt, dass ein Grossteil der Bevölkerung während dieser Zeit auf emotionale Unterstützung zählen konnte. In diesem Zusammenhang zeigen die Befunde, dass vor allem Frauen, aber auch Haushalte mit erhöhtem Einkommen sowie Haushalte ohne Kinder im Durchschnitt mehr emotionale Unterstützung hatten. Besonders wenig Unterstützung haben Alleinerziehende und Haushalte mit niedrigerem Einkommen erfahren.

Wendet man sich der praktischen Unterstützung bei der täglichen Hausarbeit zu, so gaben vor allem Frauen im Vergleich zu Männern, Alleinerziehende gegenüber Haushalten ohne Kinder sowie Haushalte mit niedrigerem Einkommen im Vergleich zu Haushalten mit höherem Einkommen an, in den letzten vier Wochen weniger Unterstützung bei der Hausarbeit gehabt zu haben. Dies könnte auch darauf hindeuten, dass vor allem externe Unterstützung in Form von z.B. Haushalts- und Putzhilfen oder Angehörigen wie beispielsweise Grosseltern durch die strengen Massnahmen nicht mehr möglich war.

Auswirkungen auf die Erwerbsarbeit – Frauen reduzieren mehr Stunden

Im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit liegt die Vermutung nahe, dass der erhöhte Betreuungsbedarf vor allem bei Müttern zu einer Reduzierung der Stunden geführt haben könnte. Das bestätigt sich allerdings nicht in den Daten. Zwar zeigen sich bei der Frage zu coronabedingten Arbeitsveränderungen, dass Frauen häufiger ihre Arbeitsstunden reduziert haben als Männer (24 Prozent versus 19 Prozent). Dieses Ergebnis tritt allerdings unabhängig davon zu Tage, ob Kinder im Haushalt anwesend waren oder nicht. Dies ist möglicherweise auf die kleine Fallzahl zurückzuführen, weshalb weitere Analysen mit einer grösseren Stichprobe notwendig wären.

Allerdings ist hervorzuheben, dass normalerweise die durchschnittliche Arbeitszeit bei alleinerziehenden Frauen bei ca. 24 Stunden (N=26), bei Frauen mit Kindern bei ca. 27 Stunden und bei Frauen ohne Kinder bei ca. 35 Stunden pro Woche lag. Männer mit oder ohne Kinder arbeiteten normalerweise hingegen ca. 43 Stunden pro Woche im Schnitt, während alleinerziehende Männer nur ca. 39 Stunden arbeiteten.

Leicht erhöhtes Konfliktpotenzial in Familien und bei Alleinerziehenden

Auf die Frage, ob während des Lockdowns die Konflikte mit dem Partner zu- oder abgenommen haben, hat die Mehrheit der Befragten (77,8 Prozent) angegeben, dass die Konflikte gleichgeblieben seien (Abb. 2). 12,1 Prozent gaben an, die Konflikte hätten (stark) zugenommen, während 10,2 Prozent angaben, dass die Konflikte (stark) abgenommen hätten. In diesem Zusammengang zeigen sich keine merklichen Geschlechterunterschiede.

Abbildung 2: Veränderung von Partnerkonflikten während des Lockdowns nach Geschlecht, Einkommen und Haushaltstyp (in % der Befragten)

N=19-1425, eigene Berechnung gewichtet; Fragestellung: Es gibt verschiedene Dinge, die zu Konflikten in der Partnerschaft führen können (z.B. Hauhaltsarbeiten, Geld, Sex, Kindererziehung, etc.). Im Allgemeinen, haben die Konflikte mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin während der Coronakrise zu- oder abgenommen?

Deutliche Unterschiede sind jedoch bei Haushalten mit und ohne Kindern zu verzeichnen. Während nur 8 Prozent der Haushalte ohne Kinder angaben, dass die Konflikte zum Teil stark zugenommen hätten, sind das bei Haushalten mit Kindern fast 18 Prozent und bei Alleinerziehenden 35,1 Prozent (N=19). Es bleibt in diesem Zusammenhang leider eine offene Frage, wodurch dies, gerade bei Alleinerziehenden, verursacht worden ist. Zudem zeigt sich, dass in Haushalten mit niedrigem Einkommen die Konflikte zugenommen haben (15 Prozent versus 7 Prozent bei den Haushalten mit höherem Einkommen). Gleichzeitig gaben aber fast 17 Prozent der Befragten aus Haushalten mit niedrigem Einkommen an, dass die Konflikte abgenommen hätten (versus nur 10 Prozent in Haushalten mit höherem Einkommen).

Trotz Lockdowns – hohe Zufriedenheit mit der Partnerschaft und dem Familienleben

Neben der Konfliktfrage wird unter anderem auch in den Medien[1] diskutiert, dass die Periode des Lockdowns auch positive Erfahrungen in der Partnerschaft und dem Familienleben mit sich gebracht haben könnte. Vor diesem Hintergrund wurden auch explizit Fragen zur Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung, der Aufteilung der Hausarbeit, dem Partner und dem Zusammenleben gestellt.

Die Analysen zeigen, dass sich die hohe Lebenszufriedenheit der Schweizer Bevölkerung im Allgemeinen und in bestimmten Bereichen auch während des Lockdowns nicht verändert hat. Acht von zehn Befragten sind sowohl mit der Kinderbetreuung als auch mit der Aufteilung der Hausarbeit (vollkommen) zufrieden (Abb. 3 und Abb. 4).

