Welche Parlamentarier können sich Verwaltungsratsmandate leisten?

Wer nimmt in welcher Organisation Einsitz und weshalb? Wir zeigen, wie Parlamentarier*innen dabei zwischen politischen und eigenen finanziellen Zielen abwägen. 

Ganz allgemein verfolgen Parlamentarier*innen politische Ziele. Zum einen wollen sie ihre Überzeugungen erfolgreich in den Gesetzgebungsprozess einbringen, zum anderen streben sie nach höheren politischen Weihen. Doch das Handeln der Parlamentarier*innen kann auch von persönlichen finanziellen Interessen geleitet sein. Dies zeigt sich beispielsweise darin, wenn Parlamentsmitglieder finanziell lukrative Nebentätigkeiten aufnehmen.

Bei diesen Nebentätigkeiten handelt es sich zu einem grossen Teil um Verwaltungsratsmandate. Dass Parlamentsmitglieder solche Mandate annehmen, hat handfeste Beweggründe. Für viele neue Parlamentarier*innen ist der Amtsantritt mit einer Lohneinbusse verbunden, die sie während der Amtszeit zu kompensieren versuchen. Darüber hinaus bieten die Verwaltungsratspositionen neben der finanziellen Absicherung auch für den Fall der Abwahl aus dem Parlament Karriereoptionen.

Problematisch an den Nebentätigkeiten ist vor allem, dass sie auf Kosten der Parlamentsarbeit gehen. Mehr Nebentätigkeiten gehen einher mit mehr Absenzen sowie weniger eingereichten Vorstössen und Wortmeldungen.

Interessengruppenportfolios unterscheiden sich stark

Im Zentrum unserer Untersuchung steht die Zusammensetzung der Interessengruppenportfolios von Parlamentsmitgliedern, d.h. wir betrachten, wie sich die Interessenbindungen der Parlamentarier*innen zusammensetzen und wie sie sich über die Zeit entwickeln. Je nach Person und Zeitpunkt kann der Fokus der Interessenbindungen entweder stärker auf Verwaltungsratsmandaten oder auf Ämtern in Verbänden und anderen Organisationen liegen. Die Ämterkumulation von Verwaltungsratsmandaten betrachten wir dabei als primär finanziell motiviert, da ihnen selten ein grosser politscher Nutzen zukommt. Bei den meisten anderen Nebenämtern, d.h. beispielsweise in nicht-wirtschaftlichen Verbänden oder Stiftungen steht hingegen die Vertretung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen (z.B. Patient*inneninteressen) oder das Verfechten gesamtgesellschaftlicher Anliegen (z.B. Umweltschutz) im Vordergrund. Diese Art der Nebenämter dient in erster Linie dazu, politische Unterstützung innerhalb und ausserhalb des Parlamentes zu mobilisieren.

Abbildung 1: Entwicklung der Interessengruppenportfolios über die Amtsdauer (1985-2015)

Parlamentsmitglieder verfolgen bei der Auswahl ihrer Nebenämter sowohl finanzielle als auch politische Ziele. Der Nutzen aus diesen Tätigkeiten hängt jedoch nicht nur vom Amt selbst, sondern auch von jeder einzelnen Person ab. So werden sich Parlamentarier*innen, die politisch eher im linken Spektrum verortet werden können, vor Verwaltungsratsmandaten hüten. Da ihre Wählerschaft eine stärkere Marktregulierung befürwortet, könnte die Zusammenarbeit mit Unternehmen ihrer Glaubwürdigkeit und damit ihren Wahlchancen abträglich sein. Bürgerliche, wirtschaftsfreundlichere Parlamentsmitglieder kennen diese Bedenken nicht, da ihre Wählerschaft solchen Kooperationen neutral oder gar positiv gegenübersteht.

Gleichzeitig erarbeiten sich Parlamentsmitglieder auch eine Art Amtszeitbonus, der ihnen die Wiederwahl vereinfacht. In dem sie sich für ihren Kanton einsetzen, eine stärkere Medienpräsenz geniessen und über die Zeit ihre Bekanntheit steigern können, sind sie bei Wahlen weniger auf die politische Unterstützung der Interessengruppen angewiesen. Dies ermöglicht es ihnen, sich stärker auf finanzielle Eigeninteressen konzentrieren zu können.

Daten und Methoden
Um unsere Annahmen zu überprüfen, analysierten wir die Zusammensetzung der Interessengruppenportfolios aller Schweizer Nationalrät*innen in den Jahren zwischen 1985 und 2015. Dabei betrachteten wir die relative Zusammensetzung ihrer Portfolios, um Unterschiede in der zeitlichen Verfügbarkeit für Nebenämter ausblenden zu können. Der Anteil von Verwaltungsratsmandaten in den Portfolios variiert zwischen 0 und 100 Prozent. Im Vordergrund unserer Analyse stand dabei, ob die Links-Rechtspositionierung und die Anzahl Amtsjahre der Parlamentsmitglieder deren Portfoliokompositionen beeinflussen.

Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass sich Parlamentarier*innen des linken Spektrums bewusst sind, dass ihre Wählerschaft Verbindungen zu Unternehmen mehrheitlich nicht goutieren. Daran ändert auch eine längere Amtszeit nichts. Über die Zeit verringert sich der Anteil von Verwaltungsratsmandaten in ihren Portfolios sogar. Bürgerliche Parlamentarier*innen hingegen scheinen auf keinen Widerstand zu stossen bzw. erfahren aus der Wählerschaft eher Unterstützung für ihren Einsatz in Verwaltungsräten. So können sie über die Jahre auch den Anteil der Verwaltungsratsmandate in ihren Interessengruppenportfolios ausbauen, ohne mit Sanktionen von Seiten der Wählerschaft rechnen zu müssen.

Alles in allem zeigen unsere Erhebungen, dass Parlamentsmitglieder sehr darauf achten, wie die Wählerschaft auf ihre Zusammenarbeit mit Interessengruppen reagiert.


Referenz:

Bild: rawpixel.com

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KategorienSchweizer PolitikThemen
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