Abbildung 3: Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung nach Geschlecht, Haushaltstyp und Einkommen (in % der Befragten)

N=50-457, eigene Berechnung gewichtet; Fragestellung: Alles in allem betrachtet, wie zufrieden sind Sie mit der Aufteilung der Kinderbetreuung? Auf einer Skala von „vollkommen zufrieden, sehr zufrieden, ziemlich zufrieden, weder zufrieden noch unzfrieden, ziemlich unzufrieden, sehr unzufrieden und vollkommen unzufrieden. Zur Vereinfachung wurden die Kategorien aggregiert.

Allerdings lassen sich in dieser Hinsicht gruppenspezifische Unterschiede beobachten. Frauen waren im Vergleich zu Männern weniger zufrieden in beiden Bereichen (14,2 Prozent versus 4,1 Prozent bei der Kinderbetreuung und 11 Prozent versus 2,7 Prozent bei der Hausarbeit). Während 85 Prozent der Haushalte mit Kindern mit der Kinderbetreuung zufrieden war, waren sie häufiger unzufrieden mit der Aufteilung der Hausarbeit (11,2 Prozent). Bei Alleinerziehenden verhält sich das gerade umgekehrt. 18,9 Prozent waren mit der Kinderbetreuung unzufrieden. Allerdings waren nur 4,3 Prozent unzufrieden mit der Aufteilung der Hausarbeit. Unterscheidet man noch nach Einkommenssituation, so fällt auf, dass Haushalte mit höherem Einkommen in beiden Bereichen am zufriedensten waren.

Was die Bereiche Partnerschaft und Zusammenleben im Haushalt angeht, so zeigt sich erneut eine besonders hohe Zufriedenheit. Wie schon im Faktenblatt Nr. 1 zum Thema Wohlbefinden berichtet, sind nur drei bis vier Prozent der Befragten unzufrieden. Es gibt keine bemerkenswerten Gruppenunterschiede. Dennoch zeigt eine deskriptive Betrachtung, dass besonders Befragte aus Haushalten mit höherem Einkommen zufriedener und Alleinerziehende eher unzufrieden mit dem Zusammenleben sind. Bei der Frage zur Partnerschaft scheinen vor allem Paare mit Kindern etwas weniger zufrieden gewesen zu sein.

Abbildung 4: Zufriedenheit mit der Aufteilung der Hausarbeit nach Geschlecht, Haushaltstyp und Einkommen (in % der Befragten)

N= 55-1514, eigene Berechnung gewichtet; Fragestellung: Alles in allem betrachtet, wie zufrieden sind Sie mit der Aufteilung der Hausarbeit?
Schlussfolgerung

Allgemein haben es Schweizer Paare und besonders Familien recht gut durch den Lockdown geschafft, was sich an einer sehr hohen Zufriedenheit in den Bereichen der Partnerschaft und des Familienlebens ablesen lässt. Ausserdem haben die Konflikte während des Lockdowns für die Mehrheit der Befragten nicht zugenommen.

Allerdings hat der Lockdown, vor allem für Familien und Alleinerziehende, Herausforderungen mit sich gebracht. Zum einen hat in dieser Gruppe das Konfliktpotential zugenommen. Zum anderen hat der Bedarf an Kinderbetreuung aber auch an ausserhäuslichen Pflege- und Sorgeleistungen enorm zugenommen. Die vorliegenden Analysen lassen vermuten, dass sich dieser erhöhte Bedarf am stärksten auf die Erwerbstätigkeit von Frauen ausgewirkt hat. Ob und welche Konsequenzen das langfristig haben wird, bleibt zu diesem Zeitpunkt offen.

Was die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung angeht, so hat sich bei einem Grossteil der Befragten recht wenig hinsichtlich der Kinderbetreuung und Hausarbeit verändert. Interessant ist, dass zwei Trends zu beobachten sind. Einerseits scheinen vor allem Väter etwas mehr in die Hausarbeit und die Kinderbetreuung involviert gewesen zu sein. Andererseits hat aber auch ein Teil der Frauen (und vor allem Mütter) von einer Mehrbelastung berichtet. Inwiefern diese Tendenzen langfristige Folgen bezüglich der Geschlechtergleichheit haben werden, bleibt offen. Durch die zum Teil kleinen Fallzahlen wäre es ratsam, vertiefende Analysen mit einer grösseren Stichprobe durchzuführen.   

FORS Covid-19 MOSAiCH Erhebung
Um einen Beitrag zum Verständnis der Aus­wirkungen von Covid-19 auf die Gesell­schaft in der Schweiz zu leisten, wurden in MOSAiCH (https://forscenter.ch/mosaich/) Fragen zu Covid-19 und den damit ein­hergehenden Massnahmen aufgenommen. MOSAiCH ist eine jährlich stattfindende sozialwissenschaftliche Erhebung, die sich rund um die Themen Wohlbefinden, Arbeit, Vereinbarkeit Familie und Beruf sowie Politik dreht. Zwischen Ende April und Ende Mai 2020 haben 1’937 Personen an einer Online-Befragung teilgenommen, die in Privathaushalten in der Schweiz leben und mindestens 18 Jahre alt sind. Die Resultate wurden statistisch gewichtet, um eine bessere Repräsen­tativität für die Schweizer Bevölkerung zu erreichen. Die Personen werden im Herbst 2020 ein zweites und im Frühling 2021 ein drittes Mal befragt, um die Auswirkungen von Covid-19 längerfristig messen zu können.

Dieser Beitrag basiert auf dem  Faktenblatt Nr. 4 der FORS Covid-19 Erhebungen.


 

[1] Schmid, B. (2020). Das Ende der Familie ist aufgeschoben, Neue Zürcher Zeitung (29.05.2020).

 

Bild: Pixabay.com

 

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